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BFH 20.09.2012 - IV R 43/10
BFH 20.09.2012 - IV R 43/10 - (Teilweise inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 20.09.2012 IV R 36/10 - Gewinnerzielungsabsicht - Längere Verlustperiode als Beweisanzeichen für persönliche Gründe - Mindestbesteuerung nicht verfassungswidrig)
Normen
§ 2 Abs 1 S 2 GewStG 2002, § 15 S 1 Nr 1 S 1 EStG 2002, § 15 Abs 2 S 1 EStG 2002, § 10a S 1 GewStG 2002 vom 23.12.2003, § 10a S 2 GewStG 2002 vom 23.12.2003, Art 3 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 4 GewStGuaÄndG, Art 14 Abs 1 S 1 GG, Art 14 Abs 1 S 2 GG, GewStG VZ 2006, EStG VZ 2006
Vorinstanz
vorgehend Hessisches Finanzgericht, 20. September 2010, Az: 8 K 2285/09, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Aus einer objektiv negativen Gewinnprognose kann nicht ohne weiteres gefolgert werden, dass der Steuerpflichtige auch subjektiv die Erzielung eines Totalgewinns nicht beabsichtigt hat. Ein solcher --widerlegbarer-- Schluss ist nur dann gerechtfertigt, wenn die verlustbringende Tätigkeit typischerweise dazu bestimmt und geeignet ist, der Befriedigung persönlicher Neigungen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkunftssphäre zu dienen (Bestätigung der Rechtsprechung) .
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2. NV: Bei anderen Tätigkeiten müssen zusätzliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Verluste aus persönlichen Gründen oder Neigungen hingenommen werden. Im Falle einer längeren Verlustperiode können die Reaktionen des Steuerpflichtigen auf die Verluste die Bedeutung wichtiger äußerer Beweisanzeichen erlangen. Fehlt es an dem Bemühen, die Verlustursachen zu ermitteln und ihnen mit geeigneten Maßnahmen zu begegnen, sind an die Feststellung persönlicher Gründe und Motive, die den Steuerpflichtigen trotz der Verluste zur Weiterführung seines Unternehmens bewogen haben könnten, keine hohen Anforderungen zu stellen (Bestätigung der Rechtsprechung) .
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3. NV: Ein vom Steuerpflichtigen erzielter erheblicher Gewinn ist nicht geeignet, Zweifel an der Gewinnerzielungsabsicht auszuräumen, wenn er nicht auf einer (erfolgreichen) Umstellung des geschäftlichen Konzepts, sondern auf der Verjährung einer Forderung beruht und offensichtlich nicht zu einem Totalgewinn führen kann .
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4. NV: Die Mindestbesteuerung nach § 10a Sätze 1 und 2 GewStG ist mit der Verfassung vereinbar .
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG, die ein Hotel betreibt. Im Streitjahr (2006) buchte sie eine Verbindlichkeit in Höhe von 2.437.961,91 € wegen Eintritts der Verjährung gewinnerhöhend aus. Das führte zu einem Gewinn in Höhe von 2.075.845 €. Zuvor hatte die Klägerin Verluste erwirtschaftet, woraus sich ein vortragsfähiger Gewerbeverlust zum 31. Dezember 2005 von 12.551.361 € ergeben hatte.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) legte den Gewinn erklärungsgemäß der Ermittlung des Gewerbeertrags zugrunde. Nach § 10a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) wurde der Gewerbeertrag um Fehlbeträge der Vorjahre in Höhe von 1.645.507 € gemindert. Dieser Betrag ergab sich dadurch, dass der Gewerbeertrag um 1 Mio. € zuzüglich 60 % des übersteigenden Betrags gekürzt wurde.
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Gegen den Gewerbesteuermessbescheid legte die Klägerin Einspruch ein und machte geltend, § 10a GewStG führe im Streitfall zu einer verfassungswidrigen Übermaßbesteuerung. Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück.
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Dagegen erhob die Klägerin Klage und trug vor, ihr Betrieb sei hoch defizitär. Von Beginn an habe kein positiver (laufender) Gewerbeertrag erzielt werden können. Bereits in der ersten Gewerbesteuererklärung 1991 sei ein Gewerbeverlust in Höhe von 596.831 DM erklärt worden. In den Folgejahren seien weitere Verluste in Millionenhöhe angefallen. Auf den 31. Dezember 2001 sei ein vortragsfähiger Gewerbeverlust in Höhe von 19.297.628 DM (9.866.721 €) festgestellt worden, der sich bis zum 31. Dezember 2005 auf 12.551.361 € erhöht habe. Bei operativen Umsatzerlösen zwischen 2 Mio. und 2,5 Mio. € seien auch danach operative Verluste erzielt worden. Der bisher niedrigste Jahresfehlbetrag sei im Geschäftsjahr 2006/2007 mit -48.000 € erzielt worden. Danach habe sich die Lage wieder verschlechtert.
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Mit den vorhandenen betrieblichen Mitteln und den Mitteln der alleinigen Kommanditistin sei der Betrieb nicht kostendeckend zu führen. Über das Vermögen der Kommanditistin sei im Jahr 2004 das persönliche Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Gewinn des Streitjahres (2006) sei lediglich ein Buchgewinn und kein operativer Gewinn, der zu keinerlei finanziellem Zufluss geführt und an der grundsätzlich desolaten Ertrags- und Vermögenslage nichts geändert habe. Die Anwendung des § 10a GewStG führe dazu, dass ein Buchgewinn der Gewerbesteuer unterworfen werde und insoweit niemals mehr ein Verlustausgleich vorgenommen werden könne.
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Geschäftsleitung und Gesellschafter hätten erkannt, dass das Hotel nicht gewinnträchtig geführt werden könne. Deshalb sei beabsichtigt, den Hotelbetrieb entweder an einen "Liebhaber" zu verkaufen oder den Hotelbetrieb einzustellen und mit dem Grundstück etwas anderes anzufangen. Im ersten Fall käme es zu einem Verlust der Unternehmeridentität, im zweiten zu einem Verlust der Unternehmensidentität, so dass der gewerbesteuerliche Verlustvortrag in Zukunft nicht mehr zu nutzen sei. Daraus ergebe sich eine übermäßige Steuerbelastung und damit die Verfassungswidrigkeit.
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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Das FA habe den Gewerbesteuermessbetrag in zutreffender Höhe festgesetzt. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 10a GewStG bestünden im Streitfall nicht. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 260 veröffentlicht.
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Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, sie werde dadurch in ihren Rechten verletzt, dass sie unter Verstoß gegen das verfassungsrechtlich gebotene Leistungsfähigkeitsprinzip im Ergebnis mit Gewerbesteuer belastet werde, obwohl steuerbare Gewinne nicht entstanden seien und klar ersichtlich sei, dass ein Verlustausgleich nicht mehr möglich sein werde.
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Das Bundesministerium der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zwar hat das FG eine verfassungswidrige Übermaßbesteuerung durch § 10a Satz 2 GewStG zutreffend verneint. Es ist dabei aber von einer Gewinnerzielungsabsicht der Klägerin ausgegangen, ohne diesbezüglich tatsächliche Feststellungen getroffen zu haben.
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1. Ein Gewerbebetrieb, für den ein Gewerbeertrag nach §§ 7 ff. GewStG zu ermitteln ist, setzt eine Betätigung voraus, die mit der Absicht unternommen wird, Gewinn zu erzielen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Die Frage, ob ein gewerbliches Unternehmen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG und ein stehender Gewerbebetrieb i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG vorliegt, ist insoweit nach übereinstimmenden Grundsätzen zu entscheiden, auch wenn die Begriffe des gewerblichen Unternehmens in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG und des Gewerbebetriebs in § 2 Abs. 1 GewStG in zeitlicher Hinsicht Unterschiede aufweisen (Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C.III.3.b aa (2) der Gründe).
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a) Gewinnerzielungsabsicht ist das Bestreben, das Betriebsvermögen zu mehren und auf Dauer einen Totalgewinn zu erzielen (grundlegend Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C.IV.3.c der Gründe). Angestrebt werden muss ein positives Ergebnis zwischen Betriebsgründung und Betriebsbeendigung, und zwar auf Grund einer Betätigung, die, über eine größere Zahl von Jahren gesehen, auf die Erzielung positiver Ergebnisse hin angelegt ist (u.a. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C.IV.3.c aa der Gründe).
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b) Als innere Tatsache lässt sich die Gewinnerzielungsabsicht nur anhand äußerer Umstände feststellen (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C.IV.3.c der Gründe). In objektiver Hinsicht ist eine Prognose darüber anzustellen, ob der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf Dauer geeignet ist, einen Gewinn zu erwirtschaften. Dass der Steuerpflichtige auch subjektiv die Erzielung eines Totalgewinns nicht beabsichtigte, kann aus einer objektiv negativen Gewinnprognose nicht ohne weiteres gefolgert werden. Ein solcher --widerlegbarer-- Schluss ist nur dann gerechtfertigt, wenn die verlustbringende Tätigkeit typischerweise dazu bestimmt und geeignet ist, der Befriedigung persönlicher Neigungen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkunftssphäre zu dienen (BFH-Urteil vom 19. März 2009 IV R 40/06, BFH/NV 2009, 1115, unter II.1.a der Gründe). Bei anderen Tätigkeiten müssen zusätzliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Verluste aus persönlichen Gründen oder Neigungen hingenommen werden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 31. Mai 2001 IV R 81/99, BFHE 195, 382, BStBl II 2002, 276).
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c) Übt der Steuerpflichtige --wie hier-- eine Tätigkeit aus, die nicht typischerweise in der Nähe des Hobbybereichs anzusiedeln ist, können im Falle einer längeren Verlustperiode die Reaktionen des Steuerpflichtigen auf die Verluste die Bedeutung wichtiger äußerer Beweisanzeichen erlangen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 2. Juni 1999 X R 149/95, BFH/NV 2000, 23, unter II.1. der Gründe). So spricht vor allem das fehlende Bemühen, die Verlustursachen zu ermitteln und ihnen mit geeigneten Maßnahmen zu begegnen, für sich genommen schon dafür, dass langjährige Verluste aus im persönlichen Bereich liegenden Neigungen und Motiven hingenommen werden (BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 1115, unter II.2.b der Gründe, m.w.N.). An die Feststellung persönlicher Gründe und Motive, die den Steuerpflichtigen trotz der Verluste zur Weiterführung seines Unternehmens bewogen haben könnten, sind in einem solchen Fall keine hohen Anforderungen zu stellen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 23. Mai 2007 X R 33/04, BFHE 218, 163, BStBl II 2007, 874, unter II.2.b bb der Gründe).
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d) Die Feststellung, ob ein Steuerpflichtiger mit Gewinnerzielungsabsicht gehandelt hat oder nicht, liegt im Wesentlichen auf dem Gebiet der Tatsachenwürdigung. Sie obliegt daher dem FG (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Mai 2009 VIII B 76/08, juris).
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2. Vorliegend ist danach zweifelhaft, ob die Klägerin im Streitjahr mit Gewinnerzielungsabsicht tätig geworden ist.
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a) Die Klägerin hat bereits im Klageverfahren geltend gemacht, ihr Betrieb sei hoch defizitär. Von Beginn an habe kein (laufender) Gewinn erzielt werden können. Bereits in der ersten, aus Sicht des Streitjahres 15 Jahre zurückliegenden Gewerbesteuererklärung sei ein hoher Gewerbeverlust erklärt worden. Ein Ausgleich der bis zum Beginn des Streitjahres insgesamt angefallenen vortragsfähigen Gewerbeverluste (12.551.361 €) sei nicht möglich.
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b) Der im Streitjahr von der Klägerin erzielte erhebliche Gewinn ist nicht geeignet, die Zweifel an der Gewinnerzielungsabsicht auszuräumen. Denn er beruht nicht auf einer (erfolgreichen) Umstellung des geschäftlichen Konzepts der Klägerin, sondern auf der Verjährung einer Forderung und konnte offensichtlich auch nicht zu einem Totalgewinn führen.
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c) Das FG hat die Frage, ob die Klägerin mit Gewinnerzielungsabsicht tätig geworden ist, nicht (erkennbar) geprüft. Dem angefochtenen Urteil lassen sich die erforderlichen Feststellungen nicht entnehmen. Der Senat kann daher nicht entscheiden, ob die Beteiligten und das FG zutreffend davon ausgegangen sind, dass die Klägerin im Streitjahr einen positiven Gewerbeertrag --vor Abzug der Fehlbeträge nach § 10a GewStG-- erzielt hat.
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3. Durch die Zurückverweisung erhält das FG Gelegenheit, die erforderlichen Feststellungen dazu zu treffen, ob die Klägerin im Streitjahr eine den vorstehenden Anforderungen entsprechende Absicht zur Gewinnerzielung hatte. Sollten die Feststellungen eine solche Absicht ergeben, könnte die Klage wegen der Anwendung des § 10a Sätze 1 und 2 GewStG keinen Erfolg haben. Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 20. September 2012 in der Sache IV R 36/10, BFHE 238, 429, entschieden hat, ist die Mindestbesteuerung nach § 10a Sätze 1 und 2 GewStG mit der Verfassung vereinbar.
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