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BAG 13.05.2020 - 4 AZR 489/19
BAG 13.05.2020 - 4 AZR 489/19 - Tarifvertrag - unmittelbare Wirkung - Günstigkeitsprinzip
Normen
Art 9 Abs 3 GG, § 1 Abs 1 TVG, § 4 Abs 1 TVG, § 4 Abs 3 TVG, § 134 BGB
Vorinstanz
vorgehend ArbG Offenbach, 7. Februar 2018, Az: 10 Ca 342/16, Urteil
vorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht, 17. Januar 2019, Az: 5 Sa 404/18, Urteil
Leitsatz
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Die Tarifvertragsparteien können Ansprüche aus den zwischen ihnen vereinbarten tariflichen Inhaltsnormen nicht davon abhängig machen, das die tarifgebundenen Arbeitsvertragsparteien eine vertragliche Bezugnahme auf die für den Arbeitgeber jeweils gültigen Tarifverträge vereinbaren. Eine solche "arbeitsvertragliche Nachvollziehung" von Tarifverträgen als Anspruchsvoraussetzung umgeht die gesetzlich angeordnete unmittelbare Wirkung der Rechtsnormen eines Tarifvertrags nach § 4 Abs. 1 TVG sowie das in § 4 Abs. 3 TVG verankerte Günstigkeitsprinzip und ist daher unwirksam.
Tenor
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I. Auf die Revision der Klägerin wird - unter deren Zurückweisung im Übrigen - das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 17. Januar 2019 - 5 Sa 404/18 - aufgehoben, soweit es hinsichtlich Anträgen der Klägerin auf Zahlung von insgesamt 11.830,73 Euro brutto nebst Zinsen die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 7. Februar 2018 - 10 Ca 342/16 - zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten das vorgenannte Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen hat.
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II. Auf die Berufungen der Klägerin und der Beklagten wird - unter deren jeweiliger Zurückweisung im Übrigen - das genannte Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach am Main teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
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1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 11.830,73 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.941,40 Euro seit dem 27. Oktober 2016, aus 181,08 Euro seit dem 1. November 2016, aus 2.541,08 Euro seit dem 1. Dezember 2016, aus 181,08 Euro seit dem 3. Januar 2017, aus jeweils 285,36 Euro seit dem 1. Februar 2017 und 1. März 2017, aus jeweils 368,67 Euro seit dem 1. April 2017, 3. Mai 2017, 1. Juni 2017, 1. Juli 2017, 1. August 2017, 1. September 2017, 3. Oktober 2017 und 1. November 2017, aus 2.728,67 Euro seit dem 1. Dezember 2017 sowie aus jeweils 368,67 Euro seit dem 3. Januar 2018 und 1. Februar 2018 zu zahlen.
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2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
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III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Geltung von Tarifverträgen und daraus resultierende Differenzentgeltansprüche.
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Die Klägerin, Mitglied der Industriegewerkschaft Metall (IG Metall), war seit dem 1. September 1999 zunächst bei der A GmbH als Sachbearbeiterin beschäftigt. Der zuletzt gültige Arbeitsvertrag vom 18. Juni 2002 enthält keine Bezugnahme auf Tarifverträge und sieht die Zahlung einer festen monatlichen Vergütung vor.
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Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ging zum 1. September 2014 infolge eines Betriebsübergangs auf die Beklagte, die Werkstoffdienstleistungen für Kunden aus der Luft- und Raumfahrtindustrie anbietet, über. Diese war zunächst nicht tarifgebunden. Am 15. Mai 2015 schloss sie gemeinsam mit dem Unternehmerverband Industrieservice + Dienstleistungen e.V. auf der einen und der IG Metall auf der anderen Seite einen Manteltarifvertrag für die ThyssenKrupp Aerospace Germany GmbH (MTV) und einen Entgeltrahmentarifvertrag für die ThyssenKrupp Aerospace Germany GmbH (ERTV).
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-
Der MTV enthält ua. folgende Regelungen:
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„§ 1
Geltungsbereich
1. Räumlich:
Alle Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland.
2. Fachlich:
Alle Betriebe der ThyssenKrupp Aero-space Germany GmbH, Jahnstraße 64, 63150 Heusenstamm.
3. Persönlich:
Alle Arbeitnehmer und Auszubildenden, auf die das Betriebsverfassungsgesetz in der zuletzt gültigen Fassung Anwendung findet.
Er gilt nicht für
Arbeitnehmer, denen ein monatliches Einkommen zugesagt worden ist, das das Monatsentgelt der höchsten Tarifgruppe, allerdings hochgerechnet auf 40 Arbeitsstunden pro Woche, um 20 % übersteigt.
Abschnitt 1
Allgemeine Arbeitsbedingungen
§ 2
…
§ 24
Erlöschen von Ansprüchen
1.
Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind wie folgt geltend zu machen:
a)
Ansprüche auf Zuschläge aller Art sofort, spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Abrechnung der Entgeltperiode, bei der sie hätten abgerechnet werden müssen;
b)
alle übrigen beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit.
2.
Eine Geltendmachung nach Ablauf der unter Ziff. 1 festgesetzten Frist ist ausgeschlossen, es sei denn, dass die Einhaltung dieser Frist wegen eines unabwendbaren Ereignisses nicht möglich gewesen ist.
3.
Ist ein Anspruch rechtzeitig erhoben worden und lehnt die Gegenseite seine Erfüllung ab, so ist der Anspruch innerhalb von drei Monaten seit der Ablehnung gerichtlich geltend zu machen. Eine spätere Geltendmachung ist ausgeschlossen.
§ 25
Sonderzahlungen
1.
Beschäftigte, die am Auszahlungstag in einem Arbeitsverhältnis stehen und zu diesem Zeitpunkt dem Betrieb ununterbrochen zwölf Monate angehören, haben je Kalenderjahr einen Anspruch auf betriebliche Sonderzahlung. …
2.
Die Leistungen werden nach folgender Staffel gezahlt:
…
nach 60 Monaten Betriebszugehörigkeit 2.360 €
…
7.
Die Sonderzahlung wird mit der November-Abrechnung im Dezember ausgezahlt.
…
Abschnitt 6
Schlussbestimmungen
§ 37
Tarifvertragsansprüche
Ansprüche aus diesem Tarifvertrag setzen voraus, dass die Einführung des Tarifwerks auch arbeitsvertraglich nachvollzogen wird.
Die Bezugnahmeklausel lautet wie folgt:
,Das Arbeitsverhältnis richtet sich - von den gesetzlichen Vorschriften abgesehen - nach dem jeweils für den Betrieb aufgrund der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers soweit und solange der Arbeitgeber tarifgebunden ist geltenden Tarifwerk in seiner jeweils gültigen Fassung. Dieses sind zurzeit die Tarifverträge für die ThyssenKrupp Aerospace Germany GmbH zwischen der IG Metall auf der einen Seite sowie der ThyssenKrupp Aerospace Germany GmbH und dem Unternehmerverband Industrieservice auf der anderen Seite.‘
§ 38
Inkrafttreten und Kündigung
1.
Der Tarifvertrag tritt zum 01. November 2014 in Kraft.
…“
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-
Der ERTV enthält identische Regelungen zum Geltungsbereich in § 1 sowie zu Tarifvertragsansprüchen in § 8. Darüber hinaus ist nach §§ 2, 4 ERTV eine Eingruppierung der Arbeitnehmer entsprechend der von ihnen ausgeübten Tätigkeit in eine von zwölf Entgeltgruppen vorgesehen. Die diesen zugeordneten Monats- und Stundenentgelte ergeben sich aus der Anlage 1 zum ERTV, die bei Tariferhöhungen jeweils angepasst wird. Für die Überleitung der bereits bestehenden Arbeitsverhältnisse enthält § 7 ERTV Regelungen zur Ersteingruppierung und zu Besitzstandszulagen. Für die Klägerin ist nach Anlage X zum ERTV bis zum 31. Dezember 2016 eine Eingruppierung in Entgeltgruppe 8 ERTV, danach in Entgeltgruppe 9 ERTV vorgesehen.
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Nach einer ebenfalls am 15. Mai 2015 vereinbarten Protokollnotiz zu § 37 Abs. 1 MTV und § 8 Abs. 1 ERTV besteht zwischen den Tarifvertragsparteien Einigkeit, dass das neue Tarifwerk seinem Geltungsbereich entsprechend zur Anwendung kommen soll und die Arbeitgeberin eine arbeitsvertragliche Bezugnahme bei Abschluss des jeweiligen Arbeitsvertrags anbietet, soweit dies dazu erforderlich ist.
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Vor Inkrafttreten des ERTV erhielt die Klägerin zuletzt eine monatliche Vergütung iHv. 2.800,00 Euro brutto. Im Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis zum 30. April 2016 zahlte die Beklagte an sie eine monatliche Bruttovergütung iHv. 2.884,00 Euro. Die Beklagte bot der Klägerin am 31. März 2016 den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags an, der die Bezugnahmeregelung aus § 37 MTV und § 8 ERTV sowie weitere Änderungen des ursprünglichen Arbeitsvertrags vorsah. Die Klägerin unterzeichnete diesen, nachdem sie einige Vertragsklauseln - nicht aber die Bezugnahmeregelung - durchgestrichen hatte. Die Änderungen wurden von der Beklagten nicht akzeptiert. Ab Mai 2016 zahlte diese an die Klägerin wieder eine monatliche Vergütung iHv. 2.800,00 Euro brutto. Für die Monate Januar bis April 2016 erfolgten Rückrechnungen iHv. jeweils 84,00 Euro brutto, die die Beklagte nachfolgend einbehielt.
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Mit Schreiben vom 4. Juli 2016 und 10. Oktober 2016 machte die Klägerin Entgeltansprüche nach dem MTV und dem ERTV geltend, welche die Beklagte zurückwies. Mit ihrer Klage vom 19. Oktober 2016 hat die Klägerin - soweit für die Revision von Bedeutung - die Zahlung von Entgeltdifferenzen für die Monate Januar bis Oktober 2016 nebst Zinsen begehrt.
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Im Protokoll des Arbeitsgerichts zum Gütetermin vom 28. November 2016 findet sich folgende Erklärung:
-
„Der Beklagtenvertreter erklärte, dass er für die streitgegenständlichen Zahlungsansprüche ab dem 01. November 2016 für die Dauer dieses Rechtsstreites auf die Geltendmachung von Ausschlussfristen verzichtete.“
- 10
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Danach hat die Vorsitzende auf Antrag der Parteien das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Nach Wiederaufruf des Verfahrens hat die Klägerin mit weiteren Anträgen vom 9. Juni 2017, 15. September 2017, 16. November 2017 und 8. Januar 2018 ihre Klage um Zahlungsansprüche für die Monate von November 2016 bis einschließlich Januar 2018 erweitert.
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Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die tarifvertraglichen Regelungen zur „Nachvollziehung“ der Einführung des Tarifwerks seien nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG unwirksam. Eine solche Voraussetzung zur Geltendmachung tarifvertraglicher Ansprüche sei mit dem System des Tarifvertragsgesetzes unvereinbar. Ihr stünden aufgrund der beiderseitigen Tarifgebundenheit Ansprüche aus dem ERTV und dem MTV zu, auch wenn eine arbeitsvertragliche Vereinbarung über die Anwendbarkeit der beiden Tarifverträge nicht zustande gekommen sei. Zumindest könne sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass es an einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung fehle. Sie sei verpflichtet gewesen, das durch die Klägerin geänderte Vertragsangebot anzunehmen. Die Ansprüche der Klägerin seien nicht nach § 24 MTV verfallen. Die Beklagte habe im Gütetermin auf die Geltendmachung von Ausschlussfristen verzichtet.
- 12
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Die Klägerin hat - zusammengefasst und soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt,
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1.
die Beklagte zu verurteilen, an sie 11.830,73 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.122,48 Euro seit Rechtshängigkeit, aus 2.541,08 Euro seit dem 1. Dezember 2016, aus 181,08 Euro seit dem 1. Januar 2017, aus jeweils 285,36 Euro seit dem 1. Februar 2017 und 1. März 2017, aus jeweils 368,67 Euro seit dem 1. April 2017, 1. Mai 2017, 1. Juni 2017, 1. Juli 2017, 1. August 2017, 1. September 2017, 1. Oktober 2017 und 1. November 2017, aus 2.728,67 Euro seit dem 1. Dezember 2017 sowie aus jeweils 368,67 Euro seit dem 1. Januar 2018 und 1. Februar 2018 zu zahlen;
2.
hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, das Angebot der Klägerin auf Abschluss einer Zusatzvereinbarung über die Bezugnahmeklausel aus § 37 MTV und § 8 ERTV zum Arbeitsvertrag anzunehmen.
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Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, bei den Regelungen in § 37 MTV und § 8 ERTV handele es sich um Anspruchsvoraussetzungen. Diese verstießen weder gegen die unmittelbare und zwingende Geltung der Tarifverträge noch gegen das Günstigkeitsprinzip. Es sei lediglich bezweckt worden, dass die Arbeitnehmer sich zwischen den arbeitsvertraglichen und den tarifvertraglichen Ansprüchen entscheiden müssten. Zudem seien etwaige Ansprüche der Klägerin teilweise verfallen. Die Beklagte habe lediglich im Hinblick auf bereits rechtshängige, nicht aber auf zukünftige Ansprüche auf die Einhaltung der Ausschlussfrist verzichtet.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - in Höhe eines Zahlungsanspruchs von 8.033,85 Euro brutto nebst Zinsen stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist überwiegend erfolgreich. Der Hauptantrag ist - bis auf einen geringen Teil der Zinsforderung - begründet. Der Hilfsantrag fällt daher nicht zur Entscheidung an.
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I. Die Klägerin hat nach §§ 8, 17, 25 MTV iVm. dem ERTV Anspruch auf Zahlung von insgesamt 11.830,73 Euro brutto für den Zeitraum von Januar 2016 bis Januar 2018. Der MTV und der ERTV gelten kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit für das Arbeitsverhältnis. Ansprüche aus den Tarifverträgen setzen nicht die arbeitsvertragliche „Einführung des Tarifwerks“ nach § 37 MTV, § 8 ERTV voraus. Die beiden Tarifbestimmungen sind unwirksam.
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1. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin fällt unter den Geltungsbereich des MTV und des ERTV. Die Klägerin ist iSv. § 1 MTV, § 1 ERTV als Arbeitnehmerin in einem Betrieb der Beklagten beschäftigt. Insoweit ist es ohne Bedeutung, ob die Voraussetzungen von § 37 MTV, § 8 ERTV erfüllt sind. Diese Bestimmungen enthalten keine den tarifvertraglichen Geltungsbereich begrenzenden Regelungen. Dies ergibt die Auslegung der Tarifverträge ( zu den Maßstäben der Tarifauslegung zB BAG 20. Juni 2018 - 4 AZR 339/17 - Rn. 19).
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a) Die Tarifvertragsparteien sind innerhalb ihrer satzungsgemäßen Zuständigkeit berechtigt, den Geltungsbereich eines Tarifvertrags autonom zu bestimmen. Ihnen steht im Rahmen der verfassungsrechtlich verbürgten Tarifautonomie bei dieser Festlegung des Geltungsbereichs eines Tarifvertrags ein weiter Gestaltungsspielraum zu (BAG 16. November 2016 - 4 AZR 697/14 - Rn. 28; 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 57 mwN, BAGE 122, 134). Sie können dabei den persönlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrags auf einzelne Arbeitnehmer- oder Berufsgruppen beschränken (BAG 27. Mai 2004 - 6 AZR 129/03 - zu B II 3 c der Gründe, BAGE 111, 8).
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b) Eine solche Beschränkung lässt sich weder § 37 MTV noch § 8 ERTV entnehmen. Der Geltungsbereich ist abschließend in § 1 des jeweiligen Tarifvertrags geregelt. § 37 MTV und § 8 ERTV beziehen sich demgegenüber nicht auf den Geltungsbereich, sondern stellen weitere Anspruchsvoraussetzungen innerhalb desselben auf. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der gewählten Überschriften - § 1 MTV/ERTV: „Geltungsbereich“ einerseits, § 37 MTV/§ 8 ERTV: „Tarifvertragsansprüche“ andererseits - und der systematischen Trennung der Klauseln durch ihre Stellung an Beginn und Ende der jeweiligen Tarifverträge. Dem steht die Protokollnotiz vom 15. Mai 2015 nicht entgegen. Unabhängig davon, ob sie sich ausschließlich auf nicht tarifgebundene Arbeitnehmer bezieht oder eine schuldrechtliche Verpflichtung der Beklagten zum Angebot geänderter Arbeitsverträge enthält, wird auch dort ausdrücklich zwischen dem Geltungsbereich, in dem das Tarifwerk zur Anwendung kommen soll, und der Bezugnahmeklausel, die die Beklagte erforderlichenfalls anbieten wird, unterschieden.
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2. Bei MTV und ERTV handelt es sich um Tarifverträge, deren Rechtsnormen allein aufgrund der beiderseitigen Tarifgebundenheit kraft gesetzlicher Anordnung in § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG unmittelbar und zwingend für das Arbeitsverhältnis der Parteien gelten. Die in § 37 MTV und § 8 ERTV vorgesehenen Einschränkungen der unmittelbaren und zwingenden Wirkung sind aufgrund objektiver Gesetzesumgehung unwirksam (§ 134 BGB).
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a) Die Inhaltsnormen des MTV und ERTV haben Rechtsnormcharakter iSd. § 1 Abs. 1 TVG. Danach regelt ein Tarifvertrag die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können.
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aa) Ob eine zwischen Tarifvertragsparteien geschlossene Vereinbarung einen solchen Rechtsnormcharakter hat, hängt neben der Erfüllung des Schriftformerfordernisses (§ 1 Abs. 2 TVG) davon ab, ob darin der Wille der Tarifvertragsparteien zur Normsetzung hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt. Dies ist im Wege der Auslegung zu ermitteln (BAG 26. Februar 2020 - 4 AZR 48/19 - Rn. 31).
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bb) Bereits ihrer Bezeichnung nach handelt es sich bei MTV und ERTV, die dem Schriftformerfordernis nach § 1 Abs. 2 TVG genügen, um Tarifverträge. Auch durch die Bestimmungen zum Inkrafttreten haben die Tarifvertragsparteien den Willen zur unmittelbaren und eigenständigen Normsetzung zum Ausdruck gebracht (vgl. hierzu BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 903/08 - Rn. 37). Der Normsetzungswille lässt sich zudem § 37 MTV und § 8 ERTV entnehmen. Danach soll die Einführung des Tarifwerks „arbeitsvertraglich nachvollzogen“ werden, was begrifflich voraussetzt, dass bereits Normen existieren, die nachvollzogen werden können. Darüber hinaus soll sich die vorgesehene Bezugnahmeklausel auf das „jeweils für den Betrieb aufgrund der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers … geltende Tarifwerk in seiner jeweils gültigen Fassung“ und damit auf Rechtsnormen in Tarifverträgen beziehen. Nur solche können aufgrund der Tarifgebundenheit der Arbeitgeberin für diese gelten. Ein „Verzicht [der Tarifvertragsparteien] auf die unmittelbare Wirkung der Tarifnormen“ liegt danach entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht vor.
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b) Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG gelten die Rechtsnormen des MTV und des ERTV, die den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen. Hiervon konnten die Tarifvertragsparteien durch die Regelungen in § 37 MTV und § 8 ERTV nicht abweichen.
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aa) Die verfassungsrechtlich garantierte Tarifautonomie ist darauf angelegt, die strukturelle Unterlegenheit der einzelnen Arbeitnehmer beim Abschluss von Arbeitsverträgen durch kollektives Handeln auszugleichen und damit ein annähernd gleichgewichtiges Aushandeln der Entgelte und Arbeitsbedingungen zu ermöglichen (BVerfG 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 ua. - zu C I 1 c der Gründe, BVerfGE 92, 365; 26. Juni 1991 - 1 BvR 779/85 - zu C I 3 b aa der Gründe, BVerfGE 84, 212). Die tariffähigen Koalitionen sollen durch „unabdingbare Gesamtvereinbarungen“ die materiellen Arbeitsbedingungen sinnvoll regeln (BVerfG 24. Mai 1977 - 2 BvL 11/74 - zu B II 1 b aa der Gründe, BVerfGE 44, 322). Den so ausgehandelten tariflichen Rechtsnormen, die Mindestarbeitsbedingungen festsetzen, wird daher durch § 4 Abs. 1 TVG - vorbehaltlich einer etwaigen Verdrängung infolge einer Tarifkollision nach § 4a TVG (dazu BVerfG 11. Juli 2017 - 1 BvR 1571/15 ua. - insb. Rn. 172 ff., BVerfGE 146, 71) - eine unmittelbare und zwingende Wirkung für die beiderseits Tarifgebundenen (§ 3 Abs. 1 TVG) verliehen, die vom Geltungsbereich der Tarifbestimmungen erfasst werden.
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bb) Die gesetzlich angeordnete „unmittelbare Wirkung“ bedeutet, dass der normative Teil eines Tarifvertrags - wie anderes objektives Recht auch - den Inhalt der erfassten Arbeitsverhältnisse unmittelbar („automatisch“) bestimmt (BAG 16. September 1986 - GS 1/82 - zu C II 2 b der Gründe, BAGE 53, 42). Der Tarifvertrag entfaltet dabei keine gestaltende Wirkung auf den Inhalt des Arbeitsvertrags. Seine Inhaltsnormen werden nicht in den Arbeitsvertrag inkorporiert und damit nicht zu dessen Bestandteil. Sie gestalten gleichwohl den Inhalt des Arbeitsverhältnisses, allerdings wie ein Gesetz „von außen“ (BAG 12. Dezember 2007 - 4 AZR 998/06 - Rn. 42, BAGE 125, 179; vgl. auch 18. August 2011 - 8 AZR 187/10 - Rn. 35). Es bedarf deshalb weder einer Billigung oder Kenntnis noch einer Anerkennung, Unterwerfung oder Übernahme dieser Normen durch die Parteien des Einzelarbeitsvertrags (BAG 16. September 1986 - GS 1/82 - aaO).
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cc) Weiterhin gelten die Rechtsnormen eines Tarifvertrags nach § 4 Abs. 1 TVG „zwingend“. Die tarifgebundenen Arbeitsvertragsparteien können keine abweichenden einzelvertraglichen Abmachungen treffen, die sich gegenüber den zwingend wirkenden Rechtsnormen durchsetzen (BAG 21. September 1989 - 1 AZR 454/88 - zu IV 2 a und b der Gründe, BAGE 62, 360). Sie werden durch diese verdrängt (BAG 24. Februar 2010 - 4 AZR 691/08 - Rn. 44 mwN; 12. Dezember 2007 - 4 AZR 998/06 - Rn. 43 mwN, BAGE 125, 179). Die Rechtsnormen nach § 1 Abs. 1 TVG sind arbeitsvertraglich nicht abdingbar (BAG 16. September 1986 - GS 1/82 - zu C II 2 b der Gründe, BAGE 53, 42).
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dd) Als Ausnahme von der zwingenden Wirkung des § 4 Abs. 1 TVG sind nach § 4 Abs. 3 TVG abweichende Abmachungen zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten. Das durch § 4 Abs. 3 Alt. 2 TVG gesetzlich verankerte Günstigkeitsprinzip gewährleistet dem einzelnen tarifgebundenen Arbeitnehmer bei der Gestaltung der eigenen Arbeitsbedingungen einen privatautonomen Gestaltungsspielraum. Die unmittelbare und zwingende Wirkung von Tarifverträgen nach § 4 Abs. 1 TVG verdrängt zwar die individuelle Privatautonomie (sh. oben Rn. 25 ff.), letzterer wird aber im Bereich günstigerer Abreden der Vorrang eingeräumt (BAG 23. März 2011 - 4 AZR 366/09 - Rn. 41 mwN, BAGE 137, 231). Die Regelungen in § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG einerseits und § 4 Abs. 3 Alt. 2 TVG andererseits sind danach einfachgesetzlicher Ausfluss des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips, mit dem die Tarifautonomie nach Art. 9 Abs. 3 GG bei der Vereinbarung tariflicher Mindestarbeitsbedingungen und die Privatautonomie im Rahmen der Berufsfreiheit - vorrangig geschützt durch Art. 12 Abs. 1 GG (ErfK/Schmidt 20. Aufl. GG Art. 2 Rn. 7, Art. 12 Rn. 15) - in einen Ausgleich gebracht werden (Däubler TVG/Deinert 4. Aufl. § 4 Rn. 620 mwN in Fn. 1655 f.; Wiedemann/Wank TVG 8. Aufl. § 4 Rn. 420, 422). Den Arbeitnehmern verbleibt aufgrund der gleichfalls verfassungsrechtlich verbürgten Privatautonomie ein eigener Gestaltungsspielraum bei der Bestimmung ihrer Arbeitsbedingungen. Das Günstigkeitsprinzip steht damit grundsätzlich nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien (vgl. BAG 14. Dezember 2011 - 4 AZR 179/10 - Rn. 57; 23. März 2011 - 4 AZR 366/09 - aaO; 26. August 2009 - 4 AZR 294/08 - Rn. 49 mwN; Däubler TVG/Deinert aaO § 4 Rn. 624 mwN in Fn. 1674; Wiedemann/Wank aaO § 4 Rn. 421 f.; JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 16; vgl. auch Löwisch/Rieble TVG 4. Aufl. § 4 Rn. 557; aA wohl Kempen/Zachert/Schubert/Zachert TVG 5. Aufl. § 4 Rn. 364; zu etwaigen Einschränkungen im Wege der praktischen Konkordanz nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip BAG 25. Oktober 2000 - 4 AZR 438/99 - zu II 2 der Gründe, BAGE 96, 168; Däubler TVG/Deinert aaO § 4 Rn. 622; Wiedemann/Wank aaO § 4 Rn. 430).
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ee) Nach diesen Grundsätzen sind die streitgegenständlichen Regelungen in § 37 MTV und § 8 ERTV weder mit der in § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG angeordneten unmittelbaren Wirkung noch mit dem in § 4 Abs. 3 Alt. 2 TVG verankerten Günstigkeitsprinzip vereinbar und daher wegen objektiver Gesetzesumgehung nach § 134 BGB unwirksam.
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(1) Eine objektive Gesetzesumgehung liegt vor, wenn der Zweck einer zwingenden Rechtsnorm dadurch vereitelt wird, dass andere rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten missbräuchlich, dh. ohne einen im Gefüge der einschlägigen Rechtsnorm sachlich rechtfertigenden Grund, verwendet werden (st. Rspr., BAG 21. Februar 2017 - 1 ABR 62/12 - Rn. 49 mwN, BAGE 158, 121; ausf. 18. März 2009 - 5 AZR 355/08 - Rn. 17 mwN, BAGE 130, 34).
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(2) Die von den Tarifvertragsparteien in § 37 MTV und § 8 ERTV gewählte Gestaltung führt zu einer objektiven Umgehung der in § 4 Abs. 1 TVG enthaltenen zwingenden Vorgaben zur Geltung von tariflichen Rechtsnormen. Nach diesen beiden Bestimmungen können tarifvertragliche Ansprüche trotz beiderseitiger Tarifgebundenheit nur dann geltend gemacht werden, wenn der Tarifvertrag auch arbeitsvertraglich in Bezug genommen worden ist. Damit wird zwar die unmittelbare Geltung der beiden Tarifverträge nicht ausdrücklich eingeschränkt. Durch die Anspruchsvoraussetzung, dass die Einführung des Tarifwerks „auch arbeitsvertraglich nachvollzogen wird“, tritt aber die durch § 4 Abs. 1 TVG gesetzlich angeordnete Verbindlichkeit tariflicher Rechtsnormen iSd. § 1 Abs. 1 TVG nicht „ohne weiteres“, also unmittelbar, ein (Rn. 26), sondern erfordert einen weiteren, tariflich festgelegten Rechtsakt der tarifgebundenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Ohne Nachvollziehung blieben die beiden Tarifverträge in Anwendung von § 37 MTV und § 8 ERTV für das Arbeitsverhältnis der Klägerin wirkungslos. Sein Inhalt richtete sich trotz beiderseitiger Tarifgebundenheit der Parteien entgegen § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG allein nach den (bisherigen) vertraglichen Vereinbarungen.
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(3) Die Regelungen in § 37 MTV und § 8 ERTV stellen zudem eine objektive Umgehung des in § 4 Abs. 3 Alt. 2 TVG verankerten Günstigkeitsprinzips (sh. oben Rn. 28) dar. Ihrem Inhalt nach schließen § 37 MTV und § 8 ERTV zwar privatautonome Regelungen der Arbeitsvertragsparteien nicht ausdrücklich aus. Für tarifgebundene Arbeitnehmer entfällt aber die Möglichkeit, sich neben tarifvertraglichen Ansprüchen auf günstigere arbeitsvertragliche Regelungen zu stützen. Vereinbaren sie mit dem Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag, der die Einführung des Tarifwerks „nachvollzieht“, „richtet sich“ das Arbeitsverhältnis „nach dem jeweils für den Betrieb aufgrund der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers … geltenden Tarifwerk in seiner jeweils gültigen Fassung“.
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Das widerspricht der gesetzlichen Konzeption des Günstigkeitsprinzips, nach der vom Tarifvertrag abweichende Abmachungen zulässig sind, „soweit“ sie Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten. Ob ein Arbeitsvertrag abweichende günstigere Regelungen gegenüber einem Tarifvertrag enthält, ergibt sich dabei aus einem Vergleich der Teilkomplexe der unterschiedlichen Regelungen, die in einem inneren Zusammenhang stehen (sog. Sachgruppenvergleich) (ausf. BAG 15. April 2015 - 4 AZR 587/13 - Rn. 27 ff., BAGE 151, 221), nicht aber aus einem Gesamtvergleich der tarifvertraglichen und arbeitsvertraglichen Vereinbarungen. Die geforderte arbeitsvertragliche Nachvollziehung erfordert demgegenüber eine - endgültige - Entscheidung zwischen den tariflichen und den bisherigen vertraglichen Regelungen. Daran würde sich nichts ändern, wenn - wie die Beklagte behauptet - die Tarifvertragsparteien durch besondere Regelungen insbesondere in § 7 Abs. 2 bis Abs. 7 ERTV dafür gesorgt hätten, dass - jedenfalls zunächst - eine auch nur partielle Verschlechterung der Entgeltbedingungen nicht zu befürchten wäre. Zum einen erfassen die Tarifbestimmungen lediglich das Monatsentgelt, nicht aber die weiteren Arbeitsbedingungen. Zum anderen wären die Arbeitnehmer aufgrund der Änderung der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen gehindert, sich zu einem späteren Zeitpunkt wieder auf diese zu berufen, zB nach Abschluss einer für sie ungünstigeren tariflichen Regelung. Die Tarifvertragsparteien greifen mit § 37 MTV und § 8 ERTV in den Bereich der privatautonomen Vereinbarungen zwischen den Arbeitsvertragsparteien ein. Dieser ist nach § 4 Abs. 3 Alt. 2 TVG insoweit ihrer Regelungsmacht jedoch entzogen.
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c) Aus der Unwirksamkeit von § 37 MTV, § 8 ERTV folgt nicht die Unwirksamkeit der übrigen tariflichen Vorschriften. Die Auslegungsregel des § 139 BGB findet auf Tarifverträge keine Anwendung. Maßgebend ist vielmehr, ob der Tarifvertrag ohne die unwirksame Bestimmung noch eine sinnvolle, in sich geschlossene Regelung enthält. Eine Unwirksamkeit des gesamten Tarifvertrags kann bei Nichtigkeit einzelner Tarifbestimmungen nur ausnahmsweise angenommen werden (BAG 26. Februar 2020 - 4 AZR 48/19 - Rn. 27; 16. November 2011 - 4 AZR 856/09 - Rn. 27). Vorliegend verbleibt auch ohne die beiden Tarifbestimmungen ein vollständiges Tarifwerk. Insbesondere entsteht durch den Wegfall der Bestimmungen keine Regelungslücke. Die Tarifverträge gelten aufgrund der gesetzlichen Regelung bei beiderseits tarifgebundenen Arbeitsvertragsparteien unmittelbar und zwingend nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG.
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d) Danach bedarf es keiner Entscheidung, ob die Beklagte der Klägerin am 31. März 2016 ein iSv. § 37 MTV, § 8 ERTV ordnungsgemäßes Angebot unterbreitet hat und ob sie sich, falls nicht, auf die fehlende arbeitsvertragliche Nachvollziehung berufen könnte (§ 162 BGB).
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3. Die Ansprüche der Klägerin sind nicht nach § 24 MTV verfallen. Dabei kann dahinstehen, ob sie ihre Ansprüche rechtzeitig iSd. Ausschlussfrist geltend gemacht hat. Mit Erklärung der Beklagten im Gütetermin vom 28. November 2016 (Rn. 9) ist die Anwendung der tariflichen Ausschlussfrist mit Einverständnis der Klägerin sowohl hinsichtlich der zum Zeitpunkt der Erklärung bereits rechtshängigen als auch im Hinblick auf zukünftige Ansprüche im Zusammenhang mit dem zwischen den Parteien bestehenden Streit über die Geltung des Tarifwerks der Beklagten für die Dauer des Prozesses ausgeschlossen.
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a) Zur schlüssigen Begründung eines Anspruchs gehört grundsätzlich die Darlegung, dass tarifliche Verfallfristen gewahrt wurden. Die Fristeinhaltung ist materiell-rechtliche Voraussetzung für das Bestehen des behaupteten Anspruchs. Ihre Nichteinhaltung ist eine Einwendung, die von Amts wegen zu beachten ist. Die Anwendung der tariflichen Ausschlussfristen kann jedoch - und auch das ist von Amts wegen zu berücksichtigen - im Einzelfall ausgeschlossen sein. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn ihre Einhaltung zugunsten des Arbeitnehmers einvernehmlich abbedungen ist. Nach dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 Alt. 2 TVG) ist dies jederzeit möglich (BAG 25. Januar 2006 - 4 AZR 622/04 - Rn. 51 f.).
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b) Die Auslegung der Erklärung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten (§§ 133, 157 BGB) ergibt, dass diese der Klägerin einen Antrag (§ 145 BGB) zur Abbedingung der Ausschlussfristen unterbreitet hat.
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aa) Es kann dahinstehen, ob es sich bei der zu Protokoll gegebenen Erklärung der Beklagten um eine Prozesserklärung, deren Auslegung vom Revisionsgericht selbständig vorzunehmen ist (vgl. hierzu BAG 20. November 2019 - 5 AZR 39/19 - Rn. 12), oder um eine nichttypische Willenserklärung handelt, deren Auslegung nur eingeschränkt überprüfbar ist (vgl. hierzu BAG 25. Januar 2017 - 4 AZR 522/15 - Rn. 22). Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht konsequent - eine Auslegung unterlassen. Der Senat kann die Auslegung selbst vornehmen, weil der erforderliche Sachverhalt festgestellt und kein weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien zu erwarten ist (vgl. hierzu BAG 15. Februar 2017 - 7 AZR 223/15 - Rn. 27; 11. April 2019 - 6 AZR 104/18 - Rn. 29, BAGE 166, 285).
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bb) Die Erklärung bezieht sich zunächst auf „streitgegenständliche“ Ansprüche. Dies können bei formalem Verständnis lediglich solche sein, die bereits Gegenstand der Klage sind. Allerdings „verzichtet“ die Beklagte „ab dem 01. November 2016 für die Dauer dieses Rechtsstreites auf die Geltendmachung von Ausschlussfristen“. Diese Zeitangabe bezieht sich bei verständiger Würdigung auch auf zukünftige Ansprüche. Denn die Beklagte hat im Anschluss an die Protokollierung das Ruhen des Verfahrens beantragt. Damit hat sie zu erkennen gegeben, dass die Klärung, ob die Klägerin auch ohne Änderung ihres Arbeitsvertrags Ansprüche aus dem Tarifwerk der Beklagten herleiten kann, auf unbestimmte Zeit verschoben werden soll. Dies konnte die Klägerin nur so verstehen, dass sie nicht gehalten sein soll, für nachfolgend fällig werdende Differenzentgeltansprüche die zweistufige Ausschlussfrist des § 24 MTV zu wahren.
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c) Diesen Antrag hat die Klägerin konkludent durch ihren Antrag auf Anordnung des Ruhens des Verfahrens angenommen.
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4. Die Klägerin hat Anspruch auf die beantragte Zahlung iHv. insgesamt 11.830,73 Euro brutto. Die Berechnungen der Klägerin sind zutreffend und zudem zwischen den Parteien nicht streitig.
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a) Die Klägerin hatte bis zum 31. Dezember 2016 Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe 8 ERTV iVm. der jeweils gültigen Entgelttabelle zuzüglich einer Besitzstandszulage iHv. 187,25 Euro brutto nach § 7 Abs. 6 ERTV. Von der Möglichkeit zur Abschmelzung der Zulage nach § 7 Abs. 4 ERTV hat die Beklagte keinen Gebrauch gemacht. Ab dem 1. Januar 2017 kann die Klägerin eine Vergütung nach Entgeltgruppe 9 ERTV iVm. der jeweils gültigen Entgelttabelle beanspruchen. Daraus ergibt sich eine Differenz zu der gezahlten Vergütung iHv. jeweils 84,00 Euro für die Monate Januar bis April 2016, iHv. jeweils 181,08 Euro für die Monate Mai bis Dezember 2016, iHv. jeweils 285,36 Euro für die Monate Januar bis Februar 2017 und iHv. jeweils 368,67 Euro für die Monate März 2017 bis Januar 2018.
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b) Darüber hinaus kann die Klägerin für die Monate März und April 2016 jeweils eine tarifliche Einmalzahlung iHv. 350,00 Euro brutto nach der Anlage 1 zum ERTV idF der Entgelttabelle ab 1. Mai 2016 verlangen.
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c) Ihr steht zudem mit der Auszahlung des Entgelts für die Monate November in den Jahren 2016 und 2017 eine Sonderzahlung nach § 25 MTV iHv. jeweils 2.360,00 Euro zu. Ihre Betriebszugehörigkeit übersteigt die Dauer von 60 Monaten und sie ist in Vollzeit beschäftigt.
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II. Die Klage ist hinsichtlich der Zinsen nur teilweise begründet. Die Klägerin hat für den Zeitraum von Januar 2016 bis Oktober 2016 Zinsen „seit Klageerhebung“ und damit ab Rechtshängigkeit geltend gemacht. Für Ansprüche aus den Monaten Januar bis September 2016 kann die Klägerin daher aufgrund der am 26. Oktober 2016 zugestellten Klageschrift Zahlung von Zinsen gem. §§ 288, 291 BGB ab dem darauffolgenden Tag verlangen, für die aus dem Monat Oktober 2016 allerdings erst ab dem 1. November 2016 (§ 291 Satz 1 Halbs. 2 BGB). Mangels Darlegung anderweitiger Abreden nach § 17 Abs. 2 MTV ist von einer Fälligkeit der Vergütung am Monatsende nach Nr. 4 Abs. 1 Satz 2 des Arbeitsvertrags auszugehen. Die weiteren Ansprüche sind nach §§ 286, 288 BGB unter Berücksichtigung von § 193 BGB in dem tenorierten Umfang zu verzinsen.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
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