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BSG 19.04.2024 - B 5 R 113/23 B
BSG 19.04.2024 - B 5 R 113/23 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - "Prozessurteil statt Sachurteil"
Normen
§ 62 SGG, § 103 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, Art 103 Abs 1 GG
Vorinstanz
vorgehend SG München, 27. September 2021, Az: S 14 R 523/20, Gerichtsbescheid
vorgehend Bayerisches Landessozialgericht, 24. Mai 2023, Az: L 6 R 553/21, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Mai 2023 wird als unzulässig verworfen.
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Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
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I. Ausgangspunkt des Rechtsstreits ist eine im April 2020 von der Klägerin erhobene Untätigkeitsklage, mit der sie eine Entscheidung der Beklagten über ihren Rentenantrag vom Januar 2019 begehrt hat. Nach Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1.1.2019 bis zum 30.11.2021 mit Rentenbescheid vom 22.6.2020 hat die Klägerin beantragt, die Untätigkeitsklage "als Fortsetzungsfeststellungsklage" weiterzuführen und ua auf Schadensersatzansprüche ihrerseits sowie eine durch die Beklagte nicht vollständig gewährte Akteneinsicht verwiesen. Dem gegen den Bescheid vom 22.6.2020 erhobenen Widerspruch hat die Beklagte vollständig abgeholfen und mit Bescheid vom 1.4.2021 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer gewährt. Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 27.9.2021). Im Berufungsverfahren hat die Klägerin weitere Anträge gestellt ua auf Feststellung, dass weitere Anordnungen von Nachuntersuchungen durch die Beklagte rechtswidrig seien sowie die Herausgabe vollständiger Datenkopien nach der EU-Datenschutz-Grundverordnung und die Vorlage der Rechtssache an den EuGH verlangt. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 24.5.2023).
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Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 26.7.2023 Beschwerde beim BSG eingelegt und mit Schreiben vom 16.9.2023 weiter begründet. Sie macht eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung geltend und rügt verschiedene Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 3 SGG).
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form begründet ist. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
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1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die Umstände, aus denen sich der Verfahrensfehler ergeben soll, substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
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Die Klägerin rügt zunächst eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) sowie eine Verletzung ihres Rechts auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) und trägt dazu vor, das LSG sei verschiedenen im Schriftsatz vom 26.4.2023 gestellten und in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG ausweislich des Protokolls aufrechterhaltenen Beweisanträgen nicht gefolgt. Dem umfangreichen und in seiner formalen und inhaltlichen Struktur teilweise schwer nachvollziehbaren Vorbringen hierzu kann schon nicht entnommen werden, dass prozessordnungsgemäße Beweisanträge gestellt und bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten worden sind. Die Klägerin benennt im Wesentlichen von ihr im Prozess gefertigte oder von ihr vorgelegte Schriftstücke - sie selbst spricht von "Beweisurkunden" - die sie vom LSG nicht richtig gewürdigt sieht. Soweit sie damit die Beweiswürdigung und die rechtliche Beurteilung im Einzelfall angreift, kann hierauf weder die Rüge einer mangelhaften Sachaufklärung noch die Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs gestützt werden.
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Auch mit ihrem weiteren Vorbringen, anstelle der gebotenen Sachentscheidung sei ein bloßes Prozessurteil ergangen und bei Kenntnisnahme der Beweisanträge hätte das LSG feststellen müssen, dass die Klageerweiterung vom 26.4.2023 zulässig gewesen sei, bezeichnet sie ebenfalls nicht hinreichend einen Verfahrensfehler. Die Rüge, dass das LSG zu Unrecht nicht in der Sache entschieden habe, setzt nicht bloß die Darlegung voraus, dass die Gründe des LSG, die es zu dieser Entscheidung bewogen haben, unzureichend seien. Den Darlegungserfordernissen wird eine solche Rüge nur gerecht, wenn die Beschwerdebegründung schlüssig ausführt, dass die Klage auch ansonsten alle Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt (vgl zB BSG Beschluss vom 27.10.2023 - B 1 KR 15/22 B - juris RdNr 12). Hierzu fehlt es an nachvollziehbaren rechtlichen Ausführungen unter Berücksichtigung der einschlägigen Normen des Verfahrensrechts und der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Die Klägerin zitiert zwar Entscheidungen des BSG, es wird indes aus den Darlegungen nicht hinreichend deutlich, inwiefern diese für den Fall von Bedeutung sein könnten. Die Klägerin führt stattdessen in weiten Teilen Schriftstücke und ärztliche Befunde auf. Darüber hinaus fehlt es an jeder Auseinandersetzung mit den vom LSG getroffenen Tatsachenfeststellungen und den rechtlichen Ausführungen des LSG.
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Das gilt auch, soweit die Klägerin als weiteren Verfahrensfehler geltend macht, das LSG habe hinsichtlich der begehrten Einsichtnahme in die vollständigen medizinischen Akten der Beklagten zu Unrecht ein Prozessurteil erlassen anstelle einer gebotenen Sachentscheidung über eine Feststellungsklage. So verhält sich die Beschwerdebegründung nicht zu den Gründen, aus denen das LSG den Anspruch nicht als Gegenstand des Verfahrens angesehen hat. Soweit die Klägerin sich zur Begründung eines Anspruchs auf unentgeltliche Kopien der gesamten Akten der Beklagten auf Rechtsprechung des EuGH und des BSG bezieht, mangelt es darüber hinaus an einer nachvollziehbaren Aufbereitung insbesondere im Hinblick auf den geltend gemachten Verfahrensfehler.
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2. Auch mit ihrem Vortrag zur Rüge einer Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat die Klägerin die Anforderungen an die Begründung einer zulässigen Nichtzulassungsbeschwerde nicht erfüllt (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
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Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. In der Beschwerdebegründung ist daher zunächst aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten revisiblen Norm iS des § 162 SGG stellt. Sodann ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung darzutun, weshalb deren Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich ist aufzuzeigen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt (s etwa BSG Beschluss vom 4.5.2023 - B 5 R 30/23 B - juris RdNr 6 mwN).
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Die Klägerin hat mit ihren Fragen:
"a)
Ist § 25 SGB X im Lichte des Art. 15 Abs. 3 EU-DSGVO so auszulegen, dass die Sozialversicherungsträger verpflichtet sind, die vollständige Akte über den Sozialversicherungsnehmer vorzulegen, wenn ein Sozialversicherungsnehmer - wie die Klägerin im Rahmen bereits der Widerspruchsverfahrens gegen vorgenannten Rentenbescheide - Kenntnis begehrt über die vollständigen Akten inklusive aller Feststellungen des Medizinischen Dienstes, auf welche sich die Bescheidsbegründungen der Beklagten berufen?
b)
Musste das Begehren der Klägerin gegenüber der Beklagten auf Kenntnis der vollständigen Akte mit Widerspruch vom 24.05.19 als Antrag gem. Art. 15 Abs. 3 EU-DSGVO ausgelegt werden, unabhängig davon ob die Rechtsgrundlage des Art. 15 Abs 3 EU-DSGVO oder des § 83 SGB X benannt werden? Musste der Kontext der begehrten Aktenkenntnis berücksichtigt werden:
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Klägerin wehrte sich gegen Bescheid vom 26.04.2019,
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Bescheid vom 26.04.2019 lehnte den Antrag der Klägerin vom 09.04.2019 ab, den Reha-Antrag v. 01.01.2019 gem. § 116 SGB VI als Rentenantrag zu behandeln
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Bescheid vom 26.04.2019 verwies die Klägerin auf neuen Antrag nach Durchführung einer lebensgefährlichen Operation.
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Bescheid vom 26.04.2019 berief sich zur Begründung auf die Feststellungen des medizinischen Dienstes der Beklagten
Ist es mit Art. 15 Abs. 3 EU-DSGVO vereinbar, dass das LSG zwei verschiedene Rechtsansprüche deklariert, die miteinander nichts zu tun haben sollen:
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Einen Rechtsanspruch gem. Art. 25 SGB X auf Einsicht in irgendeine Teilakte, soweit der Beklagte überhaupt bereit ist, diese dem Gericht vorzulegen.
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Einen anderen Rechtsanspruch auf Auskunftserteilung mit Datenkopie, wobei durch den in Bezug genommenen Beschluss des OLG Köln klar wird, dass das LSG unter Datenkopie keine Akte versteht, und die Ansicht vertritt, vollständige Aktenvorlage scheide wegen Rechte Dritter aus.
c)
Ist es mit Art. 15 Abs. 3 EU-DSGVO vereinbar, dass das SG München mit Bestätigung des LSG die Klägerin darauf verweist, die Klägerin müsse sich damit zufrieden geben, was die Beklagte vorgelegt habe, ohne dass die Beklagte Vollständigkeit versicherte, und obwohl offenkundig die Feststellungen des Medizinischen Dienstes, auf welche sich die Beklagte in ihren Bescheiden vom 26.04.2019 und 22.06.2020 sowie 01.04.2021 zur Abweisung der unbefristeten Rente nach § 116 SGB VI berief, nicht enthalten sind?
d)
Ist es mit Art. 15 Abs. 3 EU-DSGVO vereinbar, dass das SG München mit Bestätigung des LSG die Klägerin darauf verweist, es gäbe für die Klägerin keinen Rechtsanspruch auf vollständige Aktenkenntnis?"
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schon keine Rechtsfragen iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG bezeichnet. Solche müssen sich auf verallgemeinerungsfähige abstrakt-generelle Aussagen beziehen, die sich im Zusammenhang mit der Interpretation einer bestimmten Rechtsvorschrift stellen (vgl zB BSG Beschluss vom 6.1.2022 - B 5 LW 2/21 B - juris RdNr 13 mwN). Die Bezugnahme auf gleich mehrere Sachverhaltselemente in ihrer Kombination zeigen indes, dass die Klägerin vom BSG eine Antwort darauf erhalten will, ob das Ergebnis der Rechtsanwendung des LSG in ihrer Sache richtig ist. Der Wunsch nach einer höchstrichterlichen Überprüfung der von der Vorinstanz vorgenommenen Subsumtion vermag die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache jedoch nicht zu begründen (vgl BSG Beschluss vom 22.12.2023 - B 5 R 150/23 B - juris RdNr 7). Selbst wenn man in der unter a) formulierten Frage eine abstrakte Rechtsfrage sehen wollte, mangelt es an jeder nachvollziehbaren Begründung der Klärungsbedürftigkeit unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung sowie der Klärungsfähigkeit unter Berücksichtigung der Feststellungen und der rechtlichen Ausführungen im angefochtenen Urteil.
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Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Düring
Hahn
Körner
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