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BFH 26.08.2020 - II R 39/18
BFH 26.08.2020 - II R 39/18 - Ferienhaus ohne Telefon-, Internet- und Fernsehanschluss als Wohnung
Normen
§ 19 Abs 4 BewG 1991, § 27 BewG 1991, § 5 Abs 2 GrStG
Vorinstanz
vorgehend FG Münster, 26. Juli 2018, Az: 3 K 233/18 EW, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Ein ganzjährig nutzbares Ferienhaus, in dem sich Nutzer lediglich vorübergehend zu Erholungszwecken aufhalten, kann eine Wohnung i.S. des § 5 Abs. 2 GrStG sein. Der Wohnungsbegriff setzt nicht voraus, dass die Räume zum dauernden Aufenthalt bestimmt sind oder dauernd genutzt werden.
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2. NV: Eine Wohnung kann auch dann vorliegen, wenn sie weder über Anschlüsse für Telefon, Internet und Fernsehen noch über einen Briefkasten verfügt. Diese Ausstattungsmerkmale gehören nicht zu den für die Führung eines selbständigen Haushalts notwendigen Einrichtungen.
Tenor
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Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 26.07.2018 - 3 K 233/18 EW wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein gemeinnütziger Verein, errichtete 1960 im Außenbereich der Stadt A ein Feriendorf, das baurechtlich zum Dauerwohnen nicht zugelassen ist. Die Anlage besteht aus 15 massiven Doppelhäusern mit Flächen zwischen 89 m² und 102 m² zuzüglich Haupthaus mit Verwalterwohnung, Spielhaus, Geräteschuppen und Außenanlagen. Die Ferienhäuser sind an eine zentrale Warmwasserversorgung angeschlossen und werden mit Ölöfen beheizt. Die Wohneinheiten sind abgeschlossen und verfügen jeweils über einen eigenen Eingang, Küche und Bad oder Dusche und Toilette. Eigene Telefon-, Internet- und Fernsehanschlüsse sowie Briefkästen sind nicht vorhanden. Seit 2016 hat die Stadt A die Häuser zur Unterbringung von Geflüchteten angemietet.
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Ein Einheitswert war zunächst nur für die Verwalterwohnung festgestellt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) stellte auf Grundlage einer im Jahre 2016 eingegangenen Erklärung mit Bescheid vom 15.03.2017 im Wege der Art- und Wertfortschreibung auf den 01.01.2012 einen Einheitswert von 146.740 € für das gesamte Feriendorf fest. Die Nachfeststellung sei erforderlich, weil der Grund für die Befreiung von der Grundsteuer weggefallen sei.
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Mit seinem Einspruch berief sich der Kläger auf die Befreiung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b des Grundsteuergesetzes (GrStG). Wohnungen i.S. des § 5 Abs. 2 GrStG lägen nicht vor. Die Häuser würden Feriengästen nur temporär zu Erholungszwecken überlassen, seien mangels effektiver Heizung und Dämmung nicht zum dauerhaften Wohnen geeignet und seien baurechtlich dafür auch nicht zugelassen. Eine Grundsteuerbelastung müsse auf die Miete umgelegt werden und hemme die Verwirklichung des steuerbegünstigten Zwecks, kinderreichen Familien und Schulklassen Erholungsurlaub zu ermöglichen.
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Der Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, die Wohneinheiten genügten den Anforderungen, die an Wohnungen im bewertungsrechtlichen Sinne gestellt würden. Sie könnten beheizt und daher ganzjährig bewohnt werden. Ihre Nutzung durch häufig wechselnde Feriengäste jeweils nur für kurze Zeit sei unschädlich. Telefon-, Internet- und Fernsehanschluss sowie Briefkasten gehörten ebenso wie der aktuelle Wohnstandard zu den individuellen Bedürfnissen des Nutzers und seien nicht geeignet, den Begriff der Wohnung zu bestimmen. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2018, 1873 veröffentlicht.
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Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 5 Abs. 2 GrStG. Der vom FG herangezogene Wohnungsbegriff sei veraltet und entspreche nicht der Lebensrealität und den Ansprüchen, die heute an das Wohnen gestellt würden.
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Der Kläger beantragt,
die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung vom 18.01.2018 und den Einheitswertbescheid vom 15.03.2017 aufzuheben.
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Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass das Feriendorf nicht von der Grundsteuer befreit und die Feststellung eines Einheitswerts auch für die Ferienhäuser geboten ist.
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1. Gemäß § 19 Abs. 4 des Bewertungsgesetzes (BewG) werden Einheitswerte für inländischen Grundbesitz nur festgestellt, wenn und soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Einheitswerte haben lediglich für die Grundsteuer Relevanz. Die Vorschriften über die Einheitsbewertung dürfen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 10.04.2018 - 1 BvL 11/14 (BVerfGE 148, 147) weiter angewandt werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18.09.2019 - II R 15/16, BFHE 266, 57, Rz 16).
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2. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b i.V.m. § 7 GrStG ist Grundbesitz, der von einer inländischen Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dient, unmittelbar für gemeinnützige oder mildtätige Zwecke benutzt wird, von der Grundsteuer befreit.
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a) Grundbesitz, der zugleich Wohnzwecken dient, ist nur unter den in § 5 Abs. 1 GrStG genannten Voraussetzungen von der Grundsteuer befreit. Wohnungen sind gemäß § 5 Abs. 2 GrStG stets steuerpflichtig, auch wenn die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 GrStG vorliegen, also etwa wenn sie zur Erfüllung gemeinnütziger oder mildtätiger Zwecke überlassen werden. Der Gesetzgeber hat damit eine Entscheidung dahingehend getroffen, dass bei einer Mehrheit von Räumen, die den Begriff der Wohnung erfüllen, stets das Überwiegen des Wohnzwecks anzunehmen und Grundsteuerpflicht gegeben ist. Dies verbietet es, Rechtsträgern i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b GrStG eine Grundsteuerbefreiung dann und insoweit zu gewähren, als sie Wohnungen in Verfolgung und in Verwirklichung eines gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecks Dritten überlassen. Diese Einschränkung der Befreiung von der Grundsteuer ist mit dem Grundgesetz vereinbar (BFH-Urteile vom 21.04.1999 - II R 5/97, BFHE 188, 434, BStBl II 1999, 496; vom 15.03.2001 - II R 38/99, BFH/NV 2001, 1449; vom 11.04.2006 - II R 77/04, BFH/NV 2006, 1707, und vom 04.12.2014 - II R 20/14, BFHE 248, 193, BStBl II 2015, 610, Rz 9, m.w.N.; BVerfG-Beschluss vom 04.04.1984 - 1 BvR 1139/82, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1984, 436).
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b) Die von der Rechtsprechung entwickelte typologische Umschreibung des bewertungsrechtlichen Begriffs der Wohnung gilt auch für den Wohnungsbegriff i.S. des § 5 Abs. 2 GrStG (BFH-Urteile in BFHE 188, 434, BStBl II 1999, 496, m.w.N.; in BFH/NV 2001, 1449; in BFH/NV 2006, 1707, und in BFHE 248, 193, BStBl II 2015, 610, Rz 10, m.w.N.).
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Unter einer Wohnung im bewertungsrechtlichen Sinne ist die Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen zu verstehen, die in ihrer Gesamtheit so beschaffen sein müssen, dass sie die Führung eines selbständigen Haushalts auf Dauer ermöglichen. Dazu ist u.a. erforderlich, dass die abgeschlossene Wohneinheit eine bestimmte Fläche nicht unterschreitet und die für die Führung eines selbständigen Haushalts notwendigen Einrichtungen wie Küche oder zumindest ein Raum mit Kochgelegenheit, Bad oder Dusche und Toilette vorhanden sind. Für Bewertungsstichtage ab 01.01.1974 ist zudem erforderlich, dass die als Wohnung in Betracht kommenden Räumlichkeiten eine von anderen Wohnungen oder Räumen baulich getrennte, in sich abgeschlossene Wohneinheit mit eigenem Zugang bilden (BFH-Urteile vom 05.10.1984 - III R 192/83, BFHE 142, 505, BStBl II 1985, 151, unter I.1.b; in BFHE 188, 434, BStBl II 1999, 496; in BFH/NV 2001, 1449; in BFH/NV 2006, 1707, und in BFHE 248, 193, BStBl II 2015, 610, Rz 11).
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c) Ob einzelne Merkmale des Wohnungsbegriffs --wie die Möglichkeit, einen selbständigen Haushalt zu führen-- gegeben sind, entscheidet sich nach der Verkehrsauffassung (vgl. BFH-Urteile in BFHE 142, 505, BStBl II 1985, 151, unter I.1.b, und vom 30.05.1990 - II R 139/86, BFH/NV 1991, 268, m.w.N.). Dabei handelt es sich um die gerichtsbekannte Anschauung, die urteilsfähige und unvoreingenommene Bürger von einer Sache haben oder gewinnen, wenn sie mit ihr befasst werden (BFH-Urteile vom 29.10.1980 - II R 5/79, BFHE 131, 541, BStBl II 1981, 41, unter 1.a, und vom 01.07.1983 - III R 76/82, juris, unter 4.c, m.w.N.). Die Verkehrsauffassung wird wesentlich durch die örtlichen Verhältnisse und den Wohnungsmarkt bestimmt (vgl. BFH-Urteile vom 17.05.1990 - II R 182/87, BFHE 160, 335, BStBl II 1990, 705, und vom 02.04.1997 - X R 141/94, BFHE 183, 104, BStBl II 1997, 611, unter II.2.b).
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d) Der Wohnungsbegriff im bewertungsrechtlichen Sinne setzt nach ständiger Rechtsprechung nicht voraus, dass die Räume zum dauernden Aufenthalt bestimmt sind und dauernd genutzt werden. Nach der Verkehrsauffassung bilden auch solche Räume eine Wohnung, die nur zeitweise --zu Erholungszwecken-- bewohnt werden. Demgemäß steht es ihrer Beurteilung als Wohnung nicht entgegen, dass baurechtliche Vorschriften eine Dauernutzung ausschließen. Entscheidend ist, dass die Räume zur Führung eines selbständigen Haushalts während des ganzen Jahres, d.h. zu jeder Jahreszeit, geeignet sind. Sie müssen demnach winterfest sein. Unter dieser Voraussetzung können auch Ferienhäuser und Ferienapartments, in denen sich dieselben oder wechselnde Bewohner lediglich vorübergehend aufhalten, Wohnungen i.S. des § 5 Abs. 2 GrStG darstellen (vgl. BFH-Urteile vom 24.04.1991 - II R 2/89, BFHE 164, 455, BStBl II 1991, 683; vom 22.09.1993 - II R 63/91, BFHE 173, 558, BStBl II 1994, 415, und in BFHE 266, 57, Rz 32).
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e) Entgegen der Ansicht des Klägers kann eine Wohnung auch dann vorliegen, wenn die Räume weder über Anschlüsse für Telefon, Internet und Fernsehen noch über einen Briefkasten verfügen. Diese Ausstattungsmerkmale gehören, obwohl sie dem gegenwärtigen Wohnstandard entsprechen, nicht zu den für die Führung eines selbständigen Haushalts notwendigen Einrichtungen. Sie betreffen vielmehr die Wertverhältnisse und können daher bei Nachfeststellungen nicht berücksichtigt werden. Für Nachfeststellungen sind gemäß § 27 BewG die Wertverhältnisse zum Hauptfeststellungszeitpunkt 01.01.1964 maßgebend (vgl. BFH-Urteil in BFHE 248, 193, BStBl II 2015, 610, Rz 14).
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f) Wohnungen sind nicht deshalb von der Grundsteuer zu befreien, weil sie durch eine gemeinnützige Körperschaft an kinderreiche Familien und Schulklassen vermietet werden. Es ist nicht Sache der Gemeinden, durch Verzicht auf die Grundsteuer die Mietpreisgestaltung und damit den Übernachtungspreis zugunsten von Feriengästen zu beeinflussen (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zu § 5 Abs. 2 GrStG, BTDrucks VI/3418, S. 81; vgl. z.B. BFH-Urteile vom 01.07.1983 - III R 99/80, juris, unter 3.c, und III R 76/82, juris, unter 4.d, sowie in BFHE 173, 558, BStBl II 1994, 415, unter II.b). Ob eine Grundsteuerbefreiung bei Überlassung von Wohnungen in Erfüllung gemeinnütziger oder mildtätiger Zwecke sozial- oder finanzpolitisch wünschenswert wäre, unterliegt nicht der Beurteilung durch den BFH (BFH-Urteile in BFHE 188, 434, BStBl II 1999, 496; in BFH/NV 2001, 1449, unter II.3., und in BFH/NV 2006, 1707, unter II.1.a).
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3. Im Streitfall sind die Voraussetzungen für das Vorliegen von Wohnungen nach den Feststellungen des FG erfüllt. In den Ferienhäusern befinden sich jeweils zwei baulich getrennte, in sich abgeschlossene Wohneinheiten mit eigenem Zugang. Die Mindestfläche wird nicht unterschritten. Die Wohneinheiten weisen sämtliche zur Führung eines selbständigen Haushalts erforderlichen Einrichtungen, d.h. Küche und Bad oder Dusche und Toilette, auf. Sie verfügen zudem über eine Versorgung mit Warmwasser und Ölheizungen und können somit ganzjährig bewohnt werden. Da sie an eine zentrale Wasserversorgung angeschlossen sind, können entgegen dem Vorbringen des Klägers Anschlüsse für Wasch- und Spülmaschine bereitgestellt werden.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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