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BFH 18.02.2016 - VI R 56/13
BFH 18.02.2016 - VI R 56/13 - Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen
Normen
§ 33 Abs 1 EStG 2009, § 33 Abs 2 EStG 2009, EStG VZ 2011
Vorinstanz
vorgehend FG Köln, 26. Juni 2013, Az: 7 K 2700/12, Urteil
Leitsatz
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NV: Rechtsanwaltskosten wegen eines Zivilprozesses, in dem sich der Steuerpflichtige gegen Unterhaltsansprüche seines Kindes und der Kindesmutter verteidigt, sind keine außergewöhnlichen Belastungen .
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 26. Juni 2013 7 K 2700/12 aufgehoben.
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Die Klage wird abgewiesen.
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Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wurde für das Streitjahr (2011) einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Er ist der Vater des am … Juli 2010 geborenen Kindes T. Mit der Kindesmutter L war er nicht verheiratet.
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Der Kläger verpflichtete sich am 3. September 2010 vor dem Jugendamt der Stadt X in einer Jugendamtsurkunde zur Zahlung von Kindesunterhalt für T. Außerdem verpflichtete er sich am 6. September 2010 in einem notariell beurkundeten Schuldanerkenntnis zur Zahlung von Unterhalt an die Kindesmutter L in Höhe von 440 € monatlich. Der Kläger kam diesen Unterhaltsverpflichtungen regelmäßig nach.
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T und L beantragten noch im Jahr 2010 beim Amtsgericht (AG) X, Familiengericht, die Abänderung des Kindesunterhalts und des Unterhalts der Kindesmutter. Der Kläger schloss mit T und L vor dem AG schließlich einen Vergleich. Hiernach verpflichtete sich der Kläger in Abänderung der Jugendamtsurkunde u.a., für T ab Mai 2011 einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 128 % des Mindestbedarfs abzüglich des hälftigen Kindergeldanteils zu zahlen. Der Unterhalt der L wurde für die Zeit von Mai bis September 2011 auf 550 € monatlich und ab Oktober 2011 auf monatlich 1.100 € festgesetzt. Die Kosten des Verfahrens und des Vergleichs wurden gegeneinander aufgehoben.
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Der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers in dem familiengerichtlichen Verfahren stellte dem Kläger mit Rechnung vom 24. April 2011 Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von insgesamt 3.154,46 € in Rechnung, die der Kläger im Streitjahr bezahlte.
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Der Kläger machte diese Rechtsanwaltsgebühren in seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr als außergewöhnliche Belastungen geltend.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erkannte die Rechtsanwaltsgebühren auch im Einspruchsverfahren nicht als außergewöhnliche Belastungen an.
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1665 veröffentlichten Gründen statt.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
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Es beantragt, das Urteil des FG Köln vom 26. Juni 2013 7 K 2700/12 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten zu Unrecht als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) berücksichtigt.
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1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 EStG). Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418, und vom 26. Juni 2014 VI R 51/13, BFHE 246, 326, BStBl II 2015, 9).
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a) Bei den Kosten eines Zivilprozesses sprach nach der langjährigen Rechtsprechung des BFH eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit (Senatsurteil vom 22. August 1958 VI 148/57 U, BFHE 67, 379, BStBl III 1958, 419; BFH-Urteile vom 18. Juli 1986 III R 178/80, BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745; vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). Derartige Kosten wurden nur als zwangsläufig erachtet, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig war (BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596). Daran fehlte es nach der Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen bei einem Zivilprozess (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Vielmehr sei es in der Regel der freien Entscheidung der (Vertrags-)Parteien überlassen, ob sie sich zur Durchsetzung oder Abwehr eines zivilrechtlichen Anspruchs einem Prozess(kosten)risiko aussetzten (vgl. BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte die Rechtsprechung Zivilprozesskosten nur an, wenn der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, und in BFH/NV 2009, 553).
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b) Demgegenüber nahm der Senat in seinem Urteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) die Unausweichlichkeit von Zivilprozesskosten unter der Voraussetzung an, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Auffassung hat auch das FG dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegt.
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c) Der Senat hält an seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Auffassung allerdings nicht mehr fest. Wie er in seinem Urteil vom 18. Juni 2015 VI R 17/14 (BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800) entschieden hat, kehrt er unter Aufgabe seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Ansicht zu der früheren Rechtsprechung des BFH zur Abziehbarkeit der Kosten eines Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastung zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf das Senatsurteil in BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800 Bezug genommen.
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2. Nach diesen Maßstäben ist auch im Streitfall zu prüfen, ob die geltend gemachten Kosten für die zivilprozessuale Auseinandersetzung als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind. Zivilprozesskosten sind demnach nur insoweit abziehbar, als der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührt. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, kann der Steuerpflichtige auch bei unsicheren Erfolgsaussichten zur Durchsetzung oder Abwehr eines zivilrechtlichen Anspruchs aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen, sodass die Prozesskosten zwangsläufig i.S. von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen.
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a) Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Seine Entscheidung hat daher keinen Bestand.
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b) Der Senat kann aufgrund der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen allerdings in der Sache selbst entscheiden. Die von dem Kläger getragenen Rechtsanwaltskosten sind nicht als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd zu berücksichtigen.
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Dem Kläger sind die Rechtsanwaltskosten entstanden, weil er sich in einem familiengerichtlichen Verfahren gegen von seinem nichtehelichen Kind T und der Kindesmutter L geltend gemachte Unterhaltsansprüche verteidigt hat und er in diesem Verfahren einen Vergleich geschlossen hat, nach dem die Kosten des Verfahrens und des Vergleichs gegeneinander aufgehoben wurden.
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Der Kläger lief ohne die Rechtsverteidigung gegen die von T und L geltend gemachten Unterhaltsansprüche nicht Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Er war daher zur Abwehr der gegen ihn geltend gemachten Unterhaltsansprüche auch bei ungewissen Erfolgsaussichten nicht aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gezwungen, das familiengerichtliche Verfahren zu führen. Die von ihm in Zusammenhang mit diesem Verfahren gezahlten Rechtsanwaltsgebühren sind ihm damit nicht zwangsläufig i.S. von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen.
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Die Regelung zivilrechtlicher Unterhaltsansprüche hat der Gesetzgeber den Unterhaltsberechtigten und den Unterhaltsverpflichteten im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften im Wesentlichen zur eigenverantwortlichen Gestaltung übertragen. Deshalb hat der BFH selbst bei einer Ehescheidung Aufwendungen im Zusammenhang mit Scheidungsfolgesachen außerhalb des sog. Zwangsverbundes, zu denen auch Unterhaltssachen betreffend die Unterhaltspflicht gegenüber einem gemeinschaftlichen Kind und dem (ehemaligen) Ehepartner gehören (§ 137 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der im Streitjahr geltenden Fassung), nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt (BFH-Urteil vom 30. Juni 2005 III R 27/04, BFHE 210, 306, BStBl II 2006, 492). Für die Prozesskosten zur Regelung der Unterhaltspflichten gegenüber einem nichtehelichen Kind und dessen Kindesmutter kann nichts anderes gelten (vgl. auch BFH-Beschluss vom 21. Dezember 2005 III B 98/05, BFH/NV 2006, 733).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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