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BFH 20.08.2015 - VII B 54/15
BFH 20.08.2015 - VII B 54/15 - (Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Beschluss vom 16.04.2015 VII B 44/14 - Rechtmäßigkeit der Vorschriften über die Milchabgabe - Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht - Keine grundsätzliche Bedeutung)
Normen
Art 33 EG, EGV 1788/2003, EGV 1234/2007, MOG, Art 80 Abs 1 GG, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, EGV 595/2004, EWGV 3950/92
Vorinstanz
vorgehend FG Bremen, 19. März 2015, Az: 4 K 21/14 (6), Urteil
nachgehend BVerfG, 9. September 2017, Az: 1 BvR 2560/15, Nichtannahmebeschluss
Leitsatz
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1. NV: Die Vereinbarkeit der Vorschriften über die Milchabgabe mit höherrangigem Recht und insbesondere mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit war wiederholt Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen. An der Gültigkeit der der Milchabgabe zugrunde liegenden unionsrechtlichen Vorschriften bestehen keine Zweifel (vgl. BFH-Rechtsprechung) .
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2. NV: Etwaige zur Nichtigkeit der Verordnung (EG) Nr. 1788/2003 führende Verstöße gegen wesentliche Formvorschriften im europäischen Gesetzgebungsverfahren rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht (Festhaltung an BFH-Beschlüssen vom 27.11.2013 VII B 86/12 und VII B 87/12) .
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Bremen vom 19. März 2015 4 K 21/14 (6) wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Milcherzeuger und Inhaber einer Milchquote. Aus der beim Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt) am 6. Juli 2012 eingegangenen Abgabenanmeldung für den Zwölfmonatszeitraum (ZMZ) 2011/2012 ergab sich für den Kläger eine Überlieferung von 31 260 kg Milch nach Bundessaldierung und somit eine Abgabenforderung in Höhe von 8.699,66 €.
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Einspruch und Klage gegen die Abgabenanmeldung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, die Abgabenberechnung sei rechtmäßig und die hierfür herangezogenen Rechtsgrundlagen in Gestalt der nationalen Verordnung zur Durchführung der EU-Milchquotenregelung (Milchquotenverordnung --MilchQuotV--, BGBl I 2011, 775) sowie der unionsrechtlichen Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 (VO Nr. 1234/2007) des Rates vom 22. Oktober 2007 über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse (Verordnung über die einheitliche GMO) --Amtsblatt der Europäischen Union (ABlEU) Nr. L 299/1-- und der Verordnung (EG) Nr. 595/2004 der Kommission vom 30. März 2004 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1788/2003 des Rates über die Erhebung einer Abgabe im Milchsektor (ABlEU Nr. L 94/22) seien entgegen der Ansicht des Klägers nicht nichtig. Die höchstrichterliche Feststellung der Rechtmäßigkeit der Milchabgabe im Zusammenhang mit den Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1788/2003 (VO Nr. 1788/2003) des Rates vom 29. September 2003 über die Erhebung einer Abgabe im Milchsektor (ABlEU Nr. L 270/123) könne auf die Abgabenerhebung nach den im Wesentlichen identischen Regelungen der VO Nr. 1234/2007 übertragen werden. Mit den Regelungen des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen und der Direktzahlungen (Marktorganisationsgesetz) lägen ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlagen i.S. des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) für den Erlass der MilchQuotV vor. Das Zitiergebot gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG sei ebenso wenig verletzt wie der Gesetzesvorbehalt; ein Verstoß der Saldierungsregelungen gegen Art. 3 GG sei nicht ersichtlich. Eine Unverhältnismäßigkeit des Milchabgabensystems insgesamt sei nicht feststellbar.
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Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, die er auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) stützt. Er macht weiterhin geltend, die im Streitfall maßgebenden unionsrechtlichen und nationalen Vorschriften über die Erhebung der Milchabgabe seien nichtig und die ersatzweise Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 (VO Nr. 3950/92) des Rates vom 28. Dezember 1992 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 405/1) als Grundlage zur Berechnung einer festzusetzenden Milchabgabe sei ausgeschlossen. Er bezeichnet diesbezüglich acht Fragen als grundsätzlich klärungsbedürftig.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die mit der Beschwerde formulierten Fragen sind höchstrichterlich geklärt bzw. lassen sich nur so beantworten, wie es das FG getan hat.
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1. Mit Beschluss vom 16. April 2015 VII B 44/14 hat der Senat bereits festgestellt, dass die Vereinbarkeit der Vorschriften über die Milchabgabe mit höherrangigem Recht und insbesondere mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wiederholt Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen gewesen ist (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- Azienda Agricola Disarò Antonio u.a. vom 14. Mai 2009 C-34/08, EU:C:2009:304, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2009, 219, und Senatsbeschluss vom 7. Oktober 2009 VII B 253/08, BFH/NV 2010, 267, m.w.N.). An der Gültigkeit der der Milchabgabe zugrunde liegenden unionsrechtlichen Vorschriften bestehen keine Zweifel (vgl. Senatsbeschlüsse vom 27. November 2013 VII B 86/12, BFH/NV 2014, 585, und VII B 87/12, BFH/NV 2014, 741).
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a) Wie vom EuGH in seinem Urteil Azienda Agricola Disarò Antonio u.a. (EU:C:2009:304, Rz 44 ff., ZfZ 2009, 219, 221) ausgeführt, verfügt der Gesetzgeber im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik (Art. 33 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft --EG--) über ein weites Ermessen, das er mit Erlass der VO Nr. 1788/2003 --und nachfolgend der VO Nr. 1234/2007-- nicht überschritten hat, indem er das in Art. 33 Abs. 1 Buchst. c EG ausdrücklich erwähnte Ziel der Stabilisierung der Märkte verfolgt und diesem Ziel Vorrang eingeräumt hat. Die in der VO Nr. 1788/2003 und der VO Nr. 1234/2007 vorgesehene Abgabenregelung zielt darauf ab, auf dem durch strukturelle Überschüsse gekennzeichneten Milchmarkt durch eine Beschränkung der Milcherzeugung das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage wiederherzustellen, und hält sich daher im Rahmen der Ziele, die Milcherzeugung zu rationalisieren und für die betroffene landwirtschaftliche Bevölkerung durch einen Beitrag zur Stabilisierung ihres Einkommens eine angemessene Lebenshaltung aufrechtzuerhalten. Auch mit den in Art. 33 Abs. 1 Buchst. a und b EG genannten Zielen ist die VO Nr. 1788/2003 vereinbar (siehe auch Senatsbeschlüsse in BFH/NV 2014, 585, 587, und in BFH/NV 2014, 741, 743). Dies gilt gleichermaßen für die VO Nr. 1234/2007 (vgl. Erwägungsgrund Nr. 30 VO Nr. 1234/2007).
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b) Dass der Unionsgesetzgeber dazu berechtigt ist, die Milchproduktion in der Union zu beschränken, indem er Überproduktion mit einer Abgabe belegt, steht also nach der Rechtsprechung des EuGH und des Senats fest. Dabei liegt es im Ermessen des Verordnungsgebers, die Milcherzeuger auch unabhängig von einem Milchrichtpreis zur Einhaltung einer bestimmten Produktionsmenge mithilfe einer Milchabgabe anzuhalten (vgl. EuGH-Urteile Cooperativa Lattepiù u.a. vom 25. März 2004 C-231/00, EU:C:2004:178, und Azienda Agricola Disarò Antonio u.a., EU:C:2009:304, ZfZ 2009, 219; Senatsbeschlüsse in BFH/NV 2010, 267, 268; vom 13. Juli 2011 VII B 223/10, BFH/NV 2011, 1732; in BFH/NV 2014, 585, 588; in BFH/NV 2014, 741, 743, sowie zuletzt Senatsbeschluss vom 16. April 2015 VII B 44/14, n.v.). Eine Überschreitung des diesbezüglich unionsrechtlich eingeräumten Ermessensspielraums ist nicht erkennbar.
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2. Wie bereits in den Senatsbeschlüssen in BFH/NV 2014, 585, 588 und in BFH/NV 2014, 741, 743 f. ausgeführt, rechtfertigen nach Auffassung des Senats selbst etwaige zur Nichtigkeit der VO Nr. 1788/2003 führende Verstöße gegen wesentliche Formvorschriften im europäischen Gesetzgebungsverfahren die Zulassung der Revision nicht. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Selbst wenn die gesamte (inzwischen außer Kraft getretene) VO Nr. 1788/2003 wegen Missachtung des Konzertierungsverfahrens durch den Rat sowie des nicht einstimmig gefassten Beschlusses über ihre Verabschiedung nichtig gewesen sein sollte, wäre auch Art. 25 VO Nr. 1788/2003 über die Aufhebung der VO Nr. 3950/92 nichtig. Die VO Nr. 3950/92 hätte weiter gegolten und wäre weiterhin die unionsrechtliche Grundlage für die Erhebung der Milchabgabe geblieben. Dass bei Fortgeltung der VO Nr. 3950/92 keine oder eine geringere Milchabgabe gegen den Kläger festzusetzen gewesen wäre, ist nicht ersichtlich. Vielmehr wäre auch die im Zusammenhang mit der VO Nr. 1788/2003 erlassene Verordnung (EG) Nr. 1787/2003 des Rates vom 29. September 2003 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1255/1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse in diesem Fall nichtig und der Milchrichtpreis nicht aufgehoben worden. Es wäre der Richtpreis gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1255/1999 (VO Nr. 1255/1999) des Rates vom 17. Mai 1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse anzuwenden. Der sich daraus ergebende Milchabgabensatz wäre letztlich höher als der sich aus Art. 2 VO Nr. 1788/2003 und der sich aus Art. 78 Abs. 1 Satz 2 VO Nr. 1234/2007 ergebende Abgabensatz.
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Die vom Kläger vorgebrachten Bedenken bezüglich der Wirksamkeit der VO Nr. 1788/2003 mit Hinweis auf einen weiteren Verstoß gegen wesentliche Formvorschriften im europäischen Gesetzgebungsverfahren ändern an dieser Beurteilung nichts; auch sie rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht. Gleiches gilt im Hinblick auf etwaige Verstöße gegen wesentliche Formvorschriften beim Erlass der VO Nr. 1234/2007 als Nachfolgeverordnung der VO Nr. 1788/2003.
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3. Weitere Bedenken hinsichtlich der Fortgeltung der VO Nr. 1255/1999 über den 1. April 2004 hinaus und somit nach dem Beitritt neuer Mitgliedstaaten zur Europäischen Union spielen im Streitfall bereits mangels Betroffenheit des Klägers keine Rolle. Eine etwaige Diskriminierung von Milcherzeugern anderer Länder kann der Kläger nicht geltend machen. Darüber hinaus haben sich die Beitrittsländer 2004 dem System der Milchabgabenpflicht für Erzeuger im Fall einer Überproduktion unterworfen, indem sie auf der Grundlage der Beitrittsakte seit dem 1. Mai 2004 als neue Mitgliedstaaten den EU-Besitzstand einschließlich der vollständigen Milchquotenregelung anwenden. Entgegen der Auffassung des Klägers, die Erhebung einer Milchabgabe entspreche für die Zeit nach 2004 nicht mehr der gemeinsamen Agrarpolitik aller Mitgliedstaaten, ist die Festsetzung einer Milchabgabe nach der Rechtsprechung des EuGH also weiterhin ein geeignetes und verhältnismäßiges Mittel zur Einhaltung einer bestimmten Produktionsmenge.
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Der Hinweis auf die kritische Stellungnahme des juristischen Dienstes des Rates zur Rechtsgrundlage der Milchabgabe kann die Argumentation des Klägers nicht stützen, da sie sich lediglich auf das Quotenjahr 2014/2015 bezieht und somit die Besonderheit des letzten ZMZ vor Ende der Milchquotenregelung betrifft.
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4. Im Übrigen ergeht der Beschluss nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne Begründung.
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