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BVerfG 18.11.2022 - 1 BvR 1951/21
BVerfG 18.11.2022 - 1 BvR 1951/21 - Nichtannahmebeschluss: Subsidiarität einer unmittelbar gegen § 9 Abs 1 S 1, S 2 Psychotherapeutengesetz (PsychThG; juris: PsychThG 2020) gerichteten Verfassungsbeschwerde einer privaten Hochschule - Inanspruchnahme fachgerichtlichen Rechtsschutzes geboten und zumutbar
Normen
Art 5 Abs 3 S 1 GG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 9 Abs 1 S 1 PsychThG 2020, § 9 Abs 1 S 2 PsychThG 2020, § 9 Abs 4 S 1 PsychThG 2020
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
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I.
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Die Beschwerdeführenden, eine staatlich anerkannte private Hochschule und ihre Trägergesellschaft, wenden sich gegen eine Neufassung des Psychotherapeutengesetz (PsychThG), wonach die Psychotherapeutenausbildung in Zukunft nur noch an Universitäten und ihnen gleichgestellten Hochschulen angeboten werden darf. Sie verstehen die gesetzliche Vorgabe so, dass eine entsprechende Umstellung des bisherigen Studiengangs nicht akkreditiert werden würde. Gegen die Neuregelung stehe ihnen kein Rechtsweg zur Verfügung und ihnen könne nicht abverlangt werden, zunächst Feststellungsklage vor den Fachgerichten zu erheben, weil dies keinen Erfolg haben könne. Es stellten sich hier nur verfassungsrechtliche Fragen. Die Verfassungsbeschwerde habe zudem allgemeine Bedeutung. Die Neuregelungen verletzten sie in ihrem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG.
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II.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Sie ist unzulässig, da sie den Subsidiaritätsanforderungen nach § 90 Abs. 2 BVerfGG nicht genügt. Danach sind die Beschwerdeführenden gehalten, zunächst Rechtsschutz vor den Fachgerichten zu suchen.
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1. Zwar steht unmittelbar gegen Parlamentsgesetze kein ordentlicher Rechtsweg im Sinne des § 90 Abs. 2 BVerfGG zur Verfügung, der vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde erschöpft werden müsste. Die Verfassungsbeschwerde muss aber den Anforderungen der Subsidiarität im weiteren Sinne genügen. Danach sind alle Mittel zu nutzen, die der geltend gemachten Grundrechtsverletzung abhelfen können. Damit soll erreicht werden, dass das Bundesverfassungsgericht nicht auf ungesicherter Tatsachen- und Rechtsgrundlage weitreichende Entscheidungen treffen muss, sondern zunächst die für die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts primär zuständigen Fachgerichte die Sach- und Rechtslage aufgearbeitet haben. Der Grundsatz der Subsidiarität erfordert deshalb grundsätzlich, vor Einlegung einer Verfassungsbeschwerde alle zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten zu ergreifen, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern. Das gilt auch, wenn zweifelhaft ist, ob ein entsprechender Rechtsbehelf statthaft ist und im konkreten Fall in zulässiger Weise eingelegt werden kann (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 100 m.w.N.).
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Wenn sich Beschwerdeführende unmittelbar gegen ein Gesetz wenden, kann daher auch die Erhebung einer Feststellungs- oder Unterlassungsklage zu den zuvor zu ergreifenden Rechtsbehelfen gehören. Das ist selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn die Vorschriften abschließend gefasst sind und die fachgerichtliche Prüfung günstigstenfalls dazu führen kann, dass das angegriffene Gesetz gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt wird. Ausschlaggebend ist auch dann, ob die fachgerichtliche Klärung erforderlich ist, um zu vermeiden, dass das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidungen auf ungesicherter Tatsachen- und Rechtsgrundlage trifft. Ein solcher Fall wird in der Regel gegeben sein, wenn die angegriffenen Vorschriften auslegungsbedürftige und - fähige Rechtsbegriffe enthalten, von deren Auslegung und Anwendung es maßgeblich abhängt, inwieweit Beschwerdeführende durch die angegriffenen Vorschriften tatsächlich und rechtlich beschwert sind (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 101 m.w.N.).
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Soweit die Beurteilung einer Norm allein spezifisch verfassungsrechtliche Fragen aufwirft, die das Bundesverfassungsgericht zu beantworten hat, ohne dass von einer vorausgegangenen fachgerichtlichen Prüfung verbesserte Entscheidungsgrundlagen zu erwarten wären, bedarf es einer vorangehenden fachgerichtlichen Entscheidung hingegen nicht. Außerdem ist es zur Wahrung des Grundsatzes der Subsidiarität nicht erforderlich, vor Erhebung einer Verfassungsbeschwerde gegen eine straf- oder bußgeldbewehrte Rechtsnorm zu verstoßen und sich dem Risiko einer entsprechenden Ahndung auszusetzen, um dann im Straf- oder Bußgeldverfahren die Verfassungswidrigkeit der Norm geltend machen zu können. Darüber hinaus gelten Ausnahmen von der Pflicht zur vorherigen Anrufung der Fachgerichte, wenn die angegriffene Regelung die Beschwerdeführenden zu gewichtigen Dispositionen zwingt, die später nicht mehr korrigiert werden können, wenn die Anrufung der Fachgerichte offensichtlich sinn- und aussichtslos wäre oder sie sonst nicht zumutbar ist. Dabei ist allerdings die Anrufung der Fachgerichte nicht schon dann als von vornherein aussichtslos anzusehen, wenn Rechtsprechung zugunsten der Zulässigkeit des Rechtsbehelfs für die gegebene Fallgestaltung noch nicht vorliegt (BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 102 m.w.N.).
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2. Danach ist die Verfassungsbeschwerde hier unzulässig, da der fachgerichtliche Rechtsweg nicht erschöpft ist. Die streitgegenständliche Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über den Beruf der Psychotherapeutin und des Psychotherapeuten (Psychotherapeutengesetz - PsychThG) vom 15. November 2019 (BGBl I S. 1604) besagt, dass Hochschulen im Sinne des Gesetzes Universitäten oder Hochschulen sind, die Universitäten gleichgestellt sind. Weder dem Gesetzestext noch den Materialien lässt sich entnehmen, wann dies der Fall ist. Der Gesetzgeber hat hier unter anderem auf die Möglichkeit der Promotion und postdoktorale Weiterqualifizierungsangebote verwiesen (vgl. BTDrucks 19/9770, S. 52). Fachgerichtlich zu klären ist aber, inwieweit dies eine zwingend notwendige Bedingung für die von den Beschwerdeführenden angestrebte Gleichstellung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 PsychThG und die damit verbundene Möglichkeit ist, ihre Ausbildungsgänge weiter anzubieten.
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Die Verfassungsbeschwerde ist auch nicht ausnahmsweise vor Inanspruchnahme fachgerichtlichen Rechtsschutzes zulässig. Sie wirft insbesondere nicht allein verfassungsrechtliche Fragen auf, die ohne die Aufbereitung der tatsächlichen und rechtlichen Entscheidungsgrundlagen zu beantworten wären. Dazu gehört auch die Frage, ob die beschwerdeführende Hochschule die Voraussetzungen für die Akkreditierung des Studiengangs nach § 9 Abs. 4 Satz 1 PsychThG in Verbindung mit den Vorgaben des baden-württembergischen Landesrechts erfüllen kann, die im Rahmen des gesetzlich vorgesehenen Akkreditierungsverfahrens und wiederum gegebenenfalls von den Fachgerichten zu überprüfen ist.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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