BVerfG 04.04.2012 - 2 BvR 24/11 - Nichtannahmebeschluss: Unzulässigkeit einer Urteilsverfassungsbeschwerde mangels hinreichender Substantiierung (§§ 23 Abs 1 S 2, 92 BVerfGG) - Auferlegung einer Missbrauchsgebühr iHv 1000 Euro zu Lasten des Bevollmächtigten des Beschwerdeführers wegen Wiederholung einer bereits abgelehnten Verfassungsbeschwerde
Normen
§ 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 34 Abs 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG
Vorinstanz
vorgehend OLG München, 20. September 2010, Az: 2 Ws 437/10, Beschluss
vorgehend OLG München, 21. Juli 2010, Az: 2 Ws 437/10, Beschluss
vorgehend OLG München, 26. Mai 2009, Az: 2 Ws 1122/07, Beschluss
vorgehend OLG München, 14. April 2009, Az: 2 Abl. 1/09, Beschluss
vorgehend OLG München, 20. Oktober 2008, Az: 2 Abl. 2/08, Beschluss
vorgehend OLG München, 29. September 2008, Az: 2 Abl. 2/08, Beschluss
vorgehend OLG München, 29. Februar 2008, Az: 2 Ws 156/08, Beschluss
vorgehend LG München I, 31. Oktober 2007, Az: 11 KLs 455 Js 314720/07, Beschluss
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
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Dem Bevollmächtigen des Beschwerdeführers wird eine Missbrauchsgebühr in Höhe von 1.000 € (in Worten: eintausend Euro) auferlegt.
Gründe
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft - vornehmlich - die Eignung eines ohne Exploration des Betroffenen erstellten Sachverständigengutachtens
über dessen psychische Erkrankung und die Glaubhaftigkeit seiner Aussagen für einen auf dieses Gutachten gestützten Wiederaufnahmeantrag
im Strafverfahren.
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1. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht gegeben
sind. Sie hat weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs.
1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg, weil sie bereits unzulässig
ist. Sie zeigt entgegen den Anforderungen aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG nicht substantiiert und schlüssig die Möglichkeit
der Verletzung von Grundrechten oder ihnen nach § 90 Abs. 1 BVerfGG gleichgestellten Rechten durch die angefochtenen Entscheidungen
auf. Zur notwendigen Begründung einer Verfassungsbeschwerde gehört die substantiierte Darlegung, mit welchen verfassungsrechtlichen
Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidiert (vgl. BVerfGE 108, 370 386>), wobei auch schlüssig darzulegen ist, inwieweit
durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll (vgl. BVerfGE 99, 84 87>).
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Die umfangreichen Ausführungen der Verfassungsbeschwerde kreisen um das Postulat einer "Berufungsersatzfunktion der Wiederaufnahme
in Verfahren mit nur einer Tatsacheninstanz", zeigen aber weder auf, weshalb Art. 19 Abs. 4 GG oder das allgemeine Rechtsstaatsprinzip,
die keinen Instanzenzug und damit auch keine zweite Tatsacheninstanz gewährleisten, die Möglichkeit einer nahezu voraussetzungslosen
Überprüfbarkeit rechtskräftiger Entscheidungen erfordern sollten, noch, warum die Gerichte unter Berücksichtigung der widerstreitenden
verfassungsrechtlichen Güter der formellen Rechtssicherheit und der materiellen Gerechtigkeit das vom Beschwerdeführer vorgelegte
und nach Auffassung des Fachgerichts den fachspezifischen Anforderungen nicht genügende Sachverständigengutachten als Beweismittel
im Wiederaufnahmeverfahren für geeignet hätten halten müssen.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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2. Die Auferlegung einer Missbrauchsgebühr beruht auf § 34 Abs. 2 BVerfGG. Danach kann das Bundesverfassungsgericht eine Gebühr
bis zu 2.600 € auferlegen, wenn die Einlegung der Verfassungsbeschwerde einen Missbrauch darstellt. Ein Missbrauch liegt vor,
wenn die Verfassungsbeschwerde offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist und ihre Einlegung deshalb von jedem Einsichtigen
als völlig aussichtslos angesehen werden muss, etwa bei einer völlig substanzlosen Verfassungsbeschwerde oder wenn es sich
um eine lediglich in ein neues Gewand gekleidete Wiederholung einer bereits abgelehnten Verfassungsbeschwerde handelt (vgl.
etwa BVerfGK 6, 219; 10, 94 97>; stRspr).
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So verhält es sich hier. Der Beschwerdeführer wird von demselben Verfahrensbevollmächtigten vertreten wie im Verfahren 2 BvR
693/07, in dem die Verfassungsbeschwerde gegen die Zurückweisung eines früheren Wiederaufnahmeantrags durch Kammerbeschluss
gemäß §§ 93b, 93a BVerfGG nicht zur Entscheidung angenommen wurde. Dennoch lassen die jetzigen Begründungsausführungen keine
substantiellen Unterschiede zu jener Verfassungsbeschwerde erkennen, obwohl beide Verfahren hinsichtlich Vorgeschichte und
der vorgebrachten Rügen, insbesondere des Postulats einer "Berufungsersatzfunktion der Wiederaufnahme in Verfahren mit nur
einer Tatsacheninstanz" im Wesentlichen identisch sind. Von einem Rechtsanwalt und Honorarprofessor für Strafrecht, der ein
Mandat zur Führung eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht annimmt, ist zu verlangen, dass er die Erfolgsaussichten
einer beabsichtigten Verfassungsbeschwerde eingehend abwägt und sich entsprechend den Ergebnissen ihrer Prüfung verhält (BVerfG,
Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. August 2010 - 1 BvR 1584/10 -, juris, Rn. 7 m.w.N.). Dies gilt erst recht,
wenn es sich bei der Verfassungsbeschwerde inhaltlich um die Wiederholung einer vorangegangenen handelt (vgl. BVerfG, Beschlüsse
der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. Oktober 2011 - 2 BvR 1064/11 -, juris; der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. Januar
2012 - 1 BvR 1873/11 -, juris).
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.