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BSG 15.02.2011 - B 12 KR 53/10 B
BSG 15.02.2011 - B 12 KR 53/10 B - Nichtzulassungsbeschwerde - Begründungserfordernis - Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung bei verfassungsrechtlichen Bedenken
Normen
§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG
Vorinstanz
vorgehend SG Hannover, 2. September 2009, Az: S 19 KR 382/09, Gerichtsbescheid
vorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, 2. Juni 2010, Az: L 4 KR 364/09, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 2. Juni 2010 wird als unzulässig verworfen.
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Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
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I. Die Klägerin begehrt in der Hauptsache die Feststellung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) von der beklagten Krankenkasse.
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Die Klägerin ist Spätaussiedlerin iS des § 4 Bundesvertriebenengesetz und seit dem 15.2.1993 in der Bundesrepublik Deutschland ansässig. Auf ihren Antrag vom 31.7.2008 bezieht sie seit dem 1.10.2008 Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Beklagte lehnte die Feststellung der Versicherungspflicht ab, da es insbesondere an der notwendigen sog 9/10-Belegung fehle. Widerspruch, Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (zuletzt LSG-Urteil vom 2.6.2010).
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II. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG ist in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat keinen Zulassungsgrund in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt oder bezeichnet.
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Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung der inhaltlichen Unrichtigkeit der Berufungsentscheidung ist demgegenüber kein Zulassungsgrund.
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Die zunächst mit der Beschwerdeschrift vom 12.7.2010 eingereichte Begründung genügt schon deshalb nicht den an die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zu stellenden Anforderungen, weil sie sich - abgesehen von der pauschalen Behauptung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache - auf eine weitgehend wörtliche Wiederholung der Klagebegründung ohne jede Auseinandersetzung mit den Gründen des Urteils des LSG oder des hierin zu Bezug genommenen Gerichtsbescheids des SG beschränkt. Das Begründungserfordernis dient dem Ziel, die Revisionsgerichte zu entlasten und im wohlverstandenen Interesse aller Beteiligten eine sorgfältige Vorbereitung des Verfahrens zu gewährleisten (BSG SozR 3-1500 § 166 Nr 4; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 160a RdNr 9; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 292). Diesem Ziel wird mit der bloßen Wiederholung des Vortrags vor den Instanzgerichten ebenso wenig genügt, wie mit einer - nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässigen - Bezugnahme auf Schriftsätze, die in den Vorinstanzen eingereicht worden sind (hierzu zB BSG Beschluss vom 21.8.2009 - B 11 AL 21/09 B - RdNr 8; BSG Beschluss vom 15.3.1991 - 2 BU 20/91; Leitherer, aaO, § 160a RdNr 13a; Kummer, aaO, RdNr 292).
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Auch mit der unter dem 10.9.2010 eingereichten weitergehenden Beschwerdebegründung hat die Klägerin keinen Zulassungsgrund in der gebotenen Weise dargelegt oder bezeichnet. Die Klägerin beruft sich ausschließlich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache lässt sich nur darlegen, indem die Beschwerdebegründung ausführt, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN; vgl auch BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer verfassungsrechtlichen Frage gilt nichts anderes. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
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Die Klägerin hält die Frage für klärungsbedürftig:
"Ist der Belegungszeitraum von 9/10 der zweiten Hälfte des Erwerbslebens als Zugangsvoraussetzung für eine Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V für anerkannte Spätaussiedler, die ihren Wohnsitz vor mehr als 10 Jahren in das Inland verlegt haben, bei verfassungskonformer Auslegung dahingehend zu beschränken, dass entweder auf das Erfordernis des Belegungszeitraums gänzlich zu verzichten ist oder als Zeitraum des Erwerbslebens nur auf den tatsächlichen Aufenthalt im Inland abzustellen ist."
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Mit dem dazu erfolgten Vorbringen wird jedenfalls die Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit dieser Frage nicht ordnungsgemäß dargelegt. Soweit die Klägerin eine Auslegung des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V für geboten hält, die von der des LSG abweicht, hätte sie darlegen müssen, dass der Wortlaut überhaupt für eine Auslegung im Sinne der von ihr favorisierten Rechtsauffassung offen ist. Die Klägerin hätte also darstellen müssen, dass der Regelungsgehalt des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V nach Wortbedeutung und Satzzusammenhang im hier relevanten Bedeutungszusammenhang mehrdeutig ist. Dazu genügen jedoch weder der in der Beschwerdebegründung vorgenommene Verweis auf den Ausschluss des gewünschten Ergebnisses durch die vom LSG vertretene Auslegung dieser Norm noch die nach Auffassung der Klägerin ein solches Ergebnis gebietenden wesentlichen Aspekte außer Acht lassenden verfassungsrechtlichen Erwägungen. Zudem fehlen auch Ausführungen zur Deutung der genannten Norm unter Anwendung der weiteren Auslegungsmethoden.
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Auch soweit die Klägerin den in ihrer Beschwerdebegründung verwendeten Argumenten nach mit der aufgeworfenen Rechtsfrage im Kern eine Rechtsfortbildung zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Rechtslage anstrebt, enthält die Beschwerdebegründung nicht die in diesem Zusammenhang in Bezug auf die Klärungsbedürftigkeit gebotenen Darlegungen. Zur Darlegung verfassungsrechtlicher Bedenken gegen die Regelungen, auf die das Berufungsgericht seine Entscheidung gestützt hat, genügt die Behauptung der Verfassungswidrigkeit nicht. Vielmehr muss unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG - im Einzelnen aufgezeigt werden, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; ferner zB BSG Beschlüsse vom 8.12.2008 - B 12 R 38/07 B und vom 27.10.2006 - B 1 KR 92/06 B, RdNr 5). Hierzu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden. Diesen Anforderungen genügt die Begründung nicht.
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Die Klägerin benennt zwar die ihrer Auffassung nach verletzten Grundgesetznormen (Art 3 Abs 1 und Abs 3 Satz 1 GG), jedoch findet die gebotene Auseinandersetzung mit den vom BVerfG entwickelten Maßstäben für die Prüfung eines behaupteten gleichheitswidrigen Privilegierungsausschlusses sowie deren Konsequenzen für das Anliegen der Klägerin nur im Ansatz statt. Insbesondere versäumt es die Klägerin auf die ständige Rechtsprechung des BVerfG und des BSG einzugehen, wonach es im Spannungsverhältnis zwischen der (Vorsorge-)Freiheit des Einzelnen (Art 2 Abs 1 GG) und den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung weitgehend in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers liegt, ob er eine Pflichtversicherung begründen will und wen diese erfassen soll. Nach dieser Rechtsprechung darf die Einbeziehung in die Versicherung nach Maßgabe einer typisierten Schutzbedürftigkeit ohne Rücksicht auf die individuellen Verhältnisse erfolgen. Weshalb durchgreifende Bedenken gegen die Vereinbarkeit des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V mit Art 3 GG bestehen könnten, obwohl der Gesetzgeber im Rahmen seines weiten Gestaltungsspielraums nicht gehalten ist, jede denkbare Form von Beschäftigung in den Schutz der Sozialversicherung einzubeziehen und er erst recht grundsätzlich nicht zu einer Gleichbehandlung unterschiedlicher Versichertengruppen gezwungen ist (stRspr des Senats, zB BSG SozR 4-2500 § 7 Nr 1 RdNr 19 f mwN), ist nicht hinreichend erörtert.
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Für die von der Klägerin benannten verfassungsrechtlichen Probleme hätte es darüber hinaus der Erörterung bedurft, ob und inwieweit diese ggf durch in anderem Zusammenhang vorliegende höchstrichterliche Rechtsprechung bereits geklärt sind. So hat der Senat die Zugangsvoraussetzungen nach § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V bereits in unterschiedlichen Zusammenhängen am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes geprüft und für verfassungsgemäß befunden (vgl BSGE 103, 235 = SozR 4-2500 § 5 Nr 8, RdNr 19; BSG SozR 4-2500 § 5 Nr 4 RdNr 18 f, mwN). Danach ist es verfassungsrechtlich nicht geboten, für Personen, die bisher nicht oder nur in geringem zeitlichem Umfang in der GKV versichert waren, mit Beginn des Rentenbezugs die Möglichkeit der Absicherung in der GKV zu schaffen. Ferner darf der Gesetzgeber auch bei der dem zugrunde liegenden, verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässigen Systemabgrenzung der GKV nach der Zugehörigkeit während des Berufslebens (vgl BSG SozR 4-2500 § 5 Nr 4 RdNr 19) generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne allein wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen Art 3 Abs 1 GG zu verstoßen.Mit dieser naheliegend übertragbaren Rechtsprechung, die in der Beschwerdebegründung keine Erwähnung findet, hätte sich die Klägerin auseinandersetzen und darlegen müssen, weshalb ihr nicht zu folgen bzw inwieweit für Spätaussiedler eine andere rechtliche Bewertung vorzunehmen sein soll.
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Soweit die Klägerin aus den Regelungen des Fremdrentengesetzes (FRG) einen Anspruch auf die Privilegierung von Spätaussiedlern gegenüber anderen Zuwanderern herzuleiten sucht, hätte sie - was unter diesen Umständen nahe liegt - ebenfalls darlegen müssen, welche Folgerungen aus der Rechtsprechung des BVerfG zu § 22 Abs 4 FRG für die von ihr aufgeworfene Fragestellung zu ziehen sind und weshalb dieser Rechtsprechung vorliegend nicht zu folgen ist. Denn das BVerfG hat bereits entschieden, dass die durch das FRG gewährte Begünstigung nicht Grundlage für einen Anspruch sein kann, die volle Gleichstellung mit denjenigen zu erhalten, die ein Versicherungsverhältnis zu einem deutschen Versicherungsträger begründet hatten und haben (BVerfGE 116, 96 = SozR 4-5050 § 22 Nr 5).
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbs 2 SGG).
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Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
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