Rechtsdatenbank
Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
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Ziff. 2.1. PflBer-RL
Ziff. 2.1. PflBer-RL, Ermitteln des Hilfe- und Unterstützungsbedarfs
(1) 1 Die Pflegeberaterin oder der Pflegeberater soll zu Beginn des Beratungsprozesses den Hilfe- und Unterstützungsbedarf der anspruchsberechtigten Person ermitteln. 2 Dies ist notwendig, damit die konkreten Inhalte, Ziele und Maßnahmen der Pflegeberatung gemeinsam entwickelt und festgelegt werden können und die Versorgung den individuellen Bedürfnissen entspricht. 3 Bei der Ermittlung des Hilfe- und Unterstützungsbedarfs sind auch besondere Bedarfe, z. B. von Personen mit demenziellen Erkrankungen oder mit typischen krankheitsbedingten Einschränkungen, beispielsweise nach einem Schlaganfall, von Personen mit Migrationshintergrund 1 , mit pflegebedürftigen Kindern oder von Pflegebedürftigen mit berufstätigen pflegenden Angehörigen zu berücksichtigen.
(2) Der Hilfe- und Unterstützungsbedarf ist zu ermitteln, indem die Pflegeberaterin oder der Pflegeberater
- 1. die Ergebnisse aus der Begutachtung zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach § 18 SGB XI (Ergebnisse der Module 1 bis 6 und der Bereiche 7 und 8 der BRi 2 ) sowie die Präventions- und Rehabilitationsempfehlungen nach § 18a SGB XI und die Inhalte der Beratung in der eigenen Häuslichkeit nach § 37 Absatz 3 SGB XI in die Pflegeberatung einbezieht, sofern die anspruchsberechtigte Person zustimmt 3 .
- 2. sich im Gespräch mit der ratsuchenden Person zunächst die Situation (beispielsweise die Alltagsbewältigung, Aufgabenverteilung im Rahmen der Pflege etc.) schildern lässt und Raum für Fragen einräumt, die ggf. auch bereits auf einen bestimmten Hilfe- und Unterstützungsbedarf schließen lassen können.
- 3. gezielt Fragen stellt und beobachtet. Dadurch können vorhandene Ressourcen (z. B. Unterstützung von Angehörigen) berücksichtigt und weitere Informationen zum Hilfe- und Unterstützungsbedarf gesammelt werden, die es ermöglichen, in Abstimmung mit der ratsuchenden Person Prioritäten im Beratungsprozess festzulegen. Die Pflegeberaterin oder der Pflegeberater soll dabei insbesondere die folgenden Aspekte berücksichtigen:
- - Gesundheitliche Situation der/des Anspruchsberechtigten:
- Der individuelle Hilfe- und Unterstützungsbedarf der/des Anspruchsberechtigten wird von ihrem/seinem gesundheitlichen Zustand und dessen Auswirkungen auf ihre/seine körperlichen, mentalen/kognitiven, kommunikativen und sensorischen Fähigkeiten bestimmt. Zu berücksichtigen sind insbesondere spezifische medizinisch-pflegerische Versorgungserfordernisse, die sich aus den zugrundeliegenden Gesundheitsproblemen der/des Anspruchsberechtigten ergeben sowie die eigenen Bewältigungsstrategien und der selbständige Umgang mit der gesundheitlichen Situation.
- - Hilfe- und Unterstützungsbedarf bei der alltäglichen Lebensführung:
- Körperliche, mentale, kommunikative und sensorische Beeinträchtigungen können einen Unterstützungsbedarf in der Selbstversorgung (z. B. beim Waschen, Anziehen, Essen, bei der Beachtung von Hygiene etc.), bei der Haushaltsführung (z. B. beim Einkaufen, Kochen, Putzen etc.), bei der Regelung finanzieller und rechtlicher Angelegenheiten (z. B. Behördengänge, Antragstellung etc.) notwendig machen, aber auch Hilfen zur sozialen Teilhabe erfordern — wie etwa bei der Pflege sozialer Kontakte und der Teilnahme an außerhäuslichen Aktivitäten.
- - Wohn- und Lebenssituation der/des Anspruchsberechtigten:
- Der individuelle Hilfe- und Unterstützungsbedarf ist von der Lebenssituation der/des Anspruchsberechtigten abhängig, von seiner Lebensform (z. B. alleinlebend, mit Partner oder Partnerin etc.) und der Beschaffenheit seines Wohnumfeldes (z. B. Lage, Größe, Erreichbarkeit der Wohnung oder der einzelnen Räume etc.).
- - Hilfe- und Unterstützungsbedarf im Bereich der Mobilität:
- Ein Hilfe- und Unterstützungsbedarf kann sowohl im häuslichen Bereich (z. B. beim Fortbewegen im direkten Wohnumfeld, beim Aufstehen und Zubettgehen) als auch außerhalb des Wohnumfeldes bestehen und steht im Zusammenhang mit vorhandenen Hilfsmitteln (z. B. Rollstuhl, Rampe etc.), den Fähigkeiten der/des Anspruchsberechtigten, diese zu verwenden sowie den konkreten Bedingungen ihrer/seiner individuellen Wohnsituation (z. B. Treppen, Aufzug, Badezimmer etc.).
- - Situation der Angehörigen oder weiterer Personen 4 :
- Die Pflegeberaterin oder der Pflegeberater soll sich aus Sicht der Angehörigen oder weiterer Personen schildern lassen und berücksichtigen, wie die Bewältigung der Pflege und Versorgung der/des Anspruchsberechtigten gelingt und welche Hilfe und Unterstützung sie benötigen. Hierbei sind Überlastungen beispielsweise durch mangelnde soziale Kontakte/Unterstützung, eigene Gesundheitsprobleme oder psychosoziale Belastungen (die z. B. bei der Pflege von Menschen mit Demenz oder von Kindern und Jugendlichen auftreten können) zu berücksichtigen.
- - Spezifische Bedarfe von Menschen mit Demenz sowie ihrer Angehörigen oder weiterer Personen
- Die Ermittlung des Hilfe- und Unterstützungsbedarfs von Menschen mit Demenz oder von ihren Angehörigen oder weiteren Personen erfordert, dass Pflegeberaterinnen und Pflegeberater für spezifische Aspekte sensibilisiert sind, um diese bei Bedarf im weiteren Beratungsprozess entsprechend berücksichtigen zu können5 . In Betracht kommen beispielsweise verhaltensbezogene und psychische Symptome (u. a. Veränderungen der Impulskontrolle, des Antriebs, der Stimmung und/oder des Wirklichkeitsbezuges), die in der Interaktion sowohl die pflegebedürftige Person als auch pflegende Angehörige, weitere Personen oder professionell Pflegende belasten können.
- - Hilfe-und Unterstützungsbedarf bei Anzeichen auf Gewalt in der Pflege 6
- Die Pflegeberaterin oder der Pflegeberater soll frühestmöglich im Rahmen des Beratungsprozesses Anzeichen auf bestehende oder sich entwickelnde Gewalt in der Pflege ausgehend von der pflegenden Person und/oder der pflegebedürftigen Person wahrnehmen und entsprechend reagieren 7 . Bei der Ermittlung des Hilfe- und Unterstützungsbedarfs hat die Pflegeberaterin oder der Pflegeberater daher beispielsweise ein besonderes Augenmerk darauf zu richten, ob wechselseitig ein respektvoller Umgang in der Pflegesituation gegeben ist. Zur Ermittlung des Hilfe- und Unterstützungsbedarfs kommt auch eine sensible Ansprache der Thematik im Rahmen eines angemessenen und von der ratsuchenden Person gewünschten Beratungs-Settings, insbesondere bei Vorliegen von Risikofaktoren für (das Entstehen von) Gewalt in der Pflege, in Betracht.
1 Gemäß dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat eine Person dann einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren ist. Ein besonderer Hilfe- und Unterstützungsbedarf kann sich z. B. aufgrund etwaiger bestehender Sprachbarrieren ergeben; zu beachten ist Abschnitt 1.5 ("- verständlich, - angepasst an den biographischen und kulturellen Hintergrund").
2 Siehe Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit (Begutachtungs-Richtlinien — BRi) vom 15. 4. 2016 in der jeweils geltenden Fassung.
3 Voraussetzung ist, dass die entsprechenden Dokumente bereits vorhanden sind oder von der anspruchsberechtigten Person zur Verfügung gestellt werden.
4 Es existieren verschiedene Projekte, die sich mit der Situation der Angehörigen von Pflegebedürftigen beschäftigen, so z. B. "Problemlösen in der Pflegeberatung — ein Ansatz zur Stärkung der Pflegeberatung nach § 7a SGB XI", Schriftenreihe Modellprogramm zur Weiterentwicklung der Pflegeversicherung, Bd. 14, GKV-Spitzenverband.
5 Siehe Abschnitt 2.2.7.
6 Es gibt verschiedene Formen von Gewalt in der Pflege, die pflegebedürftige Personen und/oder pflegende Personen betreffen können. In Betracht kommen beispielsweise körperliche, psychische und verbale Gewalt.
7 Siehe Abschnitt 2.2.8.
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