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BVerfG 18.10.2012 - 1 BvR 2366/11
BVerfG 18.10.2012 - 1 BvR 2366/11 - Nichtannahmebeschluss: Haftung von BGB-Gesellschaftern für Altverbindlichkeiten der GbR - kein Vertrauensschutz bei Erkennbarkeit der Altverbindlichkeiten und Haftungsübernahme
Normen
Art 2 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 705 BGB, § 128 HGB, § 130 HGB
Vorinstanz
vorgehend BGH, 19. Juli 2011, Az: II ZR 300/08, Urteil
vorgehend KG Berlin, 11. November 2008, Az: 4 U 12/07, Urteil
vorgehend LG Berlin, 7. Dezember 2006, Az: 37 O 227/06, Urteil
Gründe
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft fachgerichtliche Entscheidungen zur Haftung von Gesellschaftern eines Immobilienfonds in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts für vor ihrem Beitritt aufgenommene Gesellschaftsdarlehen.
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I.
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Die Beschwerdeführer sind Gesellschafter eines geschlossenen Immobilienfonds, der 1991 in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet wurde. Zweck der Gesellschaft war die Neubebauung eines fondseigenen Grundstücks mit vier Mehrfamilienhäusern, Instandsetzung und Modernisierung der vorhandenen Bebauung und gemeinschaftliche Nutzung und Bewirtschaftung der Gebäude. Zur Finanzierung der Baumaßnahmen schlossen die beiden Gründungsgesellschafter für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit einer Bank, der Rechtsvorgängerin der Beklagten und Widerklägerin des Ausgangsverfahrens im Dezember 1991 einen ersten und in der Folge im August 1992 drei weitere Darlehensverträge über insgesamt mehr als 23 Mio. DM. Die Gründungsgesellschafter bestellten der Bank zudem eine Grundschuld an dem Fondsgrundstück.
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Im Dezember 1992 wurde ein Geschäftsbesorgungsvertrag mit einer I. GmbH geschlossen. In den Jahren 1992 und 1993, damit nach Abschluss der Darlehensverträge, gaben die Beschwerdeführer jeweils ihre Beitrittserklärungen zu der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ab. Treuhand- und Gesellschaftsvertrag verpflichteten sie, persönliche Schuldverpflichtungen zu übernehmen und deswegen persönliche Schuldanerkenntnisse abzugeben. In diesem Zusammenhang bevollmächtigten die Beschwerdeführer die geschäftsführenden Gesellschafter sowie die Geschäftsbesorgerin I. GmbH mit gesonderter Urkunde, Darlehensverträge zur Finanzierung des Gesamtaufwandes der Fondsgesellschaft abzuschließen, die persönliche Haftung jedes Gesellschafters wegen der Gesellschaftsverbindlichkeiten, die im Rahmen des Gesellschaftszwecks eingegangen würden, zu übernehmen und die einzelnen Gesellschafter persönlich und dinglich der sofortigen Zwangsvollstreckung aus notariellen Urkunden auch in ihr persönliches Vermögen zu unterwerfen.
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1996 schloss die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, vertreten durch die Geschäftsbesorgerin, mit der Bank sogenannte "Ergänzungen des Darlehensvertrages". Die vier Darlehensverträge sollten zwischen Bank und der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bestehend aus den in einer Anlage aufgeführten Gesellschaftern, darunter die Beschwerdeführer, fortgesetzt werden. Außerdem vereinbarten die Parteien, dass die Gesellschafter gesamtschuldnerisch - begrenzt auf einen für jeden jeweils aufgeführten Bruchteil der Darlehenssumme, der prozentual ihrem Anteil am Gesellschaftsvermögen entsprach nebst Zinsen und Nebenleistungen - hafteten. Entsprechend der ihr bei dem Beitritt zur Fondsgesellschaft gesondert erteilten Vollmacht unterwarf die Geschäftsbesorgerin ausdrücklich die in einer Anlage zum Vertrag aufgeführten Gesellschafter - wiederum einschließlich der Beschwerdeführer - hinsichtlich des Grundschuldbetrages in Höhe der ebenfalls aus der Urkunde ersichtlichen Teilbeträge der persönlichen Haftung und sofortigen Zwangsvollstreckung. 10 Jahre später kündigte die Beklagte nach Zahlungsrückständen die Darlehen mit einem Saldo von über 12 Mio. €.
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Das Landgericht wies die Klage der Beschwerdeführer auf Rückabwicklung der Fondsbeteiligung gegen die Rechtsnachfolgerin der fondsfinanzierenden Bank ab. Auf die Widerklage der Bank verurteilte das Landgericht die Beschwerdeführer zur Haftung für die Darlehen, begrenzt auf den Betrag, der prozentual dem Anteil des einzelnen Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen entsprach. Das Kammergericht bestätigte die Klageabweisung und ermäßigte die Verurteilung auf die Widerklage nur geringfügig, indem es den Gesellschaftern die im Wege der Zwangsverwaltung des Grundstücks erzielten Einnahmen anteilig auf die persönliche Haftung gutschrieb. Die Beschwerdeführer brachten dagegen vor, dass die Darlehensverträge bereits vor ihrem Beitritt zur Fondsgesellschaft abgeschlossen worden seien. Nach der Theorie der Doppelverpflichtung, die die fachgerichtliche Rechtsprechung bei ihrem Beitritt zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts für die Haftung noch zugrunde gelegt habe, hätten sie für solche Altverbindlichkeiten nicht gehaftet. Die rückwirkende Anwendung der späteren, ab dem Jahr 2003 erfolgten Rechtsprechungsänderung (Hinweis auf BGHZ 154, 370 und BGH, Urteil vom 12. Dezember 2005 - II ZR 283/03 -, WM 2006, S. 187 ff.), wonach die Gesellschafter auch für Altverbindlichkeiten aus der Zeit vor ihrem Beitritt hafteten, sei verfassungswidrig.
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Der Bundesgerichtshof stellte das landgerichtliche Urteil im Wesentlichen wieder her. Die Beschwerdeführer hafteten gemäß §§ 128, 130 HGB analog für die streitgegenständlichen Darlehen. Auf Vertrauensschutz könnten sich die Beschwerdeführer trotz ihres Beitritts vor Bekanntwerden der Entscheidung BGHZ 154, 370 nicht berufen. Die Verbindlichkeiten aus den Darlehensverträgen seien für die Beschwerdeführer im Zeitpunkt ihres Beitritts erkennbar gewesen. Die Aufnahme von Fremdmitteln sei konzeptioneller Bestandteil des von den Beschwerdeführern gewählten Kapitalanlagemodells gewesen. Aus dem Prospekt ergebe sich, dass erhebliche Kredite benötigt würden. Dass für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft der Höhe nach unbegrenzt mit dem Privatvermögen habe gehaftet werden sollen, ergebe sich explizit aus § 8 des Gesellschaftsvertrages, der Bestandteil des Fondsprospekts sei. Die Beschwerdeführer hätten im Rahmen der Beitrittserklärung eine Vollmacht erteilt, die die Geschäftsbesorgerin des Fonds ausdrücklich dazu berechtigt habe, die Gesellschafter bei dem Abschluss von Darlehensverträgen, die zur Finanzierung des Bauvorhabens erforderlich seien, zu vertreten und sie entsprechend der übernommenen Quote gegenüber den Darlehensgebern persönlich zu verpflichten und der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr privates Vermögen zu unterwerfen. Tatsächlich hätten die Gesellschafter, vertreten durch die Geschäftsbesorgerin, 1996 in den Ergänzungsvereinbarungen mit der beklagten Bank die persönliche Haftung für die Darlehen übernommen. Ob die von den Beschwerdeführern erklärten persönlichen Haftungsübernahmen wirksam seien, sei für die hier zu beurteilende Frage, ob die Beschwerdeführer darauf hätten vertrauen können, nicht persönlich für die Schulden der Gesellschaft haften zu müssen, nicht von Bedeutung.
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II.
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Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die Urteile des Landgerichts, des Kammergerichts sowie des Bundesgerichthofs. Sie sehen sich in ihren Grundrechten auf Gleichbehandlung und Willkürfreiheit (Art. 3 Abs. 1 GG), auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren unter den Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes und des Rückwirkungsverbotes (Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) sowie in ihrer Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 GG) verletzt und machen geltend:
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Die Fachgerichte diskriminierten sie im Verhältnis zu allen Gesellschaftern einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, auf die sie vor und nach der Rechtsprechungsänderung des Bundesgerichtshofs die alten Haftungsgrundsätze angewandt hätten. Die für viele der Beschwerdeführer existenzvernichtende Haftung könne nicht über eine rückwirkende analoge Anwendung von § 130 HGB begründet werden. Für den Vertrauensschutz komme es nicht darauf an, ob der Gesellschafter die Altverbindlichkeiten habe erkennen können, sondern darauf, ob er mit seiner Haftung dafür habe rechnen müssen. Für die Beschwerdeführer sei beim Fondsbeitritt schlechterdings nicht absehbar gewesen, dass der Bundesgerichtshof erstmals im Jahr 2005 die Vorschrift des § 130 HGB auf Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts anwenden würde (Hinweis auf BGH, Urteil vom 12. Dezember 2005 - II ZR 283/03 -, WM 2006, S. 187 ff.). Die Entscheidung sei daher willkürlich.
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Damit sei auch das Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG unter den Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes, des Rückwirkungsverbots und des fairen Verfahrens verletzt. Der Bundesgerichtshof berufe sich zu Unrecht auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Dezember 1981 - 1 BvR 898/79 u.a. - (BVerfGE 59, 128 165>). Es liege schon keine unechte Rückwirkung vor. Selbst bei einer nur unechten Rückwirkung sei der Vertrauensschutz zu beachten. Die Gerichte dürften den rechtsuchenden Bürger nicht mit einer unvorhersehbaren Entwicklung der Rechtslage konfrontieren (unter Hinweis auf BVerfGE 74, 129 158 f.>).
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Schließlich sei Art. 2 Abs. 1 GG verletzt, weil die Fachgerichte das Problem der durch das strukturelle Ungleichgewicht zwischen Bank und Beschwerdeführern gestörten Vertragsparität nicht hätten sehen wollen (unter Hinweis auf BVerfGE 89, 214 234>).
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III.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Ihr kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne des § 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG zu, noch ist sie zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte der Beschwerdeführer angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG; vgl. BVerfGE 90, 22 25>).
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1. Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG unter dem Gesichtspunkt eines strukturellen Ungleichgewichts rügen, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig. Ihre Begründung genügt offensichtlich nicht den Anforderungen von § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG. Die Rüge, die sich in der Behauptung einer Grundrechtsverletzung erschöpft, lässt eine Verletzung von Rechten im Sinne des § 90 Abs. 1 BVerfGG inhaltlich nachvollziehbar nicht erkennen.
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2. Im Übrigen hat die Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg.
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a) Die angegriffenen Entscheidungen wahren den aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Grundsatz des Vertrauensschutzes (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG).
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Die Grundsätze zur Anwendung einer mit Rückwirkung verbundenen Rechtsprechungsänderung sind in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung geklärt. Die Änderung einer ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ist auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes grundsätzlich dann unbedenklich, wenn sie hinreichend begründet ist und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hält. Soweit durch gefestigte Rechtsprechung ein Vertrauenstatbestand begründet wurde, kann diesem erforderlichenfalls durch Bestimmungen zur zeitlichen Anwendbarkeit oder Billigkeitserwägungen im Einzelfall Rechnung getragen werden (BVerfGE 122, 248 277 f.>; vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Februar 2012 - 1 BvR 2378/10 -, juris, Rn. 49 f.).
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Die Fachgerichte haben diese Grundsätze beachtet. Wie die Beschwerdeführer selbst einräumen, scheidet Vertrauensschutz aus, wenn die Beschwerdeführer die Altverbindlichkeiten nicht nur erkennen konnten, sondern auch mit ihrer Haftung dafür rechnen mussten. Dies war der Fall. Bereits zum Zeitpunkt des Beitritts hatten sie die Geschäftsbesorgerin der Fondsgesellschaft bevollmächtigt, die Gesellschafter bei dem Abschluss von Darlehensverträgen, die zur Finanzierung des Bauvorhabens erforderlich seien, zu vertreten und sie entsprechend der übernommenen Quote gegenüber den Darlehensgebern persönlich zu verpflichten und der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr privates Vermögen zu unterwerfen. Tatsächlich haben die Beschwerdeführer, vertreten durch die Geschäftsbesorgerin des Fonds, in den 1996 geschlossenen Ergänzungen der Darlehensverträge die persönliche Haftung für im einzelnen ausgewiesene Teilbeträge der Darlehensverbindlichkeiten gegenüber der beklagten Bank übernommen. Dass es für die Frage des Vertrauensschutzes nicht darauf ankommt, ob die Haftungsübernahme wirksam war, führt der Bundesgerichtshof zutreffend aus. Die Beschwerdeführer mussten spätestens ab diesem Zeitpunkt damit rechnen, dass sie für die Darlehensverbindlichkeiten der Gesellschaft persönlich in Anspruch genommen werden konnten. Die Verfassungsbeschwerde setzt sich mit dieser Begründung nicht auseinander.
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b) Eine mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbare Ungleichbehandlung der Beschwerdeführer ohne sachlichen Grund im Verhältnis zu Gesellschaftern einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, auf die aus Gründen des Vertrauensschutzes die alten Haftungsgrundsätze angewandt werden, liegt nicht vor. Die Beschwerdeführer durften aus den genannten Gründen nicht darauf vertrauen, mit ihrem persönlichen Vermögen nicht für die bereits bestehenden Gesellschaftsverbindlichkeiten haften zu müssen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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