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BSG 09.04.2014 - B 14 AS 293/13 B
BSG 09.04.2014 - B 14 AS 293/13 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - rechtliches Gehör - Einsicht in die beigezogenen Verwaltungsakten - Verfahrensgegenstand der mündlichen Verhandlung - Versäumung der Beantragung einer Berichtigung des Urteilstatbestandes
Normen
§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 62 SGG, § 139 Abs 1 SGG
Vorinstanz
vorgehend SG Münster, 1. April 2011, Az: S 8 AS 62/08, Urteil
vorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 29. Mai 2013, Az: L 12 AS 981/11, Urteil
Tenor
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Die Beschwerden der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. Mai 2013 werden zurückgewiesen.
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Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
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I. Die im Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) seit dem Jahr 2005 stehenden Kläger sind mit ihrem Begehren, höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II für die Zeit vom 16.11.2007 bis zum 31.5.2008 vom beklagten Jobcenter zu erhalten, bisher ohne Erfolg geblieben (zuletzt Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen <LSG> vom 29.5.2013). In ihren gegen die Nichtzulassung der Revision in der Entscheidung des LSG gerichteten Beschwerden rügen die Kläger als Verfahrensmangel einen Verstoß des LSG gegen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör sowie eine zweifache Abweichung des LSG von Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG).
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II. Die Beschwerden der Kläger sind zurückzuweisen, weil die erhobenen Rügen zum Teil unbegründet und zum Teil unzulässig sind.
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Die Revision kann nur aus den in § 160 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) genannten Gründen - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Abweichung (Divergenz), Verfahrensmangel - zugelassen werden. In der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG erfordern diese Vorschriften, dass der Zulassungsgrund schlüssig dargetan wird (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 34, 47, 58; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, IX, RdNr 177 ff mwN). Andernfalls ist die Beschwerde schon als unzulässig zu verwerfen.
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1. Soweit die Kläger als Verfahrensmangel nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG rügen, das LSG habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, sind die Beschwerden unbegründet.
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Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Grundgesetz <GG>, § 62 SGG) soll nach der ständigen Rechtsprechung des BSG und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (vgl BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 1 mwN; BVerfGE 84, 188, 190), und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht in seine Erwägungen miteinbezogen wird (BVerfGE 22, 267, 274; 96, 205, 216 f).
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Die Kläger führen aus, das LSG habe sein Urteil ua auf von dem Beklagten vorgelegte Wohnungsanzeigen gestützt, die ihnen aber trotz schriftlicher Anfrage und einer dahingehenden Rüge in der mündlichen Verhandlung nicht zur Kenntnis gebracht worden seien.
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Zwar kann die fehlende Information der Beteiligten über die dem Gericht von der beklagten oder einer anderen Behörde vorgelegten Verwaltungsakten oder die einem Beteiligten nicht gewährte Einsicht in zu dem Verfahren beigezogenen Verwaltungsakten ein solcher Verfahrensmangel sein, wenn das Gericht seine Entscheidung auf diese Unterlagen stützt. Dieser Verfahrensfehler kann jedoch nicht mehr angenommen werden, wenn die Verwaltungsakten Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren und die Beteiligten damit Gelegenheit hatten, in sie Einsicht zu nehmen. Dies war vorliegend nach den Feststellungen des LSG am Ende seines Urteilstatbestandes der Fall. Da eine Tatbestandsberichtigung innerhalb der Frist des § 139 SGG nicht beantragt wurde, ist der erkennende Senat an die dahingehende Feststellung des LSG gebunden und hat davon auszugehen, dass der wesentliche Inhalt dieser Akten einschließlich der in ihnen enthaltenen Wohnungsanzeigen tatsächlich Verhandlungsgegenstand war (vgl Bundesverwaltungsgericht <BVerwG> vom 7.11.1973 - 6 C 5.73 - BVerwGE 44, 152; BVerwG vom 10.11.1992 - 3 B 52.92; BVerwG vom 5.2.1998 - 7 B 24.98). Aus dem gegenteiligen Vorbringen der Kläger im Rahmen ihrer Beschwerdebegründung folgt nichts anderes, weil dies nur ein von den das BSG bindenden Feststellungen des LSG abweichender Tatsachenvortrag ist und sie von dem gebotenen Antrag auf Tatbestandsberichtigung keinen Gebrauch gemacht haben.
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2. Auch die Voraussetzungen des geltend gemachten Zulassungsgrundes der Divergenz sind nicht erfüllt.
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Eine Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann hinreichend dargetan, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 21, 29 und 54). Eine Divergenz liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG aufgestellt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien ausdrücklich widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat (vgl Krasney/Udsching, aaO, IX, RdNr 196 mwN; BSG SozR 1500 § 160a Nr 29).
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Die Kläger behaupten, dem Urteil des LSG sei auf Seite 7 folgender Rechtssatz zu entnehmen:
"Die Kosten der Unterkunft und Heizung sind unangemessen hoch, wenn ein schlüssiges Konzept zu verneinen wäre, dem Grundsicherungsträger die Nachreichung eines solchen Konzepts nicht gelingt und die Miete die auf den Leistungsempfänger anzuwendenden Tabellenwerte von § 8 WoGG a.F. übersteigt."
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a) Dies ist hinsichtlich der Wörter "und Heizung" unzutreffend. Das LSG hat den zuvor wiedergegebenen Satz nur hinsichtlich der Kosten der Unterkunft in seinem Urteil aufgestellt. Damit fehlt es für die von den Klägern gerügte zweite Divergenz des Urteils des LSG von Entscheidungen des BSG bezüglich der Kosten der Heizung schon an einem entsprechenden Rechtssatz des LSG.
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b) Hinsichtlich der auf die Kosten der Unterkunft bezogenen ersten Divergenzrüge kann es dahingestellt bleiben, ob das LSG wirklich von der Rechtsprechung des BSG abweichen wollte oder sich nur einzelfallbezogen unklar ausgedrückt hat, weil es auf die Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 26.5.2011 - B 14 AS 132/10 R - und vom 18.2.2010 - B 14 AS 73/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 34) Bezug nimmt, die mit dem von den Klägern angeführten Urteil des 4. Senats des BSG vom 11.12.2012 (B 4 AS 44/12 R) übereinstimmt (vgl zB BSG vom 14.2.2013 - B 14 AS 61/12 R). Danach sind - wie die Beschwerdebegründung zu Recht ausführt - die Leistungen für die Unterkunft nach § 22 SGB II nur dann auf die Werte der Tabelle nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) begrenzt, wenn nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten wegen eines "Ermittlungsausfalls" ein sog schlüssiges Konzept nicht erstellt werden kann (vgl BSG vom 11.12.2012, aaO; BSG vom 14.2.2013, aaO; BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59).
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Der Beschwerdebegründung ist nicht zu entnehmen, dass der von ihr angenommene Widerspruch entscheidungserheblich ist. Um eine Entscheidungserheblichkeit der behaupteten Divergenz zu belegen, hätten die Kläger ausgehend von der angeführten Rechtsprechung des BSG in der Beschwerdebegründung darstellen müssen, dass für ihren Wohnort ein schlüssiges Konzept ermittelt werden könne, das für die strittige Zeit zu höheren Leistungen für die Unterkunft für sie führen werde, obwohl die vom Beklagten an sie gezahlte Bruttokaltmiete von 817,95 Euro deutlich über dem Betrag nach der Tabelle in § 8 Wohngeldgesetz (in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 7.7.2005, BGBl I 2029 - WoGG) und einem Zuschlag von 10 vH von 687,50 Euro liegt. Die bloße Feststellung und Begründung eines "Ermittlungsausfalls" seitens des LSG hinsichtlich eines sog schlüssigen Konzepts würde vorliegend nicht zu höheren Leistungen führen, sondern nur zur Begrenzung derselben auf die Tabellenwerte nach dem WoGG.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
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