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BVerfG 11.12.2014 - 1 BvL 16/12
BVerfG 11.12.2014 - 1 BvL 16/12 - Unzulässige Richtervorlage zur Verfassungsmäßigkeit des Wegfalls des "Rentnerprivilegs" im Versorgungsausgleich (hier: § 101 Abs 3 SGB VI <juris: SGB 6>) - unzureichende Auseinandersetzung des Vorlagebeschlusses mit Literatur und Rspr der Fachgerichte sowie des BVerfG
Normen
Art 100 Abs 1 GG, § 80 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 101 Abs 3 SGB 6 vom 03.04.2009
Vorinstanz
vorgehend AG Daun, 22. Juni 2012, Az: 2a F 74/11, Vorlagebeschluss
Gründe
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A.
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Das Vorlageverfahren betrifft die Frage, ob die Abschaffung des sogenannten Rentnerprivilegs in § 101 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
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I.
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1. § 101 SGB VI in der Fassung vom 20. April 2007 (BGBl 1989 I S. 2261, BGBl 1990 I S. 1337, BGBl 2007 I S. 554) hatte bis zum 30. August 2009 in Absatz 3 folgenden Wortlaut:
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"(3)Wird nach Beginn der Rente eine Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich zu Lasten des Versicherten wirksam, wird die Rente oder eine unmittelbar anschließende gleich hohe oder niedrigere Rente erst zu dem Zeitpunkt um einen Abschlag verändert, zu dem bei einer Rente aus der Versicherung des Ausgleichsberechtigten ein Zuschlag berücksichtigt wird. Bei einer unmittelbar anschließenden höheren Rente wird der Abschlag schon vor diesem Zeitpunkt vorgenommen, soweit dies nicht zu einer Unterschreitung der vorangegangenen Rente führt. Entsprechendes gilt, wenn sich aufgrund einer Abänderung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich der Zuschlag des Ausgleichsberechtigten mindert. In den Fällen der Sätze 1 bis 3 und des § 5 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich vom 21. Februar 1983 (BGBl. I S. 105) in der jeweils geltenden Fassung ist der Rentenbescheid des Leistungsberechtigten bei rückwirkender oder erst nachträglich bekannt werdender Rentenleistung aus der Versicherung des anderen Ehegatten oder Lebenspartners mit Wirkung vom Zeitpunkt des Beginns dieser Rente aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden."
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2. Durch das Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VAStrRefG) vom 3. April 2009 (BGBl I S. 700) hat § 101 Abs. 3 SGB VI seit dem 1. September 2009 folgenden Wortlaut erhalten:
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"(3) Ist nach Beginn der Rente ein Versorgungsausgleich durchgeführt, wird die Rente der leistungsberechtigten Person von dem Kalendermonat an um Zuschläge oder Abschläge an Entgeltpunkten verändert, zu dessen Beginn der Versorgungsausgleich durchgeführt ist. Der Rentenbescheid ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden. Bei einer rechtskräftigen Abänderung des Versorgungsausgleichs gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe, dass auf den Zeitpunkt nach § 226 Abs. 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit abzustellen ist. § 30 des Versorgungsausgleichsgesetzes bleibt unberührt."
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II.
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Nach der bis zum 31. August 2009 geltenden Rechtslage wurden, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte zum Zeitpunkt des Versorgungsausgleichs bereits Rente bezog, Rentenkürzungen aufgrund des Versorgungsausgleichs gemäß § 101 Abs. 3 SGB VI erst zu dem Zeitpunkt vollzogen, in dem der durch den Versorgungsausgleich berechtigte Ehegatte seinerseits Rente bezog und dadurch von dem Versorgungsausgleich real profitierte. In der Zwischenzeit erhielt der ausgleichspflichtige Ehegatte weiterhin seine ungekürzte Rente.
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Dieses sogenannte Rentnerprivileg ist seit dem 1. September 2009 ersatzlos entfallen. Seither wird die Rente des ausgleichspflichtigen Ehegatten von dem Kalendermonat an gekürzt, zu dessen Beginn der Versorgungsausgleich durchgeführt worden ist, auch wenn der ausgleichsberechtige Ehegatte seinerseits noch keine Rente erzielt.
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III.
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Dem Vorlageverfahren liegt ein Versorgungsausgleichsverfahren zugrunde, bei dem der ausgleichspflichtige Ehemann bereits Rente bezieht, die ausgleichsberechtigte Ehefrau hingegen noch nicht. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs nach den gesetzlichen Vorschriften würde daher zu einer sofortigen Kürzung der Rente des Ehemannes führen, während die Ehefrau erst später - mit Beginn ihres eigenen Rentenbezugs - von der Durchführung des Versorgungsausgleichs real profitieren würde. Dadurch würde die monatliche Rente des Ehemannes von etwa 680 € auf etwa 530 € sinken.
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IV.
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Mit Beschluss vom 22. Juni 2012 hat das Amtsgericht Daun das Verfahren gemäß § 80 Abs. 1 BVerfGG ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar sei, dass nach der Neuregelung des Versorgungsausgleichs durch das Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs vom 3. April 2009 (BGBl I S. 700) es nicht möglich ist, (vorübergehend) von der Rentenkürzung abzusehen, auch wenn dies die Unterhaltsbedürftigkeit des Ausgleichspflichtigen zur Folge hätte und ob es mit dem Grundgesetz vereinbar sei, dass nach der Neuregelung des Versorgungsausgleichs durch das Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs vom 3. April 2009 (BGBl I S. 700) es nicht möglich ist, (vorübergehend) von der Rentenkürzung abzusehen, wenn das Einkommen des Ausgleichspflichtigen hierdurch unter das Existenzminimum fiele und der Ausgleichsberechtigte noch keine Rente bezieht.
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Die ersatzlose Streichung des sogenannten Rentnerprivilegs führe zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung ausgleichspflichtiger Rentenempfänger und damit zu einem Verstoß gegen Art. 3 GG. Während es nach den §§ 32 ff. des Gesetzes über den Versorgungsausgleich (VersAusglG) - insbesondere in den Fällen des § 33 VersAusglG sowie § 35 VersAusglG - möglich sei, die mit der Durchführung des Versorgungsausgleichs verbundene Rentenkürzung zeitlich begrenzt auszusetzen, sei dies im Ausgangsfall trotz vergleichbarer Interessenlage nicht möglich. Jedenfalls in Fällen, in denen die Durchführung des Versorgungsausgleichs zur Unterhaltsbedürftigkeit des ausgleichspflichtigen Ehegatten führen oder dessen Rente unter das Existenzminimum fallen würde, liege eine planwidrige Regelungslücke vor, die zu verfassungswidrigen Ergebnissen führe.
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B.
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Die Vorlage ist unzulässig. Sie entspricht nicht den Anforderungen an die Begründung einer Vorlage nach § 80 Abs. 2 BVerfGG.
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I.
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Dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG genügt ein Vorlagebeschluss nur, wenn die Ausführungen des Gerichts erkennen lassen, dass es sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift als auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat (vgl. BVerfGE 127, 335 355 f.>; stRspr). Hierfür muss das vorlegende Gericht in nachvollziehbarer und für das Bundesverfassungsgericht nachprüfbarer Weise darlegen, dass es bei seiner anstehenden Entscheidung auf die Gültigkeit der Norm ankommt und aus welchen Gründen das vorlegende Gericht von der Unvereinbarkeit der Norm mit der Verfassung überzeugt ist (vgl. BVerfGE 105, 61 67>; stRspr).
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Die Darlegungen zur Verfassungswidrigkeit der Norm müssen den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab nennen und die für die Überzeugung des Gerichts maßgebenden Erwägungen nachvollziehbar darstellen. Dabei muss das Gericht jedenfalls auf naheliegende tatsächliche und rechtliche Gesichtspunkte eingehen (vgl. BVerfGE 86, 52 57>) und die in Literatur und Rechtsprechung entwickelten Rechtsauffassungen berücksichtigen (vgl. BVerfGE 76, 100 104>; 79, 240 243 f.>; 86, 71 77>). Insbesondere muss der Vorlagebeschluss auf die maßgebliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eingehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 18. August 2011 - 1 BvL 10/11 -, juris, Rn. 13; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. August 2011 - 1 BvL 15/11 -, juris, Rn. 13; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 23. Januar 2014 - 1 BvL 2/13 und 1 BvL 3/13 -, juris, Rn. 22).
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II.
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Diesen Anforderungen genügt die zur Entscheidung stehende Vorlage nicht. Das vorlegende Gericht hat in seinen Darlegungen zur Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Rechtslage einschlägige Fachliteratur, fachgerichtliche Rechtsprechung sowie die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht berücksichtigt.
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1. An einer Auseinandersetzung mit der in Literatur und fachgerichtlicher Rechtsprechung - auch zum Zeitpunkt des Vorlagebeschlusses - vorherrschenden Rechtsansicht, die die Abschaffung des sogenannten Rentnerprivilegs als mit der Verfassung vereinbar ansieht, fehlt es vollständig (vgl. hierzu insbesondere Göhde, FamFR 2010, S. 555 556>; Götsche, in: Götsche/Rehbein/Breuers, Versorgungsausgleichsrecht, 1. Aufl. 2012, Einleitung Rn. 30; Ruland, NZS 2008, S. 225 237>; ders., Versorgungsausgleich, 3. Aufl. 2011, Rn. 550; OLG Celle, Beschluss vom 29. Mai 2012 - 10 UF 279/11 -, juris, Rn. 12 ff.).
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2. Auch mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts setzt sich die Vorlage nicht auseinander.
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a) Dabei fehlt es zum einen an der Befassung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 3 Abs. 1 GG, soweit der Vorlagebeschluss rügt, dass insbesondere § 33 Abs. 1 VersAusglG sowie § 35 Abs. 1 VersAusglG die Aussetzung der Kürzung einer laufenden Versorgung ermöglichten, dies aber in Fällen, in denen - wie vorliegend - die Kürzung der Rente durch den Versorgungsausgleich zu einem Einkommen unterhalb des Existenzminimums führt, nicht vorgesehen sei.
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Das Bundesverfassungsgericht hat zwar festgestellt, dass der allgemeine Gleichheitssatz dem Gesetzgeber gebiete, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 116, 164 180>; stRspr). Es geht aber darüber hinaus auch davon aus, dass die Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG stets auf einem Vergleich von Lebensverhältnissen beruhe, die nie in allen, sondern nur in einzelnen Elementen übereinstimmen. Es sei dabei Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche Elemente der zu ordnenden Lebensverhältnisse er dafür als maßgebend ansehe, sie im Recht gleich oder verschieden zu behandeln (BVerfGE 50, 57 77>; stRspr). Der Gleichheitssatz sei nur verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache sich ergebender oder sonst wie einleuchtender Grund für die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung nicht finden lasse (vgl. BVerfGE 55, 114 128>; stRspr). Diese Rechtsprechung findet im Vorlagebeschluss keine Erwähnung.
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b) Darüber hinaus fehlt es an einer Auseinandersetzung mit den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gestaltung des Versorgungsausgleichs. Mit Urteil vom 28. Februar 1980 (BVerfGE 53, 257) hat das Bundesverfassungsgericht den Versorgungsausgleich für grundsätzlich verfassungsgemäß erklärt, insbesondere dessen Grundsatz des sofortigen und endgültigen Vollzugs (BVerfGE 53, 257 301 f.>). Zwar forderte das Bundesverfassungsgericht wegen der durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtspositionen des Ausgleichsverpflichteten die Schaffung von Härteregelungen, um Fällen begegnen zu können, in denen die ausgleichsverpflichtete Person durch den Versorgungsausgleich eine spürbare Kürzung ihrer Anrechte hinnehmen musste, ohne dass sich dies in angemessener Weise zugunsten der ausgleichsberechtigten Person auswirke. Hierzu gehörte die Schaffung beziehungsweise Beibehaltung eines "Rentnerprivilegs" aber nicht. Zudem hat das Bundesverfassungsgericht - für Versorgungsbezüge nach dem Gesetz über die Versorgung der Beamten und Richter des Bundes (Beamtenversorgungsgesetz - BeamtVG) - bereits entschieden, dass der Versorgungskürzung des ausgleichspflichtigen Ehegatten der Erwerb einer selbständigen Rentenanwartschaft des ausgleichsberechtigten Ehegatten gegenüberstehe, so dass die Kürzung der Versorgungsbezüge des Ausgleichspflichtigen auch dann verfassungsrechtlich zulässig sei, wenn der Ausgleichsberechtigte seinerseits noch keine Rente beziehe (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. November 1995 - 2 BvR 1762/92 -, juris, Rn. 20-23). Auch diese Rechtsprechung berücksichtigt der Vorlagebeschluss nicht.
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Im Übrigen wird zu der vom Amtsgericht aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Frage auf die zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 6. Mai 2014 - 1 BvL 9/12 und 1 BvR 1145/13 -, juris, Rn. 59; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 11. Dezember 2014 - 1 BvR 1485/12 -) hingewiesen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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