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BAG 19.02.2014 - 10 AZR 620/13
BAG 19.02.2014 - 10 AZR 620/13 - Ausschlussfrist - "derselbe Sachverhalt"
Normen
§ 70 S 1 BAT, § 70 S 2 BAT, § 133 BGB, § 157 BGB
Vorinstanz
vorgehend ArbG Berlin, 23. August 2012, Az: 58 Ca 20404/11, Urteil
vorgehend LArbG Berlin-Brandenburg, 15. Februar 2013, Az: 22 Sa 1950/12, Urteil
Tenor
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1. Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. Februar 2013 - 22 Sa 1950/12 - wird zurückgewiesen.
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2. Das beklagte Land hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Frage, ob der Anspruch der Klägerin auf Zahlung restlicher Zuwendung für das Jahr 2008 nach § 70 BAT verfallen ist.
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Die Klägerin ist seit 1989 bei dem beklagten Land als Justizangestellte beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet nach dem Arbeitsvertrag der „Bundes-Angestelltentarifvertrag (Bund, Länder, Gemeinden) (BAT) unter Berücksichtigung der jeweils in Frage kommenden Sonderregelungen mit allen künftigen Änderungen und Ergänzungen“ Anwendung. Für das beklagte Land gilt außerdem der Anwendungs-TV Land Berlin vom 31. Juli 2003 idF vom 25. August 2004. Danach gilt für seine Angestellten sowohl der BAT als auch der Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte idF vom 31. Januar 2003. Hiernach steht dem Angestellten eine Zuwendung in Höhe einer Monatsvergütung zu.
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Die Klägerin erhielt im Jahr 2008 eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe VIb BAT, Lebensaltersstufe 37, woraus sich eine monatliche Grundvergütung iHv. 1.589,01 Euro brutto ergab. Die Differenz zur Vergütung nach der höchsten Lebensaltersstufe (Stufe 43) betrug 140,00 Euro brutto.
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Mit Schreiben vom 2. Oktober 2008 beanspruchte die Klägerin, ihr eine Grundvergütung nach der höchsten Lebensaltersstufe zu zahlen. Im Einzelnen hieß es in dem Schreiben wie folgt:
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„…
nach dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 11.09.2008 (Az.: 20 Sa 2244/07) stellt die monatliche Vergütung aus einer niedrigeren als der höchsten Lebensaltersstufe der jeweiligen Vergütungsgruppe einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot wegen Alters nach dem AGG dar.
Ich erhalte gegenwärtig nach Maßgabe des Anwendungs-TV Land Berlin in Vergütungsgruppe VI b Grundvergütung aus der 37. Lebensaltersstufe. Ich verlange hiermit ab September 2008 Grundvergütung aus der höchsten ... Lebensaltersstufe. Im Rahmen der Ausschlussfrist mache ich außerdem die Nachzahlung des Differenzbetrages zwischen der bisherigen und der ab September 2008 beanspruchten Grundvergütung geltend.
…“
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Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 10. November 2011 (- 6 AZR 148/09 - BAGE 140, 1) ist die Bemessung der Vergütung nach dem Lebensalter durch den BAT altersdiskriminierend, weshalb den betroffenen Arbeitnehmern Vergütung nach der höchsten Lebensaltersstufe zusteht.
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Das beklagte Land zahlte an die Klägerin für 2008 eine Zuwendung in Höhe von 1.589,01 Euro. Die Parteien sind darin einig, dass der Klägerin weitere 140,00 Euro brutto als restliche Zuwendung zustehen, wenn der Anspruch nicht nach § 70 BAT verfallen ist.
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Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe den Anspruch rechtzeitig geltend gemacht. Es sei für das beklagte Land erkennbar gewesen, dass sie mit dem Schreiben vom 2. Oktober 2008 auch die Zuwendung nach dem Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte nach Maßgabe einer höheren Grundvergütung habe geltend machen wollen.
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Die Klägerin hat beantragt
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festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, ihr den Differenzbetrag zwischen der ihr im Jahr 2008 gezahlten Sonderzuwendung nach dem Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte und der ihr unter Berücksichtigung der höchsten Lebensaltersstufe zustehenden Sonderzuwendung nach dem Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 11. November 2011 zu zahlen.
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Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es ist der Auffassung, die Klägerin habe den Anspruch auf eine erhöhte Zuwendung für das Jahr 2008 nicht innerhalb der Ausschlussfrist des § 70 BAT geltend gemacht. Seinem Wortlaut nach erfasse das Geltendmachungsschreiben nur die Grundvergütung. Es sei auch nicht auszuschließen, dass ein Anspruchsteller in Bezug auf den Diskriminierungsgedanken die Grundvergütung anders als eine Zuwendung behandelt wissen wolle. Grundvergütung und Zuwendung beruhten nicht auf demselben Sachverhalt. Sie seien in gesonderten Tarifverträgen geregelt, sodass es auch einer gesonderten Geltendmachung bedürfe.
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Das Arbeitsgericht hat dem bezeichneten Klageantrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des beklagten Landes ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Recht stattgegeben. Die zulässige Klage ist begründet.
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I. Die Klägerin hat nach § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 des Tarifvertrags über eine Zuwendung für Angestellte idF vom 31. Januar 2003 iVm. § 47 Abs. 2, § 26 Abs. 1 BAT und dem Arbeitsvertrag der Parteien Anspruch auf die begehrte Feststellung.
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1. Der Anspruch ist entstanden. Darüber streiten die Parteien nicht mehr.
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2. Der Anspruch ist nicht nach § 70 BAT verfallen.
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a) Nach § 70 Satz 1 BAT verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit vom Angestellten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden, soweit tarifvertraglich nichts anderes bestimmt ist. Nach § 70 Satz 2 BAT reicht für denselben Sachverhalt die einmalige Geltendmachung des Anspruchs aus, um die Ausschlussfrist auch für später fällig werdende Leistungen zu wahren.
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b) Die Klägerin hat ihren Anspruch auf erhöhte Grundvergütung mit dem Schreiben vom 2. Oktober 2008 geltend gemacht. Einer gesonderten Geltendmachung des Anspruchs auf die erhöhte Zuwendung bedurfte es nicht, weil der Anspruch auf Zuwendung denselben Sachverhalt iSd. § 70 Satz 2 BAT betrifft und die Zuwendung nur eine „später fällig werdende Leistung“ darstellt.
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aa) Dass die Klägerin den Anspruch auf erhöhte Grundvergütung mit ihrem Schreiben vom 2. Oktober 2008 geltend gemacht hat, stellt das beklagte Land nicht in Abrede.
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bb) Entgegen der Ansicht des beklagten Landes konnte die Verwendung des Begriffs „Grundvergütung“ im Anspruchsschreiben nach den für die Auslegung maßgeblichen §§ 133, 157 BGB (vgl. BAG 21. März 2012 - 4 AZR 266/10 - Rn. 62) nicht dahingehend verstanden werden, die Klägerin wolle die Geltendmachung auf die monatlich zu zahlende Vergütung beschränken. Die Klägerin verlangte „ab September 2008 Grundvergütung aus der höchsten ... Lebensaltersstufe“. Damit ist zum Ausdruck gebracht, dass sie die Bemessung der ihr zustehenden Vergütungsansprüche nach Maßgabe der höchsten Lebensaltersstufe wünschte. Die Klägerin erstrebte eine diskriminierungsfrei berechnete Grundvergütung, auch soweit sich dies auf die Höhe der Zuwendung auswirkte. Dies hat das beklagte Land nach Feststellung des Landesarbeitsgerichts zunächst auch selbst so gesehen. Für die Annahme, die Klägerin habe das beklagte Land mit ihrem Schreiben wissen lassen wollen, einer diskriminierenden Berechnung bestimmter Teile ihrer Vergütung, nämlich ihres Anspruchs auf die Zuwendung, sehe sie unter Inkaufnahme der damit verbundenen wirtschaftlichen Selbstschädigung zustimmend entgegen, bestehen keine nach Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte (vgl. § 157 BGB) berücksichtigungsfähigen Anhaltspunkte.
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cc) Der hier streitige Anspruch auf die restliche Zuwendung für das Jahr 2008 betrifft „denselben Sachverhalt“ wie der Anspruch auf die diskriminierungsfrei berechnete monatliche Grundvergütung. Derselbe Sachverhalt iSd. § 70 Satz 2 BAT liegt vor, wenn bei unveränderter rechtlicher oder tatsächlicher Lage aus einem bestimmten Tatbestand Ansprüche herzuleiten sind (st. Rspr., BAG 22. Januar 2009 - 6 AZR 5/08 - Rn. 18; 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - BAGE 109, 100; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 -; 17. Mai 2001 - 8 AZR 366/00 -; 27. April 1995 - 8 AZR 582/94 -; 7. September 1994 - 10 AZR 766/93 - BAGE 77, 346; 20. Juli 1989 - 6 AZR 774/87 -). So liegt der Fall hier. Die einzige zwischen den Parteien strittige Frage war, ob die Berechnung der Grundvergütung gegen das Verbot der Altersdiskriminierung verstieß und ob daraus die Verpflichtung des beklagten Landes zur Zahlung der Vergütung nach der höchsten Altersstufe folgte. Diese Frage konnte für die laufende Vergütung nicht anders beurteilt werden als für die - dem Grunde nach unstreitige und nur später fällige - Zuwendung, weil deren Höhe sich aus der Höhe der laufenden Vergütung ohne Weiteres ergab.
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c) Im Übrigen hat das Bundesarbeitsgericht bei tariflichen Verfallklauseln, die keine dem § 70 Satz 2 BAT entsprechende Regelung treffen, dieselben Grundsätze angewandt. Wird bei unveränderter rechtlicher und tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet, so kann die einmalige ordnungsgemäße Geltendmachung ausreichend sein, auch wenn das nicht ausdrücklich vorgesehen ist (BAG 16. Januar 2013 - 10 AZR 863/11 - Rn. 31; 9. März 2005 - 5 AZR 385/02 - zu III 1 b der Gründe).
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II. Die Klägerin hat Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen (§ 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB). Die Verzinsung ab dem 11. November 2011 steht nach ausdrücklicher Erklärung des beklagten Landes nicht mehr im Streit.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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