Genau definiert: psychische Belastung und Beanspruchung
Beim Thema „Psychische Arbeitsbelastungen“ existieren zwei unterschiedliche Begrifflichkeiten. Die Europäische Norm EN ISO 10075-1 „Ergonomische Grundlagen bezüglich psychischer Arbeitsbelastung“ definiert sie.
Danach sind
- Psychische Belastungen: die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken
- Psychische Beanspruchung: die unmittelbare (nicht langfristige) Auswirkung der psychischen Belastung im Individuum in Abhängigkeit von seinen jeweiligen überdauernden und augenblicklichen Voraussetzungen, einschließlich der individuellen Bewältigungsstrategien
Krisensituationen von Arbeitnehmern in Zahlen
Die Zahl der psychischen Erkrankungen und die daraus resultierenden Fehltage stiegen seit 2010 um 56 Prozent. Der Fehlzeiten-Report 2023 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) ermittelte, dass psychische Erkrankungen bei den AOK-versicherten Beschäftigten 2022 mit 10,3 Prozent aller Krankheitsfälle die dritthäufigste Krankmeldungsursache waren. Psychische Erkrankungen bringen zudem häufig lange Ausfallzeiten mit sich. Im Schnitt dauerten sie 29,6 Tage – das ist mehr als doppelt so lang wie die durchschnittliche Zahl der Krankheitstage bei anderen Erkrankungen, die bei 11,3 Tagen liegt.
Krisen von Beschäftigten erkennen
Krisen können entstehen durch:
- Konflikte innerhalb eines Teams, beispielsweise durch Mobbing
- Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes beziehungsweise Arbeitslosigkeit
- Private Ereignisse (zum Beispiel Scheidung, Erkrankung, Todesfall)
Im Beruf macht sich diese extreme Belastung meist in der Qualität der Arbeit oder auch in der Person bemerkbar. Die Betroffenen sind dann weniger belastbar, manchmal reizbar oder auch traurig und sie können sich schlechter konzentrieren.
Langfristig wirken akute, vor allem aber auch unbewältigte chronische Krisen auf die Gesundheit der Betroffenen. Dies kann zu körperlichen Krankheiten führen.
Krisen bekämpfen und vorbeugen
Führungskräfte und Mitarbeitende verhalten sich am besten sensibel und gesundheitsförderlich.
- Häufig hilft den Betroffenen ein offenes Gespräch mit den Vorgesetzten oder vertrauten Mitarbeitenden. Dabei kann darüber nachgedacht werden, wie die Krise überwunden wird.
- Wichtig ist, dass sowohl Vorgesetzte als auch direkte Mitarbeitende verständnis- und rücksichtsvoll mit den Betroffenen umgehen.
- Anders ist das bei Konflikten im Team: Hier können professionelle Mediatonspersonen am besten helfen – gerade, wenn Führungskräfte dabei selbst Unterstützung brauchen oder gar in Konflikte involviert sind.
Mobbing
Im Berufsleben versteht man unter Mobbing eine über einen längeren Zeitraum regelmäßig wiederkehrende und andauernde, bewusst eingesetzte psychische Aggression von Beschäftigten und Führungskräften gegen Mitarbeitende. Oft liegt Mobbinghandlungen ein ungelöster Konflikt zugrunde. Aber nicht jede Konfliktsituation am Arbeitsplatz ist Mobbing.
Mobbing kann viele Ursachen haben. Vielfach steht es im Zusammenhang mit Stress und Burn-out. Auch das Arbeitsklima und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden haben großen Einfluss auf die Entstehung von Mobbing.
Unternehmen helfen ihren Mitarbeitenden, indem sie ein offenes Ohr für deren Probleme haben und gemeinsam mit ihnen nach Lösungen suchen. Diese Aufgabe ist also im Wesentlichen von der Führung im Unternehmen zu leisten. Sobald Vorgesetzte Mobbing im Betrieb beobachten, müssen sie einschreiten.
Vereinsamung im Homeoffice erkennen
Seit Beginn der Coronapandemie hat sich in vielen Unternehmen die Umstellung auf die Arbeit im Homeoffice bewährt. Das bringt neben dem Infektionsschutz auch weitere Vorzüge wie flexibel gestaltbare Arbeitszeiten mit sich. Es gibt aber auch Schattenseiten, die Führungskräfte im Blick behalten sollten. Vor allem der fehlende Kontakt zu den Mitarbeitenden belastet über die Hälfte der Beschäftigten (50,2 Prozent) am meisten. Das ergab eine Umfrage im Auftrag der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) , für die 1.000 Beschäftigte, die zu Hause arbeiten, befragt wurden.
Die Fachleute der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) warnen davor, dass der mangelnde soziale Austausch Gefühle von Einsamkeit und Isolation fördere, zu einem Anstieg des Stresserlebens, einer geringeren Arbeitszufriedenheit und sogar zu Depressionen führen könne.
Einsamkeit und Isolation bekämpfen und vorbeugen
Führungskräfte können viel dafür tun, einem Gefühl der Einsamkeit entgegenzuwirken. Bewährt und empfehlenswert sind folgende Maßnahmen, um Mitarbeitende zu unterstützen:
- In regelmäßigen Feedbackgespräche erfragen, welche Sorgen und Herausforderungen die Mitarbeitenden bei der Arbeit im Homeoffice beschäftigen.
- Hybride Modelle entwickeln, die Homeoffice und Präsenzarbeit in einem gesunden Verhältnis mischen.
- Onlineschulungen anbieten, die beim Umgang mit digitalen Medien und Kommunikationstools unterstützen.
- Gruppenaktivitäten der Mitarbeitenden in den Pausen oder außerhalb der Arbeitszeiten anstoßen, um auch den informellen privaten Austausch zu fördern, etwa im Rahmen von virtuellen Kaffeepausen.
- Psychologische Angebote wie einen Betriebspsychologen als Anlaufstelle bei sozialer Isolation zur Verfügung stellen.
Burn-out erkennen
Der englische Begriff „Burn-out“ bedeutet „ausbrennen“ und bezeichnet einen chronischen Erschöpfungszustand. Betroffene fühlen sich krank und regelrecht „ausgebrannt“.
Burn-out als Syndrom anerkannt
Fachleute im Gesundheitswesen orientieren sich bei ihrer Arbeit oft an der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten (ICD) der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die WHO hat auf ihrer Jahresversammlung 2019 einen überarbeiteten Katalog der Krankheiten verabschiedet, der am 1. Januar 2022 in Kraft tritt. Darin ist Burn-out erstmals als Syndrom aufgrund von „chronischem Stress am Arbeitsplatz, der nicht erfolgreich verarbeitet wird“ definiert.
Dabei sehen die Gesundheitsfachleute drei Dimensionen des Syndroms: ein Gefühl von Erschöpfung, eine zunehmende geistige Distanz oder negative Haltung zum eigenen Job sowie verringertes berufliches Leistungsvermögen. Zudem weist die WHO darauf hin, dass der Begriff Burn-out ausschließlich im beruflichen Zusammenhang und nicht „für Erfahrungen in anderen Lebensbereichen“ verwendet werden sollte.
Gefährdet sind häufig Menschen, die unter Dauerstress stehen und keine Gelegenheit haben, ihren „Akku“ wieder aufzuladen. Nicht der Stress selbst ist das Problem, sondern der Verlust der Erholungsfähigkeit. Das Burn-out-Syndrom ist nur die letzte Phase einer Entwicklung, die sich über Monate oder sogar Jahre hinziehen kann.
Der Weg dazu kann unterschiedlich verlaufen. Häufige Einflussfaktoren sind jedoch:
- Arbeitsüberlastung
- Mangelnde Wertschätzung
- Fehlende Abgrenzung zum Privatleben
- Perfektionismus
- Selbstüberschätzung
- Reduzierte Stresstoleranz
Burn-out bekämpfen und vorbeugen
Wenn das Burn-out-Syndrom noch nicht weit fortgeschritten ist, hilft eventuell ein klärendes Gespräch, um über die eigenen Sorgen offen mit Angehörigen, Freunden oder auch Vorgesetzten zu sprechen. Weitere Maßnahmen können sein:
- Schutzfaktoren entwickeln, um mit Belastungen besser umgehen zu können. Sie können im Rahmen betrieblicher Gesundheitsförderung entwickelt und gefördert werden, zum Beispiel durch achtsamkeitsbasierte Stressmanagementprogramme.
- Entspannungstechniken wie autogenes Training und progressive Muskelentspannung helfen, abzuschalten und neue Kraft zu tanken. Zum Stressabbau besonders gut geeignet sind Ausdauersportarten wie Joggen, Schwimmen oder Radfahren.
- Außerdem sollten Gestresste genügend schlafen und sich ausgewogen ernähren.
- Um die psychischen Belastungen zu minimieren und ihnen so auch zukünftig präventiv entgegenzuwirken, ist es sinnvoll, alle Aspekte einer Tätigkeit systematisch auf potenzielle Belastungsfaktoren zu überprüfen. Hier eignet sich insbesondere die psychische Gefährdungsbeurteilung.