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BVerfG 01.10.2024 - 1 BvR 770/24
BVerfG 01.10.2024 - 1 BvR 770/24 - Nichtannahmebeschluss: Verfassungsrechtliche Zweifel an Entscheidung des LArbG über außerhalb der mündlichen Verhandlung vorgebrachtes Ablehnungsgesuch ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter - Verfassungsbeschwerde allerdings mangels hinreichender Begründung unzulässig - zudem kein offensichtlicher Verfassungsverstoß
Normen
Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 49 Abs 1 ArbGG, § 64 Abs 6 ArbGG, § 64 Abs 7 ArbGG, § 35 Abs 2 ArbGG
Vorinstanz
vorgehend Landesarbeitsgericht Nürnberg, 20. Februar 2024, Az: 4 Ta 15/22, Beschluss
vorgehend Landesarbeitsgericht Nürnberg, 19. Februar 2024, Az: 4 Ta 15/22, Beschluss
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
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Der Antrag auf Anordnung der Erstattung der notwendigen Auslagen wird abgelehnt.
Gründe
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I.
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft zwei Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts.
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1. Der Beschwerdeführer legte gegen die nach Beendigung eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens seitens des Arbeitsgerichts erfolgte Festsetzung des Streitwerts Beschwerde beim Landesarbeitsgericht ein und beantragte zu deren abschließender Begründung Akteneinsicht durch Übersendung der Akten in seine Kanzleiräume. Weil ihm der Vorsitzende Richter der zuständigen Kammer des Landesarbeitsgerichts Akteneinsicht nur in den Räumlichkeiten des Landesarbeitsgerichts und nach Auffassung des Beschwerdeführers in nicht ausreichendem zeitlichen Umfang gewährt hatte, lehnte er diesen mit Gesuch vom 31. Januar 2024 wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Nachdem der nunmehr zuständige Vorsitzende Richter am Landesarbeitsgericht dem Beschwerdeführer auf sein Schreiben vom 5. Februar 2024 hin weitere Akteneinsicht in den Räumlichkeiten des Landesarbeitsgerichts gewährt hatte, lehnte er mit Schreiben vom 16. Februar 2024 auch diesen wegen Besorgnis der Befangenheit ab.
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2. Mit Beschluss vom 19. Februar 2024, der durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter erging, wies das Landesarbeitsgericht das Ablehnungsgesuch des Beschwerdeführers vom 16. Februar 2024 als offensichtlich unzulässig zurück. Es sei nicht erkennbar, dass die Gewährung weiterer (Zeit zur) Akteneinsicht einen Grund darstelle, der die Besorgnis der Befangenheit auslösen könne.
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Mit Beschluss vom 20. Februar 2024 wies das Landesarbeitsgericht auch das Ablehnungsgesuch des Beschwerdeführers vom 31. Januar 2024 zurück. Das Ablehnungsgesuch sei unbegründet. Bei objektiver Betrachtung liege eine Besorgnis der Befangenheit des abgelehnten Vorsitzenden Richters am Landesarbeitsgericht nicht vor. Der Beschluss vom 20. Februar 2024 erging durch die Kammer des Landesarbeitsgerichts, die mit dem Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht und zwei ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern besetzt war.
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II.
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Mit seiner mit einem Antrag auf Anordnung der Erstattung der notwendigen Auslagen verbundenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 3 Abs. 1 GG), seines Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG), des Verbots von Ausnahmegerichten (Art. 101 Abs. 1 Satz 1 GG) und seines Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sei verletzt, weil der Vorsitzende Richter am Landesarbeitsgericht an dem Beschluss vom 20. Februar 2024 nicht habe mitwirken dürfen. Das gegen ihn gerichtete Ablehnungsgesuch sei entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts im Beschluss vom 19. Februar 2024 nicht offensichtlich unzulässig.
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III.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der von dem Beschwerdeführer als verletzt bezeichneten Verfassungsrechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg, da sie offensichtlich unzulässig ist.
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1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie in Bezug auf die gerügten Verletzungen von Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 101 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG den aus § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG folgenden Substantiierungsanforderungen offensichtlich nicht gerecht wird (vgl. dazu BVerfGE 99, 84 87>; 108, 370 386 f.>; 140, 229 232 Rn. 9>; 157, 300 310 Rn. 25> – Unterschriftenquoren Bundestagswahl).
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2. Eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG liegt auch nicht derart auf der Hand, dass ausnahmsweise auf die aus § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG folgenden Anforderungen an die Begründung einer Verfassungsbeschwerde verzichtet werden könnte (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 1. August 2017 - 2 BvR 3068/14 -, Rn. 45; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 19. September 2023 - 1 BvR 1555/23 -, Rn. 6).
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a) Zwar bestehen Bedenken, ob das Landesarbeitsgericht über das Ablehnungsgesuch des Beschwerdeführers vom 16. Februar 2024 mit Beschluss vom 19. Februar 2024 ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter entscheiden durfte und damit das Gebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) grundlegend verkannt hat (vgl. auch BVerfGE 48, 246 263>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 20. April 2023 - 2 BvR 1605/21 -, Rn. 52). Denn nach § 49 Abs. 1 ArbGG entscheidet über die Ablehnung von Gerichtspersonen die Kammer des Arbeitsgerichts. § 49 Abs. 1 ArbGG gilt über § 64 Abs. 6, 7 ArbGG auch für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten. Die bei den Landesarbeitsgerichten gebildeten Kammern sind mit einem Vorsitzenden und zwei ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern besetzt (§ 35 Abs. 2 ArbGG). Über Ablehnungsgesuche entscheidet auch dann die Kammer des Landesarbeitsgerichts, wenn diese (außerhalb der mündlichen Verhandlung) in einem Verfahren angebracht werden, das durch Entscheidung nur des Vorsitzenden beendet wird (zum Beispiel Bewilligung von PKH, Anhörungsrüge) (vgl. Hamacher, in: Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, BeckOK Arbeitsrecht, § 49 ArbGG Rn. 46 (Sep. 2024); Koch, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 24. Aufl. 2024, § 49 ArbGG Rn. 7; Künzl, in: Germelmann/Matthes/Prütting, Arbeitsgerichtsgesetz, 10. Aufl. 2022, § 49 Rn. 44). Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass das Landesarbeitsgericht in seinem Beschluss vom 19. Februar 2024 von einem offensichtlich unzulässigen Ablehnungsgesuch ausgegangen ist. Ein offensichtlich unzulässiges und rechtsmissbräuchliches Ablehnungsgesuch gestattet lediglich, dass darüber unter Beteiligung der abgelehnten Richterin beziehungsweise des abgelehnten Richters entschieden werden darf (vgl. BVerfGE 131, 239 252 f.>; 133, 377 405 Rn. 69>). Aus der offensichtlichen Unzulässigkeit eines Ablehnungsgesuchs folgt hingegen nicht, dass eine diesbezügliche Entscheidung nur von den berufsrichterlichen Mitgliedern des Spruchkörpers ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter getroffen werden kann. § 49 Abs. 1 ArbGG sieht insofern nach seinem eindeutigen Wortlaut keine Ausnahmen vor. Die Vorschrift ist lex specialis zu § 53 Abs. 1 ArbGG (vgl. Koch, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 24. Aufl. 2024, § 49 ArbGG Rn. 7).
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b) Ein solcher Verstoß wäre allerdings nicht derart offensichtlich, dass im vorliegenden Fall ausnahmsweise auf die aus § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG folgenden Anforderungen an die Begründung einer Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) verzichtet werden könnte. Denn er liegt jedenfalls nicht aufgrund der Auseinandersetzung des Beschwerdeführers mit der angegriffenen Entscheidung und deren Begründung auf der Hand (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 1. August 2017 - 2 BvR 3068/14 -, Rn. 45; offen gelassen von BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 19. September 2023 - 1 BvR 1555/23 -, Rn. 6). Ausweislich seiner Beschwerdebegründung sieht der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG deshalb gegeben, weil der abgelehnte Richter selbst über das Befangenheitsgesuch entschieden habe. Nach seinem Vorbringen ist die Verfassungswidrigkeit des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts vom 19. Februar 2024 mithin in der Anwendung der Verfahrensvorschriften im konkreten Einzelfall begründet. Eine etwaige verfassungsrechtliche Problematik wegen der Verwerfung seines Ablehnungsgesuchs nur durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht erkennt der Beschwerdeführer nicht und geht dementsprechend darauf in seiner Beschwerdebegründung weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht ein.
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3. Der Antrag auf Erstattung der notwendigen Auslagen hat keinen Erfolg, weil die Voraussetzungen nach § 34a Abs. 3 BVerfGG nicht vorliegen. Eine Erstattung entspricht hier nicht der Billigkeit, weil die Verfassungsbeschwerde vom Zeitpunkt ihrer Einlegung an unzulässig war (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 11. Mai 2022 - 1 BvR 828/21 -, Rn. 3).
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4. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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