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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
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Ziff. 3.2. RS 2007/08
Ziff. 3.2. RS 2007/08, Medizinische Zielsetzung
(1) Die Hilfsmittel müssen im Einzelfall, d. h. nach den individuellen (körperlichen und geistigen) Verhältnissen des Versicherten, erforderlich sein, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen. Ein Versorgungsanspruch kann auch dann bestehen, wenn die Produkte dazu dienen, einer drohenden Behinderung, einer Krankheit bzw. deren Verschlimmerung oder dem Eintritt von Pflegebedürftigkeit vorzubeugen 1 .
(2) Dies wird durch die BSG-Rechtsprechung vom 16. 9. 2004 2 bestätigt, wonach ein über die Befriedigung von Grundbedürfnissen hinausgehender Behinderungsausgleich als Leistung der GKV nicht vorgesehen sei, was sich zwar nicht aus dem Wortlaut des § 33 SGB V ergebe, wohl aber nunmehr aus der Regelung des § 31 Absatz 1 Nummer 3 SGB IX, die der Gesetzgeber in Kenntnis der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Hilfsmittelversorgung mit Wirkung 1. 7. 2001 neu in Kraft gesetzt habe. Damit werde der Hilfsmittelbegriff nunmehr für alle Träger von Leistungen der medizinischen Rehabilitation (§ 6 Absatz 1, § 5 Nummer 1 SGB IX) einheitlich definiert. Selbst wenn der Vorrang abweichender Regelungen für den einzelnen Rehabilitationsträger weiterhin bestehe (§ 7 SGB IX), könne aus der insoweit unberührt gebliebenen Fassung des § 33 SGB V nicht geschlossen werden, der Gesetzgeber habe nunmehr den Behinderungsausgleich durch die GKV über die bisherige Rechtsprechung hinaus ausweiten wollen. Dafür finde sich kein Anhalt 3 .
(3) Die Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung setzt nach § 27 Absatz 1 Satz 1 SGB V eine "Krankheit" voraus. Damit wird in der Rechtsprechung ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand umschrieben, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (BSGE 85, 36, 38 = SozR 3-2500 § 27 Nr. 11 S. 38; BSGE 72, 96, 98 = SozR 3-2200 § 182 Nr. 14 S. 64 jeweils m. w. N.). Soweit § 33 Absatz 1 SGB V eine "Behinderung" bzw eine "drohende Behinderung" genügen lässt, um in Verbindung mit § 27 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 SGB V einen Anspruch auf Krankenbehandlung auszulösen, ist nichts wesentlich anderes als eine Krankheit gemeint; es wird lediglich ein anderer Akzent gesetzt (vgl. auch Schmidt in Peters, Hdb. der KV, Stand Juni 2004, § 27 SGB V, RdNr. 122 ff.). Indem § 27 Absatz 1 Satz 1 SGB V neben der Heilung ausdrücklich auch die Linderung von Krankheitsbeschwerden zu den möglichen Zielen einer Krankenbehandlung zählt, macht das Gesetz keinen prinzipiellen Unterschied zwischen Krankheiten im engeren Sinne, bei denen die Betonung auf dem regelmäßig nur vorübergehenden Charakter einer als überwindbar angesehenen Gesundheitsbeeinträchtigung liegt, und Behinderungen, die als weitgehend unabänderlich vor allem unter dem Gesichtspunkt des Ausgleichs für eine dauerhaft regelwidrige Körperfunktion die Leistungspflicht begründen können (vgl. auch § 2 Absatz 1 SGB IX) 4 . Nach § 2 Absatz 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.
(4) Sofern das Stadium der Krankheit oder Behinderung noch nicht erreicht ist, besteht ein Versorgungsanspruch auf Hilfsmittel nur, wenn die Krankheit oder Behinderung in absehbarer Zeit bevorsteht. D. h., Hilfsmittel können dann in die Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung fallen, wenn diese geeignet sind, eine konkret drohende Krankheit oder Behinderung zu verhindern.
(5) Gegenstand des Behinderungsausgleichs sind zunächst solche Hilfsmittel, die auf den Ausgleich der Behinderung selbst gerichtet sind, also zum unmittelbaren Ersatz der ausgefallenen Funktionen dienen (BSGE 37, 138, 141 = SozR 2200 § 187 Nr. 1; BSG SozR 3- 2500 § 33 Nr. 18 S. 88 und Nr. 20 S. 106). Das Hilfsmittel muss nicht unbedingt der Wirkungsweise der natürlichen Körperfunktion (z. B. das Sehen) entsprechen. Auch Produkte, die auf andere Weise — ggf. auch losgelöst vom Körper wie etwa der Blindenführhund (Ausgleich hinsichtlich der fehlenden Orientierungsmöglichkeit) — eine beeinträchtigte oder ausgefallene Körperfunktion übernehmen, können Hilfsmittel sein.
(6) Die nur mittelbar oder nur teilweise die Organfunktionen ersetzenden Mittel werden laut ständiger Rechtsprechung 5 nur dann als Hilfsmittel im Sinne der Krankenversicherung angesehen, wenn sie die Auswirkungen der Behinderung nicht nur in einem bestimmten Lebensbereich (Beruf/Gesellschaft/Freizeit), sondern im gesamten täglichen Leben ("allgemein") beseitigen oder mildern und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betreffen. Dem lag die Erwägung zugrunde, dass sich der direkte Funktionsausgleich in allen Lebensbereichen auswirkt und damit ohne Weiteres auch Grundbedürfnisse betroffen sind, während bei einem mittelbaren Ausgleich besonders geprüft werden muss, in welchem Lebensbereich er sich auswirkt. Eine solche Differenzierung erleichtert damit die rechtliche Einordnung und den Begründungsaufwand, ändert aber nichts daran, dass auch nach dem Recht des SGB IX die Förderung der Selbstbestimmung des behinderten Menschen und seiner gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft durch Versorgung mit Hilfsmitteln nur dann Aufgabe der Gesetzlichen Krankenversicherung ist, wenn sie der Sicherstellung eines allgemeinen Grundbedürfnisses dient 6 .
1 Vgl. §§ 23 Absatz 1 und 33 Absatz 1 SGB V und BSG, Urteil vom 6. 8. 1998 — B 3 KR 14/97 R — (USK 98101).
2 Vgl. BSG, Urteil vom 16. 9. 2004 — B 3 KR 15/04 R —.
3 wurde bekräftigt durch BSG, Urteil vom 19. 4. 2007 — B 3 KR 9/06 R —.
4 Vgl. BSG, Urteile vom 19. 10. 2004 — B 1 KR 3/03 R — und — B 1 KR 28/02 R —.
5 Vgl. insbesondere BSG, Urteile vom 16. 9. 1999 — B 3 KR 8/98 R — (USK 9951) und 30. 1. 2001 — B 3 KR 10/00 R — (USK 2001-5).
6 Vgl. BSG, Urteile vom 3. 11. 1999 — B 3 KR 16/99 R — und vom 6. 6. 2002 — B 3 KR 68/01 R —.
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