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BVerfG 20.09.2010 - 1 BvQ 34/10
BVerfG 20.09.2010 - 1 BvQ 34/10 - Ablehnung des Erlasses einer eA: Kein schwerer Nachteil infolge vorzeitiger Besitzeinweisung zur Durchführung eines Straßenbauprojekts - geringes Ausmaß der betroffenen Fläche, Fehlen einer "baumgenauen" planerischen Darstellung der Enteignungsfläche, Verkürzung der Beschwerdebegründungsfrist des § 146 Abs 4 S 1 VwGO
Normen
Art 14 Abs 1 GG, § 32 Abs 1 BVerfGG, § 37 EEG NW, § 18f Abs 1 FStrG, § 18f Abs 3 FStrG, § 146 Abs 4 S 1 VwGO, § 80a Abs 3 VwGO, § 80 Abs 5 VwGO
Vorinstanz
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 16. September 2010, Az: 11 B 1179/10, Beschluss
Gründe
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Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
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1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.
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Für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer einstweiligen Anordnung nach § 32 BVerfGG ist ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfGE 93, 181 186>). Dies gilt nicht nur im Hinblick darauf, dass einstweilige Anordnungen des Bundesverfassungsgerichts weittragende Folgen haben können (vgl. BVerfGE 3, 41 44>; stRspr), sondern auch im Hinblick auf die besondere Funktion und Organisation des Bundesverfassungsgerichts. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 32 BVerfGG ist - anders als der von Art. 19 Abs. 4 GG geprägte vorläufige Rechtsschutz im fachgerichtlichen Verfahren - nicht darauf angelegt, möglichst lückenlosen vorläufigen Rechtsschutz zu bieten (vgl. BVerfGE 94, 166 216 f.>). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Bundesverfassungsgericht kommt danach nur unter wesentlich engeren Voraussetzungen in Betracht als die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch die Fachgerichte. Insbesondere sind, wenn eine einstweilige Anordnung zur Abwendung eines geltend gemachten schweren Nachteils erstrebt wird, erheblich strengere Anforderungen an die Schwere des Nachteils zu stellen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. August 2010 - 2 BvQ 56/10 -, www.bverfg.de, Rn. 2 und Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 6. September 2010 - 1 BvR 2297/10 -, juris Rn. 4).
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Bei der Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Verfahren der Verfassungsbeschwerde haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben. Etwas anderes gilt nur, wenn sich die Verfassungsbeschwerde von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet erweist. Bei offenem Ausgang des Verfassungsbeschwerdeverfahrens muss das Bundesverfassungsgericht hingegen die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 87, 334 338>; 89, 109 110 f.>; stRspr; jüngst BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 16. August 2010 - 2 BvR 1762/10 -, www.bverfg.de, Rn. 1 und Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 6. September 2010 - 1 BvR 2297/10 -, juris Rn. 3).
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2. Nach den vorstehenden Maßstäben ist vorliegend auf der Grundlage einer Folgenabwägung zu entscheiden. Diese führt zur Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Der Antragsteller hat nicht dargelegt, dass nach dem anzulegenden strengen Maßstab der Erlass einer einstweiligen Anordnung dringend geboten wäre. Seinem Vorbringen lässt sich bereits nicht entnehmen, dass ihm durch die sofortige Vollziehung der vorzeitigen Besitzeinweisung durch den Beschluss der Bezirksregierung Düsseldorf vom 26. August 2010 ein besonders schwerer Nachteil im oben dargelegten Sinne droht.
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Dass der Antragsteller gerade durch die sofortige Vollziehung der vorzeitigen Besitzeinweisung in existenzieller Weise betroffen sein könnte, trägt er nicht vor. Dafür ist auch nichts ersichtlich. Die betroffenen Flächen machen zusammen weniger als 0,6 ha aus. Ihr Anteil bezogen auf die Gesamtfläche seines Betriebs, die nach seinen Angaben im Ausgangsverfahren mehrere hundert Hektar beträgt, ist sehr gering. Selbst wenn man die vom Antragsteller dargelegte Beeinträchtigung der Nutzbarkeit angrenzender Flächen zur Aufzucht von Bäumen, insbesondere durch die nach seinem Vortrag betriebsbedingt notwendige Schaffung von (weiteren) Freiflächen, in die Betrachtung mit einbezieht, ändert sich daran nichts.
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Es erscheint bei einer Würdigung des Vorbringens des Antragstellers im Ausgangs- und im vorliegenden Verfahren auch verfehlt, für die Annahme eines besonders schweren Nachteils auf den Wert der (insgesamt) zu beseitigenden Bäume von nach seinen Angaben 1,5 Millionen Euro abzustellen. Der Antragsteller hat bereits im Ausgangsverfahren wie auch nunmehr im vorliegenden Verfahren keine grundsätzlichen Einwände gegen die vorzeitige Besitzeinweisung geäußert. Dass ein großer Teil der Bäume für das planfestgestellte Vorhaben beseitigt werden muss, beanstandet der Antragsteller, der bereits keine Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 28. Dezember 2007, mit dem dies vorgezeichnet war, erhoben hatte, auch mittlerweile nicht. Er bemängelt vielmehr lediglich das angeblich rechts- und auch verfassungswidrige Unterbleiben einer "baumgenauen" Abgrenzung; dies betrifft lediglich eine "Randfrage" im Unschärfebereich des Maßstabs 1:1000 der für die Besitzeinweisung maßgeblichen Pläne. Dass dieser Maßstab nicht "baumgenau" sein kann, liegt auf der Hand, erfasst aber nur einen minimalen Bereich der im Übrigen offenbar unstreitigen Besitzeinweisungsfläche.
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Aus den vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass (mittlerweile) Streit über die Höhe der zu leistenden (Gesamt-)Entschädigung besteht und er infolgedessen aus seiner Sicht notwendige Investitionen nur eingeschränkt tätigen kann. Dies ist ebenfalls nicht geeignet, die Annahme eines besonders schweren Nachteils zu begründen. Entschädigungsfragen sind nach der grundsätzlich maßgeblichen einfachrechtlichen Erkenntnis des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, die der Antragsteller (jedenfalls bislang) auch nicht in Zweifel gezogen hat, nicht Gegenstand einer Entscheidung über die vorzeitige Besitzeinweisung.
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Ein besonders schwerer Nachteil ist für den Antragsteller schließlich auch nicht mit dem aus seiner Sicht derzeit unzureichend geplanten provisorischen Bewässerungssystem verbunden. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hält in seinem Beschluss vom 16. September 2010 die Anordnung (5) des Besitzeinweisungsbeschlusses vom 26. August 2010 für "detailliert und unmissverständlich", es sei Sache des Landesbetriebs Straßenbau NRW, "in eigener Verantwortung für die ordnungsgemäße Bewässerung ein technisches Provisorium zu errichten und für dessen Funktionsfähigkeit zu sorgen". Dass der Landesbetrieb Straßenbau NRW nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, seiner Verantwortung gerecht zu werden, hat der Antragsteller nicht überzeugend dargelegt. Schon zur Vermeidung von weitergehenden Entschädigungspflichten, muss der Landesbetrieb ein ganz besonderes Interesse daran haben, die Belastungen für den Antragsteller infolge der Notwendigkeit, auf ein provisorisches Bewässerungssystem zurückgreifen zu müssen, auf ein Mindestmaß zu begrenzen. Es besteht danach keine Notwendigkeit, durch eine einstweilige Anordnung die Besitzeinweisung zu unterbinden, weil eine unzureichende Funktionsweise oder Eignung der provisorischen Entwässerung nicht glaubhaft gemacht worden ist. Auch könnte diese noch während der Bauarbeiten nachgebessert werden.
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Schließlich zwingt auch die Rüge der unzulässig verkürzten Beschwerdebegründungsfrist nach § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO nicht zum Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung. Selbst wenn sich diese Rüge im Rahmen einer noch zu erhebenden Verfassungsbeschwerde als berechtigt erwiese, folgte aus der Beschränkung auf die nachträgliche Feststellung dieses Grundrechtsverstoßes kein so schwerer Nachteil für den Antragsteller, dass er den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigte, zumal der Antragsteller nicht näher erläutert hat, wie und für welche Sachverhalte er an einer näheren Substantiierung durch die verkürzte Begründungsfrist gehindert gewesen wäre.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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