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BFH 16.06.2010 - X B 91/09
BFH 16.06.2010 - X B 91/09 - Ergehen eines Änderungsbescheides während des NZB-Verfahrens - Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung - kein Verstoß gegen Recht auf Akteneinsicht
Normen
§ 127 FGO, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 78 Abs 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO
Vorinstanz
vorgehend Hessisches Finanzgericht, 27. Mai 2009, Az: 4 K 47-48/08, Urteil
nachgehend BFH, 14. Oktober 2010, Az: X S 24/10, Beschluss
Leitsatz
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1. NV: Eine Vorentscheidung ist dann nicht entsprechend § 127 FGO aufzuheben, wenn der Änderungsbescheid keine gegenüber den bisherigen Belastungen verbösernde Entscheidung enthält oder diese Entscheidung nicht streitig ist.
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2. NV: Zur schlüssigen Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtssache muss der Beschwerdeführer aufzeigen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtfrage zweifelhaft und streitig ist. Dazu gehört auch, dass er sich mit der zu dieser Rechtsfrage bereits vorhandenen Rechtsprechung auseinandersetzt und substantiiert darlegt, weshalb nach seiner Ansicht diese Rechtsprechung keine Klärung herbeigeführt hat.
Gründe
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Die Beschwerde der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat keinen Erfolg.
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Um die Zulassung der Revision zu erreichen, muss der Beschwerdeführer in der von § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebotenen Form darlegen, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert oder ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 FGO). Dieses ist den Klägern entweder nicht gelungen oder die Voraussetzungen für eine Zulassung liegen nicht vor.
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1. Der vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) geänderte Bescheid für 2005 über Einkommensteuer, Zinsen zur Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer (Einkommensteuerbescheid) sowie der Bescheid zum 31. Dezember 2005 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer (Verlustfeststellungsbescheid) jeweils vom 6. November 2009 sind in entsprechender Anwendung des § 68 FGO Gegenstand des Beschwerdeverfahrens geworden (vgl. dazu u.a. BFH-Beschlüsse vom 18. Dezember 2003 II B 31/00, BFHE 204, 35, BStBl II 2004, 237, und vom 31. Mai 2005 VIII B 294/03, BFH/NV 2005, 1832).
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Ergeht während des Verfahrens über eine zulässige, aber unbegründete Nichtzulassungsbeschwerde ein Änderungsbescheid, ist die Vorentscheidung entsprechend § 127 FGO aufzuheben und die Sache an das Finanzgericht (FG) zurückzuverweisen. Die Vorentscheidung ist jedoch nicht entsprechend § 127 FGO aufzuheben, wenn der Änderungsbescheid keine gegenüber den bisherigen Belastungen verbösernde Entscheidung enthält oder diese Entscheidung nicht streitig ist (z.B. BFH-Beschlüsse vom 31. März 2006 V B 13/04, BFH/NV 2006, 1492; in BFH/NV 2005, 1832, m.w.N.; vom 8. Februar 2007 IV B 138/05, BFH/NV 2007, 1326).
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Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Durch den Änderungsbescheid vom 6. November 2009 wurden ebenso wie durch den dem finanzgerichtlichen Urteil zugrundeliegenden Bescheid vom 7. Oktober 2008 die Bescheide der Kläger über den verbleibenden Verlustvortrag aufgehoben. Der Einkommensteuerbescheid vom 6. November 2009 änderte den Einkommensteuerbescheid vom 7. Oktober 2007 und verringerte aufgrund eines Feststellungsbescheides vom 8. Oktober 2009 die Einkünfte der Kläger aus Grundstücksgemeinschaften. Diese Änderung ist vom FG zwar nicht überprüft worden; die Einkünfte sind jedoch zwischen den Beteiligten nicht streitig, da auch die Kläger mit Schreiben vom 24. November 2009 beantragt haben, die geänderten Bescheide zum Gegenstand der Verfahren zu machen. Eine Zurückverweisung war daher nicht erforderlich.
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2. Der von den Klägern geltend gemachte Verfahrensmangel, die Verletzung des rechtlichen Gehörs wegen Nichtgewährung von Akteneinsicht (§ 78 Abs. 1 FGO), ist nicht gegeben. Ein Verstoß gegen § 78 Abs. 1 FGO liegt nur vor, wenn der Klägerin die Akteneinsicht ausdrücklich verwehrt wurde. § 78 Abs. 1 Satz 1 FGO geht nämlich davon aus, dass die Beteiligten jederzeit bei der Geschäftsstelle des Gerichts in die Gerichtsakten und in die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen können (BFH-Beschluss vom 6. Mai 1998 II B 109/97, BFH/NV 1998, 1498). Laut FG-Akte hat das FG die Akten dem FA mit Schreiben vom 7. Februar 2008 zugeleitet und gebeten, den Klägern die Akteneinsicht zu ermöglichen (Bl. 53 der FG-Akte). Das FA hat die Akten am 25. März 2008 zurückgegeben und darauf hingewiesen, eine Einsichtnahme sei trotz Ankündigung der Kläger vom 19. Februar 2008, binnen vier Wochen Einsicht nehmen zu wollen, nicht erfolgt (Bl. 116 der FG-Akte).
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3. Die Revision kann nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zugelassen werden. Für die Darlegung der Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) muss der Beschwerdeführer konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Er muss zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Erforderlich ist ferner ein konkreter und substantiierter Vortrag, warum im Einzelnen die Klärung der Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt, also ein Vortrag zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit (vgl. BFH-Beschlüsse vom 2. April 2002 VII B 66/01, BFH/NV 2002, 1308, und vom 28. August 2003 VII B 71/03, BFH/NV 2004, 493).
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An einem solchen substantiierten Vorbringen mangelt es.
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a) Die Kläger stellen die von ihnen als rechtserheblich angesehenen Rechtsfragen, ob sämtliche Steuerbescheide, die nach der Klageerhebung erlassen und damit zum Gegenstand des Klageverfahrens werden, inhaltlich in die Entscheidung aufzunehmen seien oder ob das Gericht seine Entscheidung ausschließlich auf den ersten ergangenen Bescheid stützen könne. Die Kläger haben hinsichtlich der von ihnen formulierten Fragen substantiiert weder deren Klärungsbedürftigkeit noch deren Klärungsfähigkeit dargelegt. Sie beschränken sich lediglich auf die pauschale Behauptung, es sei ein allgemeines Interesse an der Beantwortung dieser Fragen gegeben. Das reicht allein nicht aus.
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b) Die nicht weiter begründete Behauptung der Kläger, der Verlustabzug werde zu Unrecht vor dem Abzug der Sonderausgaben, insbesondere der für die Altersversorgung eines Freiberuflers wichtigen Vorsorgeaufwendungen, durchgeführt und somit gekürzt, ist ebenfalls unsubstantiiert. Das Vorbringen kann auch deswegen nicht entscheidungserheblich sein, weil mit bestandskräftigem Bescheid vom 29. September 2008 der verbleibende Verlustvortrag zum 31. Dezember 2004 auf 0 € festgesetzt worden war. Dieser Bescheid ist als Grundlagenbescheid für die Einkommensteuerfestsetzung des Streitjahres 2005 bindend, so dass sich die Frage der Reihenfolge der Berücksichtigung des Verlustabzugs nach § 10d des Einkommensteuergesetzes (EStG) und der Sonderausgaben im Streitfall nicht (mehr) stellt.
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c) Dasselbe gilt für den Gedanken der Kläger, die zu Unrecht durchgeführte Kürzung des Verlustvortrags verdränge verfassungswidrig den Abzug der Vorsorgeaufwendungen für die Altersversorgung und die Krankenversicherung. Zudem bleiben die Kläger auch hier eine nähere Erläuterung ihrer These schuldig.
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d) Soweit die Kläger unter Hinweis auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 30. Juli 2008 IV B 5 -S 2118- a/07/10014 (BStBl I 1984, 810) lediglich behaupten, sämtliche Beteiligungseinkünfte seien unzutreffend festgestellt worden, reicht dieses Vorbringen nicht aus, um substantiiert die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen. Es wird nicht klar, ob die Kläger die Auffassung vertreten, das BMF-Schreiben setze die europarechtliche Problematik des § 2a Abs. 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung nicht richtig um, oder ob sie meinen, das BMF-Schreiben sei in ihrem Fall nicht oder nicht korrekt angewandt worden, was jedoch vor dem Hintergrund der darin enthaltenen Übergangsregelung in Tz. 4 wenig wahrscheinlich ist.
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4. Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO gehört u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidungen sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung deutlich erkennbar zu machen. Vor allem ist auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handelt (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 48).
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Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben.
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a) Die Kläger nennen als Divergenzentscheidungen die Entscheidungen des BFH vom 11. November 1993 IV R 119/92 (BFH/NV 1994, 444) und vom 29. Mai 2007 I B 140/06 (BFH/NV 2007, 2050). Beide Verfahren haben die Begründungspflicht einer Prüfungsanordnung zum Gegenstand. Worin eine identische Rechtsfrage liegen soll, wird von den Klägern nicht dargelegt und ist auch für den Senat nicht erkennbar.
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b) In dem ebenfalls von den Klägern aufgeführten Beschluss vom 3. August 2000 III B 179/96 (BFHE 192, 255, BStBl II 2001, 33) hat der BFH entschieden, bei Streit über die Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheides, der von einem noch ausstehenden oder noch nicht bestandskräftigen Grundlagenbescheid abhängig sei, könne aus prozessökonomischen Gründen ausnahmsweise eine Aussetzung des Klageverfahrens nicht geboten sein oder ein ausgesetztes Verfahren wieder aufgenommen werden. Auch hier ist eine Relevanz der Streitfrage für das vorliegende Verfahren nicht ersichtlich. Wenn die Kläger meinen, aufgrund dieses Beschlusses seien die von dem angefochtenen Verlustfeststellungsbescheid zum 31. Dezember 2005 abhängenden Folgebescheide von Amts wegen auszusetzen, übersehen sie, dass der Einkommensteuerbescheid 2006 sowie der Verlustfeststellungsbescheid zum 31. Dezember 2006 nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sind.
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