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BVerfG 10.04.2024 - 1 BvR 2279/23
BVerfG 10.04.2024 - 1 BvR 2279/23 - Nichtannahmebeschluss: Erfolglose Verfassungsbeschwerde bzgl der wörtlichen Wiedergabe von Auszügen aus Tagebüchern des Beschwerdeführers, die im Rahmen eines Strafverfahrens beschlagnahmt worden waren - Überschreitung der Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung nicht hinreichend dargelegt
Normen
Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, § 823 Abs 2 BGB, § 1004 Abs 1 S 2 BGB, Art 6 Abs 2 MRK, § 353d Nr 3 StGB
Vorinstanz
vorgehend BGH, 16. Mai 2023, Az: VI ZR 116/22, Urteil
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
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I.
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Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Abweisung seiner Klage auf Unterlassung der wörtlichen Wiedergabe von Auszügen aus seinen beschlagnahmten Tagebüchern.
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Der Beschwerdeführer rügt insoweit unter anderem eine Verkürzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG sowie der zu seinen Gunsten bestehenden Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK durch den Bundesgerichtshof. Dieser habe es in verfassungsrechtlich nicht tragfähiger Weise abgelehnt, als Schutzgesetz im Sinne von § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, § 823 Abs. 2 BGB die Vorschrift des § 353d Nr. 3 StGB anzuerkennen, wonach sich strafbar macht, wer die Anklageschrift oder andere amtliche Dokumente eines Strafverfahrens, eines Bußgeldverfahrens oder eines Disziplinarverfahrens, ganz oder in wesentlichen Teilen, im Wortlaut öffentlich mitteilt, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist.
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II.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil sie unzulässig ist. Sie genügt offensichtlich nicht den Anforderungen von § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG, da ihre Begründung eine Verletzung von Rechten im Sinne des § 90 Abs. 1 BVerfGG inhaltlich nachvollziehbar nicht erkennen lässt.
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1. Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts, zu dem auch die im Streitfall herangezogenen Vorschriften von § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 353d Nr. 3 StGB beziehungsweise von § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB zählen, sind Aufgabe der Fachgerichte und können vom Bundesverfassungsgericht - abgesehen von Verstößen gegen das Willkürverbot - nur darauf überprüft werden, ob sie Auslegungsfehler enthalten, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des betroffenen Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen. Das ist der Fall, wenn die von den Fachgerichten vorgenommene Auslegung der Norm die Tragweite des Grundrechts nicht hinreichend berücksichtigt oder im Ergebnis zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der grundrechtlichen Freiheit führt (vgl. BVerfGE 18, 85 92 f., 96>; 33, 125 168>; 85, 1 13>; 85, 248 257 f.>; 86, 122 129>; 102, 347 362>; 107, 275 280 f.>; 119, 1 22>; 148, 267 281>; stRspr).
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2. Wird eine zivilgerichtliche Entscheidung nicht nur in ihrem Ergebnis beanstandet, sondern auch hinsichtlich des Weges, auf dem die Gerichte zu diesem Ergebnis gelangt sind, gilt, dass die Richterinnen und Richter die Wertvorstellungen des Grundgesetzes nicht in beliebiger Weise in ihren Entscheidungen zur Geltung bringen können. Es würde die Verfassung auch verletzen, wenn sie zu einem Ergebnis, das den Wertvorstellungen der Verfassung entspräche, auf einem methodischen Wege gelangten, der die ihnen bei der Rechtsfindung gezogenen verfassungsrechtlichen Grenzen missachtete (vgl. BVerfGE 34, 269 280>). Allerdings ist es nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, die "Richtigkeit" der zivilgerichtlichen Rechtsprechung zu beurteilen, soweit ihre Begründung und Weiterentwicklung im Bereich der zivilrechtlichen Dogmatik verbleibt (vgl. BVerfGE 34, 269 281>). Speziell für die Auslegung von Rechtsnormen als Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, dass Prüfungsmaßstab insoweit das aus dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG ableitbare Willkürverbot ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 24. September 2002 - 2 BvR 742/02 -, Rn. 27).
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3. Dies zugrunde gelegt, ist eine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG ebenso wie eine Verletzung der zu seinen Gunsten bestehenden Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK nicht hinreichend dargetan.
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a) Soweit der Beschwerdeführer beanstandet, dass der Bundesgerichtshof es im Lichte des haftungsrechtlichen Gesamtsystems für nicht tragbar erachtet, die Strafvorschrift des § 353d Nr. 3 StGB als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB anzuerkennen, beziehungsweise meint, eine etwaige Anwendung von § 353d Nr. 3 StGB als Schutzgesetz setzte für die Zuerkennung zivilrechtlicher Abwehransprüche aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, § 823 Abs. 2 BGB jedenfalls eine Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen voraus, ist eine nach den vorgenannten Maßstäben maßgebliche Missachtung der verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfindung durch den Bundesgerichtshof, die dem Willkürverbot zuwiderliefe, nicht substantiiert vorgebracht. Sie ist auch nicht ersichtlich.
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b) Weshalb die unterbliebene Anerkennung von § 353d Nr. 3 StGB als ohne weitere Abwägung anzuwendendes Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB auch nur in ihrem Ergebnis das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG beziehungsweise die zu seinen Gunsten bestehende Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK verletze (§ 90 Abs. 1 BVerfGG), legt der Beschwerdeführer ebenfalls nicht nachvollziehbar dar.
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aa) Der von ihm herangezogenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 353d Nr. 3 StGB (vgl. BVerfGE 71, 206 219 ff.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juni 2014 - 2 BvR 429/12 -, Rn. 23 ff.) entnimmt der Beschwerdeführer, dass für die Strafbarkeit nach dieser Norm in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise eine abstrakte Gefährdung der durch § 353d Nr. 3 StGB geschützten Rechtsgüter genüge, und dass angesichts dieser bereits auf der Ebene des Gesetzes vollzogenen Abwägung der konfligierenden Grundrechte und Menschenrechte bei der Anwendung des Gesetzes auf den Einzelfall "die Rechtsgüterabwägung nicht erneut aktiviert werden" könne. Weshalb die hiermit geforderte Gleichsetzung einer abstrakten - strafrechtlich überdies in erster Linie zum Schutz der Unbefangenheit der Verfahrensbeteiligten sanktionierten (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juni 2014 - 2 BvR 429/12 -, Rn. 26) - Gefährdungslage mit einer zivilrechtlich konkret abzuwehrenden Rechtsverletzung verfassungs- oder konventionsrechtlich geboten wäre und ebenso ein hieraus abgeleitetes Unterbleiben einer Abwägung bei der Zuerkennung auf § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, § 823 Abs. 2 BGB, § 353d Nr. 3 StGB gestützter Abwehransprüche, legt die Verfassungsbeschwerde nicht nachvollziehbar dar.
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bb) Zudem lässt die Verfassungsbeschwerde eine substantiierte Auseinandersetzung mit der seitens des Bundesgerichtshofs herangezogenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vermissen, der es für die Anwendung eines strafrechtlichen Veröffentlichungsverbots nach portugiesischem Recht - dessen Vergleichbarkeit mit § 353d Nr. 3 StGB der Beschwerdeführer dahingestellt lässt und damit für das vorliegende Verfahren hinnimmt - beanstandet hat, dass es in seiner allgemeinen und absoluten Fassung den Richter an einer Abwägung mit den durch Art. 10 EMRK geschützten Rechten hindere (vgl. EGMR, Pinto Coelho c. Portugal, Urteil vom 28. Juni 2011, Nr. 28439/08, § 40; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Juni 2015 - 2 BvR 433/15 -, Rn. 10).
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cc) Unbeschadet dessen ist die Verfassungsbeschwerde aber auch insoweit unzulässig, als sie die durch den Bundesgerichtshof für den etwaigen Fall einer Anerkennung von § 353d Nr. 3 StGB als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB selbständig tragend verneinte Einordnung in amtlicher Verwahrung befindlicher Dokumente privater Urheber als "amtliche Dokumente" im Sinne der Strafvorschrift lediglich einfachrechtlich angreift und sie daher auch in diesem Fall eine Rechtsverletzung des Beschwerdeführers im Sinne von § 90 Abs. 1 BVerfGG nachvollziehbar nicht erkennen ließe.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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