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BAG 25.07.2023 - 9 AZR 285/22
BAG 25.07.2023 - 9 AZR 285/22 - Tariflicher Mehrurlaub - Arbeitsunfähigkeit - Verfall
Normen
Art 7 Abs 1 EGRL 88/2003, § 1 TVG, § 7 Abs 3 S 3 BUrlG, § 7 Abs 1 BUrlG
Vorinstanz
vorgehend ArbG Mainz, 18. August 2021, Az: 4 Ca 833/21, Urteil
vorgehend Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, 19. Mai 2022, Az: 2 Sa 372/21, Urteil
Tenor
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1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. Mai 2022 - 2 Sa 372/21 - wird zurückgewiesen.
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2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
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-
Die Parteien streiten über zehn Tage tariflichen Mehrurlaub aus dem Jahr 2020.
- 2
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Die Beklagte, ein Unternehmen der chemischen Industrie, beschäftigt den Kläger seit dem 1. Oktober 1993 als Chemiearbeiter. Der Kläger ist seit dem 1. April 2019 als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der für die chemische Industrie geltende Manteltarifvertrag vom 24. Juni 1992 in der Fassung vom 22. November 2019 (MTV) Anwendung, der am 1. Dezember 2019 in Kraft trat. Der MTV enthält in § 12 ua. folgende Regelungen:
-
„§ 12
Urlaub
I.
Urlaubsanspruch
…
2.
Das Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr.
…
8.
Eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesen wird, unterbricht den Urlaub. Der Arbeitnehmer muss mit dem Arbeitgeber vereinbaren, wann er den Resturlaub nehmen kann.
…
11.
Der Urlaub ist spätestens bis 31. März des folgenden Kalenderjahres zu gewähren.
Der Urlaubsanspruch erlischt, wenn er nicht bis dahin geltend gemacht worden ist.
II.
Urlaubsdauer
1.
Der Urlaub beträgt 30 Urlaubstage.“
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Während seiner vom 10. Januar 2020 bis zum 29. Oktober 2021 durchgehend bestehenden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit stellte der Kläger mit Schreiben vom 17. März 2021 den Antrag, seinen tariflichen Urlaub „in Höhe von anteilig 28 Urlaubstagen“ sowie seinen Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen iHv. fünf Tagen aus dem Jahr 2020 bis zum 31. März 2021 zu übertragen. Hierauf antwortete die Beklagte mit Schreiben vom 19. März 2021, dass eine aktive Übertragung von Urlaubsansprüchen nicht nötig sei. Bei Vorliegen der Übertragungsvoraussetzungen geschehe dies automatisch. Dabei sei zwischen dem Tarifurlaub und dem gesetzlichen Mindesturlaub zu unterscheiden. Während der gesetzliche Mindesturlaub und der Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen bei Langzeiterkrankten erst am 31. März des übernächsten Jahres, vorliegend mithin am 31. März 2022, erlösche, verfielen die zehn den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigenden Urlaubstage aus dem Jahr 2020 gemäß § 12 Abschn. I Nr. 11 Satz 2 MTV am 31. März 2021.
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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, sein mit Schreiben vom 17. März 2021 erklärtes Übertragungsverlangen stehe dem Verfall des tariflichen Mehrurlaubs im Streitfall entgegen.
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Der Kläger hat zuletzt beantragt,
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festzustellen, dass ihm aus dem Jahr 2020 noch tariflicher Mehrurlaub im Umfang von zehn Urlaubstagen zusteht.
- 6
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Die Beklagte hat die Abweisung der Klage ua. mit der Begründung beantragt, der aus dem Jahr 2020 stammende tarifliche Mehrurlaub sei am 31. März 2021 verfallen.
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Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
- 8
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Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung, dass ihm aus dem Jahr 2020 weitere zehn Tage tariflicher Mehrurlaub zustehen. Ungeachtet seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit verfiel der tarifliche Mehrurlaub, den der Kläger zu Beginn des Jahres 2020 erwarb, am 31. März 2021. § 12 Abschn. I Nr. 11 MTV regelt sowohl die Befristung des tariflichen Mehrurlaubs als auch die Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers abweichend von den für den gesetzlichen Mindesturlaub geltenden Regelungen in § 7 Abs. 1 und Abs. 3 BUrlG.
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I. Die Klage ist als Feststellungsklage zulässig. Feststellungsklagen müssen sich nicht auf das Rechtsverhältnis im Ganzen beziehen, sondern können einzelne daraus entstehende Rechte, Pflichten oder Folgen - wie hier das gegenwärtige Bestehen eines Urlaubsanspruchs aus einem bestimmten Kalenderjahr - zum Gegenstand haben. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben. Wegen etwaiger Ansprüche auf Urlaubsentgelt hat der Kläger sowohl ein rechtliches als auch ein wirtschaftliches Interesse daran, das Bestehen und den Umfang des aus dem Jahr 2020 resultierenden Urlaubs gerichtlich feststellen zu lassen. Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer Urlaubsansprüche gerichtlich festgestellt wissen will, dabei nicht entgegen (vgl. BAG 9. März 2021 - 9 AZR 310/20 - Rn. 10 mwN).
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II. Die Klage ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der tarifliche Mehrurlaub des Klägers aus dem Jahr 2020 mit Ablauf des 31. März 2021 verfallen ist. Der in § 12 Abschn. I Nr. 11 MTV abweichend von den Bestimmungen des BUrlG über den gesetzlichen Mindesturlaub geregelte Mehrurlaub ist auf den 31. März des auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres befristet. Er verfällt zu diesem Zeitpunkt auch dann, wenn der Arbeitnehmer wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit gehindert war, den Mehrurlaub in Anspruch zu nehmen, und unabhängig davon, ob der Arbeitgeber seine Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten erfüllt hat, um dem Arbeitnehmer die tatsächliche Inanspruchnahme von Urlaub zu ermöglichen.
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1. Der Senat hat bereits entschieden, dass der Tarifurlaub nach dem MTV anderen Befristungsregelungen folgt, als das BUrlG sie in § 7 Abs. 3 BUrlG für den gesetzlichen Mindesturlaub vorsieht (vgl. BAG 9. März 2021 - 9 AZR 310/20 - Rn. 13 ff.; 17. November 2015 - 9 AZR 275/14 - Rn. 24 f.).
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a) Der gesetzliche Mindesturlaub und der Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen aus dem Jahr 2020 bestanden - soweit die Beklagte sie dem Kläger zu diesem Zeitpunkt nicht bereits gewährt hatte - über den am 31. März 2021 hinaus fort. Aufgrund der Vorgaben des Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. EU L 299 vom 18. November 2003 S. 9) ist § 7 Abs. 3 BUrlG unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass der gesetzliche Mindesturlaub nicht vor Ablauf von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres erlischt, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums krank und deshalb arbeitsunfähig ist (grundlegend hierzu BAG 7. August 2012 - 9 AZR 353/10 - Rn. 23 ff., BAGE 142, 371). Dabei kann der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub aus einem Bezugszeitraum, in dessen Verlauf der Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet hat, bevor er aufgrund einer seitdem fortbestehenden Krankheit arbeitsunfähig geworden ist, bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 7 Abs. 1 und Abs. 3 BUrlG grundsätzlich nur dann nach Ablauf des 15monatigen Übertragungszeitraums erlöschen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer durch Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten rechtzeitig in die Lage versetzt hat, seinen Urlaub auch tatsächlich zu nehmen (BAG 31. Januar 2023 - 9 AZR 107/20 - Rn. 15; 20. Dezember 2022 - 9 AZR 401/19 - Rn. 22). Da die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit des Klägers vom 10. Januar 2020 bis zum 29. Oktober 2021 und somit über das erste Quartal des Jahres 2021 andauerte, ging der gesetzliche Mindesturlaub aus dem Jahr 2020 nicht mit Ablauf des 31. März 2021 unter.
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b) Diese Grundsätze gelten nicht für den tariflichen Mehrurlaub, den der Kläger im vorliegenden Verfahren geltend macht. Die Tarifvertragsparteien haben mit § 12 Abschn. I Nr. 11 Satz 1 MTV eine Regelung geschaffen, die eine vom BUrlG abweichende Befristung des Urlaubsanspruchs vorsieht. Dies ergibt die Auslegung des MTV (vgl. zu den für Tarifverträge geltenden Auslegungsgrundsätzen BAG 19. Februar 2020 - 5 AZR 179/18 - Rn. 16; 19. Juni 2018 - 9 AZR 564/17 - Rn. 17).
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aa) Tarifvertragsparteien können Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG gewährleisteten und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln. Diese Befugnis schließt die Befristung des tariflichen Mehrurlaubs ein. Sie umfasst sowohl ein Abweichen von der 15monatigen Verfallfrist im Falle einer Langzeiterkrankung als auch die Voraussetzungen, unter denen die Verfallfristen in Gang gesetzt werden. Für einen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien, den tariflichen Mehrurlaub abweichend von den gesetzlichen Bestimmungen zu regeln, müssen deutliche Anhaltspunkte vorliegen. Fehlen solche, ist von einem diesbezüglichen Gleichlauf des gesetzlichen Urlaubsanspruchs und des Anspruchs auf tariflichen Mehrurlaub auszugehen (vgl. zum sog. Fristenregime BAG 14. Februar 2017 - 9 AZR 386/16 - Rn. 15; zu den Mitwirkungsobliegenheiten BAG 29. September 2020 - 9 AZR 113/19 - Rn. 12; 19. Februar 2019 - 9 AZR 541/15 - Rn. 35). Den Tarifvertragsparteien steht es frei, den tariflichen Mehrurlaub nur teilweise mit dem gesetzlichen Mindesturlaub zu synchronisieren und teilweise abweichend zu regeln. Der eigenständige, dem Gleichlauf von Mindest- und Mehrurlaub entgegenstehende Regelungswille muss sich deshalb auf den jeweils in Rede stehenden Regelungsgegenstand beziehen, hier also sowohl auf die Länge der Verfallfrist als auch auf die Rechtsfolgen der Nichtbeachtung der Mitwirkungsobliegenheiten bei langanhaltender Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers. Es genügt nicht, wenn in einem Tarifvertrag von Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes abgewichen wird, die mit den im Streit stehenden Regelungen nicht in einem inneren Zusammenhang stehen (st. Rspr., vgl. BAG 31. Januar 2023 - 9 AZR 107/20 - Rn. 23; 29. September 2020 - 9 AZR 113/19 - aaO; 22. Januar 2019 - 9 AZR 45/16 - Rn. 27, BAGE 165, 90).
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bb) An diesen Grundsätzen gemessen haben die Tarifvertragsparteien des MTV sowohl hinsichtlich der Befristung und Übertragung und damit mittelbar auch zugleich bezüglich des Verfalls des Urlaubs von § 7 Abs. 3 BUrlG als auch hinsichtlich der Mitwirkungsobliegenheiten abweichende, eigenständige Regelungen getroffen.
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(1) Der MTV sieht eine Übertragung des tariflichen Urlaubsanspruchs über den 31. März des auf das Kalenderjahr folgenden Jahres hinaus nicht - auch nicht für den Fall einer langandauernden Erkrankung - vor. Dem Wortlaut des § 12 Abschn. I Nr. 11 Satz 1 MTV zufolge ist der Urlaub bis zum 31. März des Kalenderjahres zu gewähren, das dem Urlaubsjahr folgt, wobei § 12 Abschn. I Nr. 2 MTV das Urlaubsjahr mit dem Kalenderjahr gleichsetzt. Der Urlaub erlischt, wenn er nicht bis zum 31. März des folgenden Jahres geltend gemacht worden ist (§ 12 Abschn. I Nr. 11 Satz 2 MTV). Abweichend von den Regelungen im BUrlG, das eine Übertragung des Urlaubs vom Urlaubsjahr in das Folgejahr an das Vorliegen besonderer Gründe knüpft (§ 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG), erlaubt § 12 Abschn. I Nr. 11 Satz 1 MTV dem Arbeitnehmer, den Urlaub bis zum 31. März des Folgejahres zu nehmen, ohne dass für die Übertragung besondere Gründe vorliegen müssten. Dieser Verzicht auf Übertragungsgründe führt im Ergebnis dazu, dass das Urlaubsjahr über das Kalenderjahr bis zum 31. März des Folgejahres ausgedehnt wird (vgl. BAG 9. März 2021 - 9 AZR 310/20 - Rn. 16). Für einen Verfall des tariflichen Mehrurlaubs bei langandauernder Erkrankung frühestens 15 Monate nach Ablauf des Bemessungszeitraums lässt der MTV keinen Raum.
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(2) Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass der tarifliche Urlaubsanspruch nach dem MTV unabhängig davon befristet ist, ob der Arbeitgeber den Mitwirkungsobliegenheiten genügt, an die das BUrlG den Verfall des gesetzlichen Mindesturlaubs knüpft. § 12 Abschn. I Nr. 11 Satz 2 MTV weist die Initiativlast für die Verwirklichung des Urlaubsanspruchs abweichend von § 7 BUrlG dem Arbeitnehmer zu. Dies hat zur Folge, dass die Befristung des Anspruchs nach § 12 Abschn. I Nr. 11 Satz 1 MTV nicht von der Erfüllung der für den gesetzlichen Mindesturlaub bestehenden Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten des Arbeitgebers abhängig ist. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut von § 12 Abschn. I Nr. 11 Satz 2 MTV. Während der Arbeitnehmer, der im betreffenden Bezugszeitraum keinen Antrag auf Gewährung des gesetzlichen Mindesturlaubs gestellt hat, in richtlinienkonformer Auslegung von § 7 BUrlG den Anspruch am Ende des Bezugszeitraums oder des Übertragungszeitraums bei Nichterfüllung der Hinweis- und Aufforderungsobliegenheiten durch den Arbeitgeber nicht automatisch verlieren kann (vgl. EuGH 6. November 2018 - C-684/16 - [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften] Rn. 40 ff.; BAG 19. Februar 2019 - 9 AZR 423/16 - Rn. 39 ff., BAGE 165, 376), bestimmt § 12 Abschn. I Nr. 11 Satz 1 und 2 MTV abweichend von § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG ausdrücklich, dass der Urlaubsanspruch am 31. März des folgenden Kalenderjahres erlischt, sofern er nicht bis dahin geltend gemacht worden ist. Es obliegt danach nicht dem Arbeitgeber, sondern dem Arbeitnehmer, hinsichtlich des tariflichen Mehrurlaubsanspruchs initiativ zu werden (vgl. BAG 9. März 2021 - 9 AZR 310/20 - Rn. 22).
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2. Die Voraussetzung für den Verfall des Anspruchs des Klägers auf den tariflichen Mehrurlaub aus dem Jahr 2020 liegen vor. Der Kläger hat ihn nicht iSv. § 12 Abschn. I Nr. 11 Satz 2 MTV bis zum 31. März 2021 geltend gemacht.
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a) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass ein Arbeitnehmer seinen Urlaub gegenüber dem Arbeitgeber geltend macht, wenn er diesen auffordert, ihm Urlaub zu gewähren (BAG 19. Januar 2016 - 9 AZR 507/14 - Rn. 15). Dass die Geltendmachung ein konkretes Urlaubsverlangen voraussetzt, folgt bereits aus dem Tarifwortlaut. Etwas „geltend machen“ bedeutet, auf berechtigte Ansprüche hinzuweisen und diese durchsetzen zu wollen (vgl. Duden online-Wörterbuch „geltend“). Die Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck der Tarifnorm, den Urlaubsanspruch an das (verlängerte) Urlaubsjahr zu binden und damit eine zeitliche Nähe zwischen dem Bemessungszeitraum (Kalenderjahr) und der zeitlichen Lage des Urlaubs gewährleisten. Dadurch stehen die durch den Urlaub bezweckte Erholung und Entspannung in einem zeitlich-sachlichen Kontext zu dem Kalenderjahr, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist, und können ihre Wirkung unmittelbar entfalten. Diese Intention würde konterkariert, wenn der Urlaub auf bloßes Verlangen auf beliebige spätere Zeiten übergehen würde, damit er genommen werden kann, wenn der Arbeitnehmer wieder arbeitsfähig ist.
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b) Entgegen der Auffassung der Revision kann ein anderes Ergebnis auch nicht aus § 12 Abschn. I Nr. 8 MTV hergeleitet werden. Nach Satz 1 dieser Regelung unterbricht eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesen wird, den Urlaub. Die Vorschrift bestimmt - wie § 9 BUrlG -, dass durch ärztliches Zeugnis nachgewiesene Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den bewilligten Jahresurlaub nicht angerechnet werden (vgl. dazu näher BAG 16. August 2022 - 9 AZR 76/22 (A) - Rn. 18). Nur für diesen Fall ordnet Satz 2 der Tarifnorm an, dass der Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber vereinbaren muss, wann er den Resturlaub nehmen kann. § 12 Abschn. I Nr. 8 MTV ermöglicht die Nachgewährung nicht, wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer bestehenden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit daran gehindert ist, seinen tariflichen Urlaub in Anspruch zu nehmen. Aufgrund des fehlenden Gleichlaufs zum gesetzlichen Fristenregime des § 7 Abs. 1 und Abs. 3 BUrlG käme eine Nachgewährung des tariflichen Mehrurlaubs nach dem 31. März des Folgejahres ohnehin nicht in Betracht (vgl. zur Auslegung von § 9 BUrlG vor EuGH 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - [Schultz-Hoff]: BAG 21. Januar 1997 - 9 AZR 791/95 - zu I 2 d der Gründe; 19. März 1996 - 9 AZR 67/95 - zu 4 der Gründe). Hierzu hätten die Tarifvertragsparteien eine ausdrückliche Regelung treffen müssen (vgl. BAG 19. März 1996 - 9 AZR 67/95 - aaO), die § 12 Abschn. I Nr. 8 und Nr. 11 MTV jedoch nicht enthält.
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c) Danach hat der Kläger seinen Anspruch auf den tariflichen Mehrurlaub aus dem Jahr 2020 iHv. zehn Tagen nicht iSv. § 12 Abschn. I Nr. 11 Satz 2 MTV bis zum 31. März 2021 geltend gemacht. Er hat bei der Beklagten keinen nach zeitlicher Lage und Umfang spezifizierten Antrag auf Arbeitsbefreiung zum Zwecke der Gewährung von Urlaub gestellt. Hierzu war er in Anbetracht seiner fortdauernden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Unvereinbarkeit von Urlaub und Krankheit (vgl. dazu im Einzelnen BAG 18. März 2014 - 9 AZR 669/12 - Rn. 16 ff.) bis zum Eintritt des Anspruchsverfalls auch nicht in der Lage.
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III. Der Kläger hat die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
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