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BFH 13.02.2014 - X B 168-170/13, X B 168/13, X B 169/13, X B 170/13
BFH 13.02.2014 - X B 168-170/13, X B 168/13, X B 169/13, X B 170/13 - Fehlende Entscheidungserheblichkeit einer möglichen unberechtigten Aktenvernichtung durch das FA
Normen
Art 20 Abs 3 GG, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, Art 2 Abs 1 GG, Art 19 Abs 4 GG
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 20. März 2013, Az: 2 K 894/10, Urteil
vorgehend Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 20. März 2013, Az: 2 K 897/10, Urteil
vorgehend Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 20. März 2013, Az: 2 K 898/10, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Der aus Art. 2 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitende Anspruch auf ein faires Verfahren beinhaltet auch, dass dem Bürger das Versagen organisatorischer Vorkehrungen, auf die er keinen Einfluss hat, nicht zur Last gelegt werden darf.
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2. NV: Selbst wenn beschlagnahmte Originalunterlagen des Steuerpflichtigen im Bereich der Finanzverwaltung irrtümlich während des laufenden Verfahrens vernichtet worden sein sollten, ist ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens ausgeschlossen, wenn dem FG jedenfalls Kopien dieser Unterlagen vorlagen und es sich aufgrund dieser Kopien eine eigene Auffassung vom Vorliegen der Voraussetzungen des Betriebsausgabenabzugs bilden konnte (Abgrenzung vom Senatsbeschluss vom 5. Februar 2014 X B 138/13).
Tatbestand
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I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erzielte in den Streitjahren 1991 bis 1993 als Versicherungsmakler Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Steuererklärungen gab er zunächst nicht ab. Seit 1993 wurde beim Kläger zunächst eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung, dann eine Außenprüfung und eine Fahndungsprüfung für die Streitjahre durchgeführt, in deren Zuge es auch zu einer Durchsuchung beim Kläger kam.
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Der Prüfer ermittelte die --im vorliegenden Verfahren nicht streitigen-- betrieblichen Erlöse des Klägers anhand vorgefundener Unterlagen. Am 17. August 1995 --kurz vor Abschluss der Prüfungsmaßnahmen-- machte der Kläger geltend, er habe in den Streitjahren die folgenden Provisionszahlungen in bar an zwei Unternehmen geleitet, die --ohne nähere Angabe zur Rechtsform-- als K-Gesellschaft bzw. V-Gesellschaft bezeichnet wurden:
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Jahr
K
V
Summe
1991
46.237 DM
46.237 DM
1992
132.644 DM
15.320 DM
147.964 DM
1993
143.100 DM
20.000 DM
163.100 DM
Summe
321.981 DM
35.320 DM
357.301 DM
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Der Kläger legte hierzu Kopien von Provisionsrechnungen sowie Durchschriften von Quittungen über Barzahlungen vor. Im Rahmen der Prüfungs- und Durchsuchungsmaßnahmen hatten hierzu keine Unterlagen aufgefunden werden können.
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Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die vom Kläger behaupteten Provisionszahlungen in den nach der Außenprüfung ergangenen --teils erstmaligen, teils geänderten-- Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheiden nicht. Während des anschließenden Einspruchsverfahrens reichte der Kläger seine Steuererklärungen für die Streitjahre ein. Das FA folgte den Steuererklärungen nicht, sondern wies die Einsprüche am 2. Dezember 1996 zurück. Dabei führte es zur Begründung der Versagung des Abzugs der Provisionszahlungen aus, die Firmen K und V seien nach dem Ergebnis der behördlichen Ermittlungen nicht existent gewesen. Zwei von der Steuerfahndung als Zeugen vernommene frühere Mitarbeiter des Klägers hätten übereinstimmend ausgesagt, die Firmen K und V hätten zu keinem Zeitpunkt in geschäftlichem Kontakt mit dem Kläger gestanden. Auf den Briefbögen der angeblichen Provisionsempfänger sei keine Bankverbindung angegeben, was dafür spreche, dass es sich um Scheinfirmen gehandelt habe. Der Kläger habe bisher nur Kopien von Belegen vorgelegt. Aus den Abrechnungen gehe nicht hervor, für welche Leistungen die Provisionen gezahlt worden sein sollen. Weitere Ermittlungen seien wegen fehlender Mitwirkung des Klägers nicht möglich.
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In seinen Klageschriften zur Einkommensteuer 1992 und 1993 führte der Kläger aus, er könne Unterlagen vorlegen, aus denen sich eindeutig die Existenz der beiden Firmen ergebe. Soweit das FA behaupte, bei der Durchsuchung habe sich kein Hinweis auf die Firmen K und V ergeben, habe das FA die Ursache hierfür selbst gesetzt, indem es die Durchsuchung und Beschlagnahme auf die Ordner, Computer und Disketten beschränkt habe. Hingegen seien die in Kisten lose vorhandenen Belege im Untergeschoss weder durchgesehen noch mitgenommen worden. Nur so sei die Verwunderung des FA über das Vorhandensein der Belege erklärbar.
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In einem am 19. März 2008 vom Finanzgericht (FG) durchgeführten Erörterungstermin benannte der Kläger die Person, die hinter den Firmen K und V stehen soll. Der Vorsitzende wies darauf hin, dass zu den Provisionszahlungen weiterer umfangreicher Sachvortrag des Klägers samt Einreichung entsprechender Nachweise erforderlich sei. Ferner wies er darauf hin, dass die im Rahmen der Fahndungsprüfung beschlagnahmten Unterlagen nach dem zwischenzeitlichen Abschluss des Steuerstrafverfahrens wieder dem Kläger zur Verfügung stünden und von diesem in Besitz genommen werden könnten.
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Der Kläger versuchte ab Oktober 2010 Einsicht in die beim FA geführten Akten zu nehmen. Dabei stellte sich heraus, dass die seinerzeit bei ihm beschlagnahmten Unterlagen nicht mehr im Bereich der Finanzverwaltung vorhanden waren.
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Nachfolgend teilte das FA mit, dass hinsichtlich der Einkommensteuer, nicht aber hinsichtlich der Gewerbesteuer zum 1. Januar 2009 Zahlungsverjährung eingetreten sei. Insoweit erklärte es den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Der Kläger schloss sich der Erledigungserklärung nicht an.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem FG am 20. März 2013 stellte der Kläger sein Begehren hinsichtlich der Einkommensteuer auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag um. Hinsichtlich der Gewerbesteuermessbescheide blieb es beim Anfechtungsantrag. Das FG wies die Klagen ab. Es unterstellte zur Einkommensteuer ein berechtigtes Interesse des Klägers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Bescheide, hielt diese aber in der Sache für rechtmäßig. Die vom Kläger vorgelegten Provisionsabrechnungen seien nicht nachvollziehbar, da die Angabe der Berechnungsgrundlagen (z.B. Bezeichnung der vermittelten Versicherungsanträge, Höhe der vermittelten Versicherungssummen) fehle. Der Kläger trage die Feststellungslast. Insoweit habe der Senat nicht feststellen können, dass die ursprünglich beschlagnahmten Unterlagen dem Kläger nicht zurückgegeben worden seien. Zudem habe der Kläger nicht vorgetragen, welche ihm günstigen Informationen sich in diesen Unterlagen befinden könnten.
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Mit seinen Beschwerden begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels sowie grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.
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Das FA tritt den Beschwerden entgegen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerden sind unbegründet.
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Keiner der vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe ist tatsächlich gegeben.
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1. Das FG hat den Anspruch des Klägers auf ein faires Verfahren nicht verletzt.
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a) Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) leitet in ständiger Rechtsprechung aus Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip und dem Gebot effektiven Rechtsschutzes den Anspruch auf ein faires Verfahren als "allgemeines Prozessgrundrecht" ab (vgl., auch zum Folgenden, BVerfG-Beschlüsse vom 6. April 1998 1 BvR 2194/97, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1998, 2044, und vom 18. Juli 2013 1 BvR 1623/11, NJW 2014, 205). Danach muss der Richter das Verfahren so gestalten, wie die Parteien bzw. Beteiligten es von ihm erwarten dürfen. Er darf sich nicht widersprüchlich verhalten, insbesondere aber darf er aus eigenen oder ihm zuzurechnenden Fehlern oder Versäumnissen keine Verfahrensnachteile für die Beteiligten ableiten und ist allgemein zur Rücksichtnahme gegenüber den Verfahrensbeteiligten in ihrer konkreten Situation verpflichtet. Dem Bürger darf das Versagen organisatorischer Vorkehrungen, auf die er keinen Einfluss hat, nicht zur Last gelegt werden. Das Gericht hat bei seiner Überzeugungsbildung, sofern die Erklärung des Beteiligten nicht von vornherein unglaubhaft ist, den Umstand in Rechnung zu stellen, dass es dem Beteiligten aus Gründen, die in der Sphäre einer Behörde liegen, auf deren Tätigkeit er keinen Einfluss hat, unmöglich ist, eine Tatsache glaubhaft zu machen, die ohne das behördliche Versagen unschwer aufzuklären wäre.
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Vor diesem Hintergrund hat der erkennende Senat kürzlich in einem Fall, in dem das FG eine Hinzuschätzung von Betriebseinnahmen auf --sehr pauschal gehaltene-- Ausführungen in einem Steuerfahndungsbericht gestützt hatte, obwohl es diese Ausführungen nicht mehr überprüfen konnte, weil die beim dortigen Kläger beschlagnahmten Originalunterlagen im Bereich der Finanzverwaltung unberechtigt vorzeitig vernichtet worden waren, einen Verstoß gegen den Anspruch auf ein faires Verfahren bejaht (Beschluss vom 5. Februar 2014 X B 138/13, www.bundesfinanzhof.de/entscheidungen, Datum der Freigabe: 12. März 2014).
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b) Der prozessuale Sachverhalt im vorliegenden Verfahren liegt jedoch in den entscheidenden Punkten anders als in den Fällen, in denen das BVerfG oder der erkennende Senat eine Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren bejaht haben.
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aa) So lagen dem FG hier die vom Kläger während der Prüfung eingereichten Unterlagen jedenfalls in Kopie vor, so dass das FG sich Kraft eigener Anschauung eine fundierte Auffassung zu der Frage bilden konnte, ob die Leistungsbeschreibungen in den vorgelegten Provisionsabrechnungen so hinreichend konkret waren, dass die betriebliche Veranlassung der Aufwendungen (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes) als nachgewiesen angesehen werden konnte. Daher kommt es nicht auf die Frage an, ob und in wessen Verantwortungsbereich die Originale zu diesen Kopien möglicherweise verloren gegangen sind, weil das FG seine Entscheidung nicht auf das Fehlen von Originalen gestützt hat, sondern --in nachvollziehbarer Weise-- darauf, dass die vorgelegten Belege ihrem Inhalt nach nicht zum Nachweis der Voraussetzungen für den Betriebsausgabenabzug geeignet sind.
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Demgegenüber konnte das im Verfahren X B 138/13 beklagte FA dem FG trotz einer vorangegangenen Beschlagnahme keinerlei Unterlagen mehr vorlegen, die zum Nachweis der vom FA angesetzten höheren Einnahmen geeignet waren. Hinzu kommt, dass die Feststellungslast für die Erhöhung von Betriebseinnahmen beim FA liegt, während es vorliegend um Betriebsausgaben geht, für deren Vorliegen der Steuerpflichtige die Feststellungslast trägt.
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bb) Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren in seinen Klageschriften erklärt, er könne Unterlagen vorlegen, aus denen sich eindeutig die Existenz der beiden Firmen K und V ergebe. Seine weiteren Ausführungen in den Klageschriften können nur dahingehend verstanden werden, dass das FA die Unterlagen über Provisionszahlungen gerade nicht beschlagnahmt habe; vielmehr habe der Kläger diese Unterlagen vorlegen können, weil sie sich lose in Kisten im Untergeschoss befunden hätten, deren Inhalt von der Beschlagnahme nicht erfasst worden sei.
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Bei dieser Sachlage spielt die Frage, ob beschlagnahmte Unterlagen im Bereich der Finanzverwaltung während eines noch laufenden Verfahrens unberechtigt vernichtet worden sind, ersichtlich keine Rolle. Denn nach dem eigenen Vorbringen des Klägers waren die Unterlagen über die Provisionszahlungen von der Beschlagnahme niemals umfasst. Der Kläger hat sie vielmehr mehr als ein Jahr nach der Beschlagnahme persönlich dem FA überbracht. Dort sind sie zu den Akten genommen und auf Anforderung ordnungsgemäß dem FG vorgelegt worden. Sie befinden sich bis heute bei den --auch dem erkennenden Senat vorliegenden-- Akten.
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Die vom Kläger in seinen Klageschriften angekündigten Unterlagen zur Existenz der Firmen K und V hat er niemals vorgelegt, obwohl diese sich ausweislich seines eigenen Vorbringens auch nach Durchführung der Beschlagnahme noch in seinem Gewahrsam befunden haben müssen.
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2. Unzutreffend ist auch die Auffassung des Klägers, das angefochtene Urteil sei i.S. des § 119 Nr. 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) insofern teilweise nicht mit Gründen versehen, als das FG nicht auf die von ihm gerügte Verletzung seiner Rechte auf Akteneinsicht, rechtliches Gehör und effektiven Rechtsschutz eingehe.
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Aus Sicht des FG kam es auf diese Rügen nicht an, weil die Vorinstanz sich aufgrund der --jedenfalls in Kopie-- vorliegenden Unterlagen ein eigenes Bild von den Provisionsabrechnungen und Quittungen machen konnte.
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3. Aus denselben Gründen hat die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, welche prozessualen Schlussfolgerungen sich aus dem Verlust beschlagnahmter Unterlagen ergeben können, keine grundsätzliche Bedeutung. Im Übrigen wäre diese Frage durch die bereits vorliegende Rechtsprechung des BVerfG und des erkennenden Senats geklärt.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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5. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.
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