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BSG 16.02.2012 - B 9 SB 48/11 B
BSG 16.02.2012 - B 9 SB 48/11 B - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Auslegung nicht eindeutiger Anträge durch das Gericht - Feststellung des Grades der Behinderung und Feststellung der Voraussetzungen des Merkzeichens G - kein Feststellungsanspruch im Verfügungssatz eines Bescheids - Zurückverweisung
Normen
§ 160a Abs 5 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 123 SGG, § 4 Abs 1 S 1 SchwbG, § 69 Abs 1 S 1 SGB 9, § 133 BGB
Vorinstanz
vorgehend SG Duisburg, 27. April 2010, Az: S 24 SB 43/08, Urteil
vorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 23. Februar 2011, Az: L 10 SB 150/10, Urteil
Tenor
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Auf die Beschwerde der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. Februar 2011 aufgehoben, soweit es die Feststellung des Grades der Behinderung und die Feststellung der Voraussetzungen des Merkzeichens G betrifft.
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In diesem Umfang wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
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Im Übrigen wird die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen.
Tatbestand
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Die 1962 geborene Klägerin begehrt in der Hauptsache die (rückwirkende) Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 80 sowie die (rückwirkende) Feststellung der Voraussetzungen der Merkzeichen G und H.
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Mit Bescheid vom 15.9.2005 wurde bei der Klägerin für die Zeit ab 4.7.2005 ein GdB von 30 bestandskräftig festgestellt.
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Am 29.6.2006 beantragte die Klägerin die rückwirkende Feststellung eines höheren GdB sowie die rückwirkende Feststellung der Voraussetzungen der Merkzeichen G und H. Daraufhin wurde der Bescheid vom 15.9.2005 abgeändert und ein GdB von 60 ab Antragstellung (29.6.2006) festgestellt. Die Feststellung der Voraussetzungen der Merkzeichen G und H wurde abgelehnt (Bescheid des Versorgungsamtes Duisburg vom 24.5.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Münster vom 6.2.2008).
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Im nachfolgenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Duisburg (S 24 SB 43/08) erklärte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit deren Einverständnis, der "Nachteilsausgleich H" sei nicht mehr streitbefangen. Der Bevollmächtigte der beklagten Stadt gab ein Teilanerkenntnis (GdB von 80 ab Antragstellung 29.6.2006>) ab, das der Prozessbevollmächtigte der Klägerin annahm. Im Übrigen beantragte dieser, bei der Klägerin unter Änderung der entgegenstehenden Verwaltungsentscheidung ab dem Jahre 2000 einen GdB von 80 sowie den Nachteilsausgleich G festzustellen. Das SG hat die beklagte Stadt entsprechend ihrem Teilanerkenntnis verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen, weil diese insoweit unzulässig sei. Hinsichtlich des Begehrens der Feststellung eines höheren GdB für die Zeit vor der Antragstellung fehle es in den angefochtenen Bescheiden an einer ausdrücklichen Entscheidung der Beklagten (Urteil vom 27.4.2010).
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Gegen das Urteil des SG hat die Klägerin persönlich (nicht vertreten durch ihren bisherigen Prozessbevollmächtigten) Berufung eingelegt, mit der sie zunächst begehrt hat, unter Abänderung des Urteils des SG ihre Behinderung "wenn möglich seit dem Jahr 2000" zu bestätigen (hilfsweise "wenigstens ab dem Jahr 2002"), die "in dem Antrag vom Jahr 2005 nicht anerkannten, aber durch die behandelnden Ärzte bescheinigten gesundheitlichen Störungen" sowie "die Nachteilsausgleiche G und H anzuerkennen".
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Ausweislich der Sitzungsniederschrift hat der 10. Senat des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen die Klägerin in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass nach seiner Auffassung die Berufung unzulässig sei, wenn sie sich gegen einen Bescheid aus dem Jahr 2005 und nicht gegen die im erstinstanzlichen Verfahren streitigen Bescheide aus 2007 wende. Er hat der Klägerin geraten, den Berufungsantrag zu stellen, das Urteil des SG vom 27.4.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 24.5.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.6.2007 zu verurteilen, bei ihr den Nachteilsausgleich G sowie einen GdB von 80 bereits ab dem Jahr 2000 festzustellen.
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Die Klägerin hat daraufhin erklärt: "Ich möchte den Antrag so stellen, wie er in meiner schriftlichen Berufungsbegründung anklingt". Nach nochmaligen Hinweis auf die Unzulässigkeit der Berufung hat die als Vorsitzende handelnde Richterin folgenden Antrag zu Protokoll diktiert:
"Die Klägerin beantragt gleichwohl,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 27.4.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 15.9.2005 zu verurteilen, bei ihr die Nachteilsausgleiche G und H, einen GdB von 80 bereits seit dem Jahr 2000, hilfsweise seit dem Jahr 2002, sowie weitere gesundheitliche Störungen festzustellen,
hilfsweise den Rechtsstreit zu vertagen und die im Rentenverfahren vor dem Sozialgericht Duisburg noch einzuholenden Gutachten beizuziehen, sobald diese vorliegen."
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Nach nochmaligem Vorspielen hat die Klägerin dazu erklärt: "Das ist jedenfalls insoweit richtig, als dass hier heute vertagt werden müsste. Im Übrigen kann ich mich nicht äußern."
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Das LSG hat die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG als unzulässig verworfen (Urteil vom 23.2.2011). Diese Entscheidung hat es im Wesentlichen darauf gestützt, dass keine berufungsfähige Entscheidung des SG zu dem im Berufungsverfahren streitgegenständlichen Bescheid vorliege. Der nunmehr angegriffene Bescheid vom 15.9.2005 sei nicht Gegenstand des Klageverfahrens gewesen. Das jetzige Vorbringen der Klägerin stelle sich der Sache nach als Klageänderung dar. Diese setze eine zulässige Berufung voraus, an welcher es vorliegend mangele. Dem Berufungsantrag der Klägerin könne auch nicht durch Auslegung ein zulässiger Inhalt beigemessen werden. Nach dem gesamten Vorbringen der Klägerin sei auszuschließen, dass sich diese gegen die im Klageverfahren angegriffenen Bescheide von 2007 wende.
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Die Klägerin hat gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG beim Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde eingelegt, die sie mit dem Vorliegen eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) begründet: Sie habe sich von Anfang an gegen den Bescheid vom 15.9.2005 gewandt. Ihr Antrag sei dahingehend auszulegen gewesen, dass sie eine Neufeststellung ihres GdB und der Nachteilsausgleiche G und H wegen Rechtswidrigkeit des bislang maßgeblichen Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit begehre, denn sie habe sich auf Umstände berufen, die bereits bei Erlass des Bescheides vom 15.9.2005 vorgelegen hätten. Das LSG hätte deshalb entsprechend ihrem Begehren den Antrag wie folgt formulieren müssen: "Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 23.2.2011 (richtig 27.4.2010) sowie den Bescheid der Beklagten vom 24.5.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.6.2007 (richtig 6.2.2008) aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, bei ihr unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 15.9.2005, die Nachteilsausgleiche G und H, einen GdB von 80 bereits seit dem Jahr 2000, hilfsweise seit dem Jahr 2002, sowie weitere gesundheitliche Störungen festzustellen."
Entscheidungsgründe
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1. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist nur zum Teil zulässig.
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Nach § 160a Abs 2 S 3 SGG muss in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweicht (vgl § 160 Abs 2 Nr 2 SGG), oder der Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) bezeichnet werden. Betrifft der Rechtsstreit mehrere prozessuale Ansprüche - wie hier die Feststellung des GdB, weiterer gesundheitlicher Störungen sowie der Voraussetzungen der Merkzeichen G und H - muss die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde hinsichtlich jedes einzelnen prozessualen Anspruchs, über den das LSG entschieden hat, den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG genügen.
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In Bezug auf die Feststellung der Voraussetzungen des Merkzeichens H hat die Klägerin in der Beschwerdebegründung weder die einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan noch hinreichend dargelegt, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann. Sie trägt selbst vor, dass ihr damaliger Prozessbevollmächtigter mit ihrem Einverständnis vor dem SG zu Protokoll erklärt hat: "Der Nachteilsausgleich H ist nicht mehr streitbefangen." Dass das LSG diese protokollierte Prozesserklärung verfahrensfehlerhaft als (teilweise) Klagerücknahme ausgelegt hat, hat die Klägerin nicht dargelegt. Die bloße Behauptung, dass diese Erklärung "ihr aufgezwungen" worden sei, reicht - schon im Hinblick auf das Handeln des von der Klägerin bevollmächtigten Rechtsanwalts - für die Darlegung der Unwirksamkeit der Klagerücknahme nicht aus.
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Auch soweit es die von der Klägerin begehrte Feststellung weiterer gesundheitlicher Störungen betrifft, hat die Klägerin einen berufungsgerichtlichen Verfahrensfehler nicht hinreichend bezeichnet. Der Umstand, dass die Vorinstanzen der Klägerin zu diesem Punkt eine Sachentscheidung verweigert haben, kann nur dann als Mangel des Verfahrens angesehen werden, wenn es sich dabei überhaupt um eine zulässige Feststellung nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) bzw (ab 1.7.2001) nach dem SGB IX handelt. Dazu hat das BSG entschieden, dass die zuständige Behörde im Verfügungssatz eines Bescheides nach § 4 Abs 1 S 1 SchwbG das Vorliegen einer (unbenannten) Behinderung und den GdB festzustellen hat (vgl BSGE 82, 176 = SozR 3-3870 § 4 Nr 24). Die dieser Feststellung im Einzelfall zugrunde liegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und deren Auswirkungen sind danach lediglich in der Begründung des Verwaltungsaktes anzugeben. Im Hinblick auf diese Rechtsprechung hätte es näherer Darlegungen bedurft, warum hier ein diesbezüglicher Verfahrensmangel vorliegen soll. Daran fehlt es.
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Soweit die Klägerin als Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG rügt, ihr Antrag sei dahingehend auszulegen gewesen, dass sie eine Neufeststellung wegen Rechtswidrigkeit des bislang maßgeblichen Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit begehre, macht sie sinngemäß eine Verletzung des § 123 SGG geltend. Damit hat sie, soweit das Urteil des LSG die Feststellung des GdB und die Feststellung der Voraussetzungen des Merkzeichens G betrifft, formgerecht einen mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügbaren Verfahrensmangel bezeichnet (§ 160a Abs 2 S 3 SGG).
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2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet, soweit das angefochtene Urteil des LSG vom 23.2.2011 die Feststellung des GdB und der Voraussetzungen des Merkzeichens G betrifft. In diesem Umfang beruht das Berufungsurteil auf einem ordnungsgemäß bezeichneten Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Der gerügte Verstoß gegen § 123 SGG liegt auch vor, denn das LSG hat das Berufungsbegehren der Klägerin verkannt.
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Nach § 123 SGG entscheidet das Gericht über die von dem jeweiligen Kläger bzw der jeweiligen Klägerin erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Bei unklaren Anträgen muss das Gericht mit den Beteiligten klären, was gewollt ist, und vor allem bei nicht rechtskundig vertretenen Beteiligten darauf hinwirken, dass sachdienliche und klare Anträge gestellt werden (§ 106 Abs 1, § 112 Abs 2 S 2 SGG; Keller bzw Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 123 RdNr 3, § 112 RdNr 8). Im Übrigen ist das Gewollte, also das mit der Klage bzw der Berufung verfolgte Prozessziel, bei nicht eindeutigen Anträgen im Wege der Auslegung festzustellen (vgl etwa BSGE 63, 93, 94 = SozR 2200 § 205 Nr 65 S 180; BSG Urteil vom 8.12.2010 - B 6 KA 38/09 R -, MedR 2011, 823; Keller aaO). In entsprechender Anwendung der Auslegungsregel des § 133 BGB ist der wirkliche Wille zu erforschen. Dabei sind nicht nur der Wortlaut, sondern auch die sonstigen Umstände des Falles, die für das Gericht und die anderen Beteiligten erkennbar sind, zu berücksichtigen (vgl BSG aaO). Im Zweifel ist davon auszugehen, dass unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsprinzips alles begehrt wird, was dem Kläger/der Klägerin aufgrund des Sachverhalts rechtlich zusteht (vgl etwa BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 16).
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Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben konnte das LSG das Begehren der im Berufungsverfahren nicht mehr anwaltlich vertretenen Klägerin nur so verstehen, dass diese unter Aufhebung der entgegenstehenden Entscheidung des SG für die Zeit ab dem Jahre 2000 eine Korrektur der bestandskräftigen Verwaltungsentscheidung vom 15.9.2005 erreichen will. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin bereits im Juli 2005 Feststellungen nach § 69 SGB IX "möglichst ab 2001" beantragt hatte, das Versorgungsamt D. mit Bescheid vom 15.9.2005 jedoch nur einen GdB von 30 ab Antragstellung zuerkannte. Da dieser Verwaltungsakt den Antrag der Klägerin erkennbar vollständig bescheiden sollte, liegt darin zugleich auch eine Ablehnung für die Zeit vor der Antragstellung. Ihr Ziel rückwirkender Feststellungen machte die Klägerin sodann erneut mit ihrem "Änderungsantrag" vom 29.6.2006 deutlich: Sie beantragte die Ausstellung eines Ausweises mit Rückwirkung "ab Geburt". In Ihrem Begleitschreiben vom 22.6.2006 wies sie auf ihren Antrag aus dem "letzten Jahr" hin und bat um Information, "welche Behinderung mit wie vielen Prozenten" berücksichtigt wurde. In einem weiteren Schreiben vom 25.1.2007 bat sie um Überprüfung, "seit wann" sie tatsächlich behindert sei.
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Das zum damaligen Zeitpunkt zuständige Versorgungsamt konnte diesen Antrag der Klägerin nach seinem objektiven Erklärungswert und der Interessenlage nur so verstehen, dass diese unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsprinzips alles begehrt, was ihr aufgrund des von ihr geschilderten Sachverhalts rechtlich zusteht, also dass sie nicht nur eine Neufeststellung wegen wesentlicher Änderung der tatsächlichen Verhältnisse nach § 48 SGB X beansprucht, sondern auch eine Überprüfung des bestandskräftigen Verwaltungsakts nach § 44 Abs 2 SGB X erreichen will (vgl hierzu auch BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 16).
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Dieses Begehren hat das Versorgungsamt zwar nicht ausdrücklich beschieden, denn der angefochtene Bescheid vom 24.5.2007 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.2.2008) nennt als Rechtsgrundlage lediglich § 48 SGB X. Nach dem Inhalt des Verwaltungsakts sollte der Antrag der Klägerin jedoch - soweit er über die Neufeststellung eines GdB von 60 ab 29.6.2006 hinausgeht - in vollem Umfang abgelehnt werden (vgl hierzu auch BSG aaO RdNr 17).
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Entgegen der Auffassung des SG in seinem Urteil vom 27.4.2010 fehlt demnach keine (ablehnende) Entscheidung der Verwaltung über den Antrag der Klägerin auf Überprüfung des bestandskräftigen Verwaltungsakts vom 15.9.2005 nach § 44 Abs 2 SGB X. Diesen Überprüfungsantrag hat die Klägerin mit einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs 1 S 1 SGG (zur Klageart bei Klagen wegen Ansprüchen nach § 44 SGB X: vgl allgemein BSG 4. Senat> SozR 3-1300 § 44 Nr 8 S 19; BSG 7. Senat>, BSGE 76, 156, 157 f; BSG 9. Senat>, BSGE 81, 150, 152 = SozR 3-3100 § 30 Nr 18 S 43; BSG 2. Senat>, BSGE 97, 54 = SozR 4-2700 § 8 Nr 18, RdNr 9) insoweit weiterverfolgt, als sie - nach teilweiser Klagerücknahme (Merkzeichen H) - über das von ihr angenommene Teilanerkenntnis der beklagten Stadt (GdB von 80 ab 29.6.2006) hinaus begehrt, "die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 24.5.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.6.2007 (richtig 6.2.2008) zu verurteilen, bei ihr ab dem Jahre 2000 bereits einen GdB von 80 und den Nachteilsausgleich G festzustellen." Mit dem im Tenor des Urteils vom 27.4.2010 enthaltenen Ausspruch "Im Übrigen wird die Klage abgewiesen" hat das SG insoweit die ablehnende Entscheidung der Verwaltung bestätigt. Entgegen der Auffassung des LSG liegt mithin jedenfalls zu den Streitgegenständen "Feststellung des GdB" und "Feststellung der Voraussetzungen des Merkzeichens G" eine berufungsfähige Entscheidung vor, die sich auch auf die von der Klägerin begehrte Überprüfung des Bescheides vom 15.9.2005 bezieht.
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Das LSG hätte deshalb im Rahmen seiner gemäß § 123 SGG gebotenen Auslegung des Klage- und Berufungsbegehrens der Klägerin die den Überprüfungsantrag nach § 44 Abs 2 SGB X ablehnende Verwaltungsentscheidung, die vom SG mit der Klageabweisung bestätigt worden ist, in seine Prüfung und Entscheidung mit einbeziehen müssen. Eine derartige Auslegung war auch deshalb geboten, weil die Klägerin in der mündlichen Verhandlung weder dem vom LSG als sachdienlich angesehenen Berufungsantrag zugestimmt noch den von der als Vorsitzende handelnden Richterin des LSG zu Protokoll diktierten Antrag trotz mehrmaligem Vorspielen ausdrücklich genehmigt hat.
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Auf dem insoweit verfahrensfehlerhaften Verkennen des Berufungsbegehrens kann die angefochtene Entscheidung auch beruhen, denn es ist nicht auszuschließen, dass das LSG bei richtiger Erfassung dieses Begehrens möglicherweise zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis gekommen wäre.
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3. Nach § 160a Abs 5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn - wie hier - die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen. Der Senat macht im Hinblick auf die Umstände des vorliegenden Falles von dieser Möglichkeit insoweit Gebrauch, als er das angefochtene Urteil des LSG aufhebt, soweit es die Feststellung des GdB und die Feststellung der Voraussetzungen des Merkzeichens G betrifft. In diesem Umfang wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen. Im Übrigen wird die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen.
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Das LSG wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.
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