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BFH 23.01.2013 - X B 84/12
BFH 23.01.2013 - X B 84/12 - Keine grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage bei fehlender Klärungsfähigkeit - Feststellungslast für das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht - Unterbliebene Beweisaufnahme
Normen
§ 15 Abs 2 EStG 1990, § 76 Abs 1 S 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 15 Abs 2 EStG 1997, § 15 Abs 2 EStG 2002, § 2 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 1990, § 2 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 1997, § 2 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2002, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 12 Nr 1 EStG 1990, § 12 Nr 1 EStG 1997, § 12 Nr 1 EStG 2002, § 116 Abs 3 S 3 FGO, EStG VZ 2005
Vorinstanz
vorgehend FG Münster, 28. März 2012, Az: 6 K 3014/08 E, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Die Rechtsfrage, ob die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Verteilung der Feststellungslast für das Vorliegen von Gewinnerzielungsabsicht insoweit widersprüchlich sei, als sie einerseits dem Steuerpflichtigen die Feststellungslast für die von ihm gewünschte Verrechnung von Verlusten zuweise, andererseits aber dem FA bzw. FG auferlege, aus weiteren Beweisanzeichen die Feststellung zu treffen, dass der Steuerpflichtige die Tätigkeit aus in seiner Lebensführung liegenden Gründen ausübe, ist im konkreten Verfahren nicht klärungsfähig, wenn das FG seine Entscheidung nicht auf die Regeln der Feststellungslast, sondern auf seine Überzeugungsbildung gestützt hat .
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2. NV: Bei natürlichen Personen ist die Möglichkeit der Verrechnung "echter" Verluste mit anderweitigen positiven Einkünften kein privates Motiv, das schon für sich genommen zur Verneinung der Gewinnerzielungsabsicht führen könnte. Etwas anderes gilt jedoch, wenn die Tätigkeit dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eröffnet, Kosten der privaten Lebensführung (z.B. anteilige Fixkosten ohnehin vorhandener Gegenstände wie Pkw, Wohnung oder Computer) in den einkommensteuerlich relevanten Bereich zu verlagern .
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3. NV: Ein Urteil "beruht" nicht auf einer unterbliebenen Beweisaufnahme, wenn das FG seine Würdigung auf mehrere, jeweils selbständig tragende Gesichtspunkte gestützt hat, zu denjenigen Gesichtspunkten, die nicht von der unterbliebenen Beweisaufnahme betroffen sind, aber keine Zulassungsgründe vorgetragen werden .
Tatbestand
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I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren 1994 bis 2005 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Der Kläger erzielte hohe Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die Klägerin, die über eine Ausbildung zur Reisebürokauffrau verfügt, führte zunächst den Familienhaushalt. Im Jahr 1994 nahm sie, nachdem sie durch eine Freundin an das Hobby des Patchworkens herangeführt worden war, einen Handel mit Patchworkstoffen auf und bot entsprechende Kurse an. Für das Ladengeschäft nutzte sie Räume in dem im Übrigen selbstgenutzten Wohnhaus der Kläger, das in einem Wohngebiet liegt. Das Geschäft war zunächst neun, "später" zwölf Stunden pro Woche geöffnet. In den Jahren 1994 bis 2010 erzielte die Klägerin ein saldiertes Ergebnis von ./. 180.560 €. In den Streitjahren lag bereits die Summe der Kosten für den Wareneinkauf --noch vor Berücksichtigung aller übrigen Kosten-- deutlich über der Summe der Erlöse aus Warenverkäufen.
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Mit den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden versagte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) für die Streitjahre im Anschluss an eine Außenprüfung die Berücksichtigung der geltend gemachten Verluste. Demgegenüber vertraten die Kläger die Auffassung, die Totalgewinnprognose sei nicht negativ, da der Wert des umfangreichen vorhandenen Warenlagers die Höhe der aufgelaufenen Verluste übersteige. Eine körperliche Bestandsaufnahme des Warenbestands führte die Klägerin unter Verweis auf den damit verbundenen Arbeitsaufwand nicht durch.
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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Die Totalgewinnprognose sei negativ. Dies folge nicht nur aus der Höhe der bereits aufgelaufenen Verluste, die angesichts des Alters der Klägerin (65 Jahre) nicht mehr auszugleichen sein dürften, sondern auch aus der Betriebsstruktur, die dadurch gekennzeichnet sei, dass bereits die Kosten für den Wareneinkauf über den Verkaufserlösen lägen. Das FG habe auch nicht die Überzeugung gewinnen können, dass sich ein Totalgewinn durch Verwertung des vorhandenen Warenbestands ergeben könne. Bereits der Umfang des Warenbestands stehe nicht fest, weil die Klägerin ihn nur habe schätzen können. Die Klägerin habe die Verluste zudem aus Gründen hingenommen, die in ihrer privaten Lebensführung lägen. Ein wichtiges Beweisanzeichen hierfür sei, dass der Betrieb von Anfang an nicht nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt worden sei (fehlende Werbung, zu geringe Öffnungszeiten, Lage in einem Wohngebiet, zu hohe Lagerhaltung, fehlende Aufzeichnungen über die Einnahmen und Ausgaben) und bis zum Ende der Streitjahre keine Reaktion auf die langjährigen Verluste erkennbar gewesen sei. Zudem sei das Patchworken eine Hobbytätigkeit. Weil der Betrieb so, wie er von der Klägerin geführt worden sei, von Anfang an nicht in der Lage gewesen sei, nachhaltig Gewinn zu erzielen, seien die Verluste auch für eine Anlaufphase nicht zu berücksichtigen.
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Mit ihrer Beschwerde begehren die Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und eines Verfahrensmangels.
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Das FA hält die Beschwerde für unbegründet.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde ist unbegründet.
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Keiner der von den Klägern geltend gemachten Zulassungsgründe ist tatsächlich gegeben.
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1. Die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage wäre in einem künftigen Revisionsverfahren im Streitfall nicht klärungsfähig.
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a) Grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein (Senatsbeschluss vom 19. Januar 2011 X B 43/10, BFH/NV 2011, 636, unter II.1.).
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Eine Rechtsfrage ist nur dann klärungsfähig, wenn sie in einem künftigen Revisionsverfahren für die Entscheidung des Streitfalls rechtserheblich ist (BFH-Beschlüsse vom 8. Januar 1998 VII B 102/97, BFH/NV 1998, 729, und vom 14. November 2005 II B 51/05, BFH/NV 2006, 305, unter II.1.). An der Klärungsfähigkeit fehlt es insbesondere dann, wenn der BFH in einem Revisionsverfahren gemäß § 118 Abs. 2 FGO an entsprechende Tatsachenfeststellungen des FG gebunden wäre (Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2011 X B 14/11, BFH/NV 2012, 172, unter II.1.a, m.w.N.).
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b) Die Kläger formulieren --sinngemäß-- die Rechtsfrage, es sei widersprüchlich, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung einerseits die Feststellungslast für das Vorliegen der Gewinnerzielungsabsicht dem Steuerpflichtigen zuweise, andererseits aber eine objektiv negative Totalgewinnprognose nicht ausreichen lasse, sondern dem FA bzw. FG auferlege, aus weiteren Beweisanzeichen die Feststellung zu treffen, dass der Steuerpflichtige die Tätigkeit aus in seiner Lebensführung liegenden Gründen ausübe.
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Der Senat braucht nicht dazu Stellung zu nehmen, ob der von den Klägern gesehene Widerspruch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung tatsächlich gegeben ist. Jedenfalls im Streitfall wären die von den Klägern aufgeworfenen Fragen der Verteilung der Feststellungslast nicht klärungsfähig, weil das FG --trotz der von den Klägern zitierten missverständlichen Formulierung zu Beginn der Gründe der angefochtenen Entscheidung-- sein Urteil letztlich nicht auf die Regeln über die Feststellungslast, sondern auf seine Überzeugungsbildung gestützt hat. Dies gilt insbesondere für den zweiten Teil des zweigliedrigen Liebhabereitatbestands --die Feststellung von Umständen, die zeigen, dass der Steuerpflichtige die Verluste aus Gründen seiner Lebensführung hinnimmt--, auf den sich die von den Klägern gesehene vermeintliche Widersprüchlichkeit der höchstrichterlichen Rechtsprechung beziehen soll. Das FG hat hierzu festgestellt, das Patchworken sei eine Hobbytätigkeit, und die Klägerin habe ihren Betrieb nicht nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt. Hieran wäre der Senat auch in einem künftigen Revisionsverfahren gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO).
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c) Soweit die Kläger in diesem Zusammenhang ausführen, die Feststellungen des FG gäben nichts für dessen Würdigung her, die Klägerin habe Verluste mit anderen Einkünften ausgleichen wollen, ist darauf hinzuweisen, dass sich diese Aussage des FG ebenfalls nur in dessen --abstrakten-- Ausführungen zur Verteilung der Feststellungslast findet, letztlich für das angefochtene Urteil aber nicht tragend geworden ist.
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Im Übrigen geben die Kläger die Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung an dieser Stelle nicht zutreffend wieder. Sie weisen zwar zu Recht darauf hin, dass bei natürlichen Personen die Möglichkeit der Verrechnung "echter" --den Steuerpflichtigen wirtschaftlich belastender-- Verluste mit anderweitigen positiven Einkünften kein privates Motiv sei, das schon alleine zur Verneinung der Gewinnerzielungsabsicht führen könne. Etwas anderes gilt jedoch, wenn die Tätigkeit dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eröffnet, Kosten der privaten Lebensführung (z.B. anteilige Fixkosten ohnehin vorhandener Gegenstände wie PKW, Wohnung, Kommunikationsmittel oder Computer) in den einkommensteuerlich relevanten Bereich zu verlagern (vgl. zum Ganzen Senatsurteil vom 21. Juli 2004 X R 33/03, BFHE 207, 183, BStBl II 2004, 1063, unter II.3.c, m.w.N.). Vorliegend bot der Handel mit Patchworkstoffen der Klägerin die Möglichkeit, anteilige Raumkosten für das im Übrigen selbstgenutzte Wohnhaus sowie anteilige Fixkosten des im Übrigen privat genutzten PKW als Betriebsausgaben abzuziehen.
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d) Mit dem weiteren Vorbringen, das FG habe die von den Klägern im Schriftsatz vom 16. Mai 2011 vorgetragenen Umstrukturierungsmaßnahmen nicht hinreichend gewürdigt, wird weder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch ein anderer Zulassungsgrund geltend gemacht.
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Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die in diesem Schriftsatz behaupteten Maßnahmen nicht die Streitjahre 1994 bis 2005 betreffen, über die das FG allein entschieden hat. So hat die Klägerin nach ihrem eigenen --im genannten Schriftsatz enthaltenen-- Vorbringen erst ab 2006 auf die Geltendmachung von Aufwendungen für ein betriebliches Kraftfahrzeug verzichtet, was sie als "Umstrukturierung" ansieht. Die vorgelegten Rechnungen über Werbemaßnahmen betreffen die Jahre 2007 bis 2011.
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2. Der von den Klägern gerügte Verfahrensmangel liegt ebenfalls nicht vor.
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Die Kläger bringen hierzu vor, sie hätten mit Schriftsatz vom 25. September 2008 durch einen Antrag auf Erhebung eines Sachverständigengutachtens unter Beweis gestellt, dass die von der Klägerin eingekauften Stoffe keinem modischen Geschmack unterliegen und daher keinen Wertverlust erleiden würden. Diesen Beweisantrag habe das FG übergangen.
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Indes hat das FG seine Entscheidung, im Rahmen der Totalgewinnprognose den Warenbestand nicht mit dem von den Klägern behaupteten Wert anzusetzen, nicht nur auf eine eigene Bewertung des Warenbestands gestützt. Vielmehr hat es im Rahmen seiner Würdigung an erster Stelle darauf hingewiesen, dass bereits der Umfang des Warenbestands mangels hinreichend genauer Angaben der Kläger nicht habe ermittelt werden können.
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Die Sachaufklärungspflicht ist im Falle der Nichterhebung angebotener Beweise nur dann verletzt, wenn das Urteil des FG auf der unterbliebenen Beweisaufnahme beruhen kann (Senatsbeschluss vom 8. Juni 2011 X B 214/10, BFH/NV 2011, 2073, unter II.2.a, m.w.N.). Vorliegend hat das FG seine Würdigung aber auf mehrere, die Entscheidung jeweils selbständig tragende Gesichtspunkte gestützt. Die Kläger hätten daher, um die Revisionszulassung zu erreichen, auch hinsichtlich des weiteren tragenden Gesichtspunkts --des Fehlens genauer Angaben zum Umfang des Warenbestands-- Zulassungsgründe vortragen müssen. Daran fehlt es.
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