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BFH 18.02.2016 - VI R 17/13
BFH 18.02.2016 - VI R 17/13 - Zivilprozesskosten durch Vollstreckungsabwehrklage
Normen
§ 33 Abs 1 EStG 2009, § 33 Abs 2 EStG 2009, EStG VZ 2010
Vorinstanz
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 22. November 2012, Az: 14 K 237/12, Urteil
Leitsatz
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NV: Kosten eines Zivilprozesses um Ansprüche aus einem Vertrag sind regelmäßig nicht zwangsläufig i.S. des § 33 EStG. Dies gilt auch dann, wenn die Kosten durch eine Vollstreckungsabwehrklage entstehen .
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 22. November 2012 14 K 237/12 aufgehoben.
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Die Klage wird abgewiesen.
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Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I. Streitig ist, ob Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen einkommensteuerrechtlich zu berücksichtigen sind.
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Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielte im Streitjahr (2010) u.a. Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung einer Eigentumswohnung in A. Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen geltend. Diese resultierten aus einer im Ergebnis erfolglosen Vollstreckungsabwehrklage gegen die X-Bank nach § 767 der Zivilprozessordnung, mit der der Kläger sich gegen die beabsichtigte Zwangsvollstreckung der X-Bank wandte.
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Dem Rechtsstreit lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 12. Oktober 1993 erwarb der Kläger durch notariellen Vertrag die Eigentumswohnung in A, nachdem er zunächst am 26. Mai 1993 an einer Informationsveranstaltung eines Immobilienkaufmanns (K) teilgenommen hatte. Am 13. September 1993 suchte K den Kläger in dessen Wohnung auf, schlug den Erwerb einer Wohnung in A vor, der durch ein Darlehen bei der X-Bank ohne Eigenkapital voll finanziert werden sollte, und überreichte dem Kläger dazu ein Berechnungsbeispiel. Der Kaufpreis sollte mit einem Stellplatz insgesamt 203.750 DM betragen; weiter sollten in den Kaufpreis 16.300 DM für die Grundsteuer, die Notar- und Gerichtskosten sowie für die Abwicklungsgebühren einbezogen werden. Der Kaufvertrag wurde am 12. Oktober 1993 notariell beurkundet. Als Kaufpreis waren 220.050 DM ausgewiesen. Nach Ziffer VIII des Kaufvertrags sollten sämtliche Kosten des Vertrags und seines Vollzugs sowie die anfallende Grunderwerbsteuer einschließlich der Kosten der Lastenfreistellung vom Verkäufer getragen werden. Nach Ziffer III des Kaufvertrags unterwarf sich der Kläger gegenüber dem Verkäufer wegen der übernommenen Zahlungsverpflichtungen der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der Urkunde in sein gesamtes Vermögen. Am 12. Oktober 1993 wurde auch der auf den 11. Oktober 1993 ausgestellte Darlehensvertrag, den K zu dem Notartermin mitgebracht hatte, vom Kläger und seinem Vater unterzeichnet.
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Nachdem der Kläger die Zahlungen auf das Darlehen eingestellt hatte, kündigte die X-Bank das Darlehen. Der Kläger wandte im Rechtsstreit vor dem Landgericht (LG) ein, dass K dem Kläger zugesagt habe, mit dem Erwerb der Eigentumswohnung eine ewige Rente zu erzielen, dass der Kaufpreis bankgeprüft sei, dass eine Monatsmiete von 15,95 DM/qm nachhaltig erzielbar sei und dass das Geschäft völlig risikolos sei. Tatsächlich sei der Kaufpreis der Wohnung sittenwidrig überhöht gewesen; dies sei der X-Bank bekannt gewesen.
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Das LG wies die Klage des Klägers nach Beweisaufnahme ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Rückzahlung erbrachter Leistungen nach § 3 Abs. 1 des Gesetzes über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften zu, den er einer Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde entgegensetzen könne. Es könne nicht festgestellt werden, dass die vom Kläger behauptete Haustürsituation ursächlich für den Abschluss des Darlehensvertrags mit der X-Bank gewesen sei. Der Kläger könne der Inanspruchnahme aus der notariellen Urkunde auch keinen Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss entgegenhalten. Es fehle an einer evidenten Unrichtigkeit der Angaben des Verkäufers. Der Kläger habe auch die Sittenwidrigkeit des Kaufpreises nicht hinreichend dargelegt. Der Kläger legte dagegen zunächst fristwahrend Berufung ein, die er aber wieder zurücknahm.
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Auf Grundlage des Kostenfestsetzungsbeschlusses des LG vom 9. September 2010 zahlte der Kläger 2010 die festgesetzten Kosten einschließlich Zinsen in Höhe von insgesamt 4.360,90 €. Weiter zahlte der Kläger Rechtsanwaltskosten für die Terminswahrnehmung in Höhe von 97,81 € und 260,28 €, für das vom Kläger vor dem LG eingeführte Privatgutachten 1.011,50 € und Gerichtskosten für die Berufungsinstanz in Höhe von 956 €.
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Diese Kosten machte der Kläger unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für 2010 als außergewöhnliche Belastungen geltend.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erkannte die Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastungen an.
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Das Finanzgericht (FG) hat der Klage auf Grundlage des Senatsurteils in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 überwiegend entsprochen. Die vom Kläger geltend gemachten Kosten für den Zivilprozess seien in Höhe von 5.668,62 € als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen; nicht in vollem Umfang zu berücksichtigen seien dagegen die im Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten und vom Kläger gezahlten Zinsen, da sie dem Kläger nicht in voller Höhe zwangsläufig erwachsen seien. Auch die Kosten des Berufungsverfahrens seien nicht zu berücksichtigen, denn die Berufung habe aus Sicht eines verständigen Dritten keine hinreichenden Erfolgsaussichten geboten.
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Das FA rügt mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts.
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Es beantragt,
das Urteil des Niedersächsischen FG vom 22. November 2012 14 K 237/12 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht die vom Kläger aufgewandten Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd berücksichtigt.
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1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418, und vom 26. Juni 2014 VI R 51/13, BFHE 246, 326, BStBl II 2015, 9).
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2. Bei den Kosten eines Zivilprozesses sprach nach der langjährigen Rechtsprechung des BFH eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit (Senatsurteil vom 22. August 1958 VI 148/57 U, BFHE 67, 379, BStBl III 1958, 419; BFH-Urteile vom 18. Juli 1986 III R 178/80, BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745; vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). Solche Kosten wurden nur als zwangsläufig erachtet, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig war (BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596). Daran fehlte es nach der Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen bei einem Zivilprozess (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte die Rechtsprechung Zivilprozesskosten nur an, wenn der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, und in BFH/NV 2009, 553).
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Dagegen nahm der Senat in seiner Entscheidung in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 die Unausweichlichkeit von Zivilprozesskosten unter der Voraussetzung an, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg biete und nicht mutwillig erscheine. Diese Auffassung hat auch das FG dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegt.
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Der Senat hält an seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Auffassung allerdings nicht mehr fest. Wie er in seinem Urteil vom 18. Juni 2015 VI R 17/14 (BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800) entschieden hat, kehrt er unter Aufgabe seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Ansicht zu der früheren Rechtsprechung des BFH zur Abziehbarkeit der Kosten eines Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastung zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf das Senatsurteil in BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800 Bezug genommen.
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3. Nach diesen Maßstäben ist auch im Streitfall zu prüfen, ob die geltend gemachten Kosten für die zivilprozessuale Auseinandersetzung als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind. Zivilprozesskosten sind demnach nur insoweit abziehbar, als der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührt. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, kann der Steuerpflichtige auch bei unsicheren Erfolgsaussichten aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen, so dass die Prozesskosten zwangsläufig i.S. von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen.
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a) Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Seine Entscheidung hat daher keinen Bestand.
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b) Der Senat kann auf Grundlage der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen auch in der Sache selbst entscheiden. Die vom Kläger getragenen Prozesskosten sind danach nicht als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd zu berücksichtigen. Die vom Kläger geltend gemachte Vollstreckungsabwehrklage betraf vermeintliche Abwehransprüche aus vom Kläger abgeschlossenen Rechtsgeschäften, dem Grundstückskaufvertrag und dem damit verbundenen Darlehensvertrag. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der freiwillige Abschluss der Verträge durch den Kläger ursächlich für die daraus entstandenen und vom Kläger bestrittenen Zahlungsverpflichtungen gewesen war, so dass es grundsätzlich schon deshalb an der Zwangsläufigkeit der entstandenen Aufwendungen fehlt. Nach einem Vertragsabschluss zu einem Rechtsstreit mit ungewissem Ausgang führende Unklarheiten über das Bestehen und die Reichweite der vertraglichen Ansprüche kann der Steuerpflichtige im Allgemeinen durch eine entsprechende Gestaltung seiner Rechtsbeziehungen von vornherein ausschließen, indem er seine vertraglichen Rechte und Pflichten ausreichend klar und eindeutig regelt. Hat er das versäumt und lässt er sich dennoch auf einen Rechtsstreit ein, kann sich der Steuerpflichtige auf die Zwangsläufigkeit der ihm daraus entstehenden Aufwendungen nicht berufen. Denn diese Aufwendungen sind dann letztlich darauf zurückzuführen, dass er die Vereinbarungen nicht so getroffen hat, dass die dadurch begründeten Ansprüche und Verpflichtungen zuverlässig zu ermitteln sind (BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596).
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Im hier gegebenen Streitfall sind schließlich auch keine existenziell wichtigen Bereiche oder der Kernbereich menschlichen Lebens betroffen. Denn zu diesen Bereichen kann zwar unter Umständen auch die Absicherung des existenziellen Wohnbedarfs eines Steuerpflichtigen zählen; solche liegen hier aber offenkundig nicht vor. Denn der Grundstückskauf diente nach den Feststellungen des FG der Einkünfteerzielung und Vermögensverwaltung in Form der mietweisen Überlassung der Wohnung.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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