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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
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BSG 14.06.2023 - B 11 SF 5/23 S
BSG 14.06.2023 - B 11 SF 5/23 S
Tenor
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Das Sozialgericht Gotha wird zum zuständigen Gericht bestimmt.
Gründe
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Die Voraussetzungen einer Zuständigkeitsbestimmung nach § 58 Abs 1 Nr 4 SGG ("negativer Kompetenzkonflikt") durch das BSG liegen vor. Zwar sind nach § 98 Satz 1 SGG iVm § 17a Abs 2 Satz 3 GVG rechtskräftige Verweisungsbeschlüsse für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, grundsätzlich bindend. Die Bestimmung des zuständigen Gerichts hat aber zu erfolgen, wenn dies zur Wahrung einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit notwendig ist. Dies ist der Fall, wenn es innerhalb eines Verfahrens zu Zweifeln über die Bindungswirkung eines rechtskräftigen Verweisungsbeschlusses kommt und keines der infrage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten. Dies ist vorliegend der Fall. Das SG Nürnberg konnte von einem eigenen Verweisungsbeschluss absehen und von seiner Unzuständigkeit ausgehend unmittelbar das BSG zur Bestimmung des zuständigen Gerichts anrufen (vgl BSG vom 27.5.2004 - B 7 SF 6/04 S - SozR 4-1500 § 57a Nr 2 RdNr 8).
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Zuständig ist das SG Gotha. Die Verweisung an das SG Nürnberg ist für dieses nicht bindend, weil der Verweisungsbeschluss willkürlich ist. Das Gesetz schreibt in § 98 Satz 1 SGG iVm § 17a Abs 2 Satz 3 GVG vor, dass eine Verweisung wegen örtlicher oder sachlicher Unzuständigkeit für das Gericht, an das verwiesen wird, bindend ist. Nur in seltenen Ausnahmefällen kommt eine Durchbrechung der Bindungswirkung in Betracht, wenn die Verweisung auf einer Missachtung elementarer Verfahrensgrundsätze oder auf willkürlichen Erwägungen beruht (BSG vom 5.1.2017 - B 4 SF 40/16 S - juris RdNr 4 mwN; BSG vom 25.11.2019 - B 11 SF 10/19 S - juris RdNr 5). Eine - aus Sicht des übergeordneten Gerichts - fehlerhafte Auslegung des Gesetzes allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Es kommt daher nicht darauf an, ob das übergeordnete Gericht die gleiche Rechtsauffassung vertreten würde, sondern ob die vom untergeordneten Gericht vertretene Rechtsauffassung noch vertretbar ist. Unvertretbarkeit und damit Willkür im hiesigen Sinne liegt erst vor, wenn die Rechtslage in krasser Weise verkannt wird und die vertretene Auffassung jeden sachlichen Grunds entbehrt, sodass sich die Verweisung bei Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Normen in einer nicht mehr hinnehmbaren Weise von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt (stRspr; vgl nur BSG vom 21.2.2012 - B 12 SF 7/11 S - juris RdNr 9 ; BSG vom 13.12.2016 - B 4 SF 4/16 R - juris RdNr 7; BSG vom 23.4.2018 - B 11 SF 4/18 S - juris RdNr 6 ; BSG vom 25.11.2019 - B 11 SF 10/19 S - juris RdNr 5). Ist eine Entscheidung derart unverständlich, dass sie sachlich schlechthin unhaltbar ist, ist sie objektiv willkürlich (BVerfG vom 7.4.1981 - 2 BvR 911/80 - BVerfGE 57, 39 [42]; BVerfG [K] vom 9.3.2020 - 2 BvR 103/20 - juris RdNr 64). Maßgeblich ist, ob die Entscheidung im Ergebnis objektiv vertretbar ist (vgl BVerfG [K] vom 3.3.2015 - 1 BvR 3271/14 - juris RdNr 13 f; BVerfG [K] vom 10.3.2022 - 1 BvR 484/22 - juris RdNr 10). Auf subjektive Umstände oder ein Verschulden des Gerichts kommt es dabei nicht an (BVerfG vom 7.4.1981 - 2 BvR 911/80 - BVerfGE 57, 39 [42]; BVerfG [K] vom 9.3.2020 - 2 BvR 103/20 - juris RdNr 64 mwN).
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Objektiv willkürlich ist eine Entscheidung etwa dann, wenn das Gericht eine einschlägige Norm nicht angewendet hat (stRspr; vgl etwa BVerfG vom 8.7.1997 - 1 BvR 1934/93 - BVerfGE 96, 189 [203]; BVerfG [K] vom 30.9.2022 - 2 BvR 2222/21 - juris RdNr 43 mwN). Soweit der 4. Senat des BSG entschieden hat, dass das Übersehen einer neuen Sonderregelung eine Entscheidung nicht willkürlich macht (BSG vom 5.1.2017 - B 4 SF 40/16 S - juris RdNr 4), hält der nunmehr allein für Verfahren nach § 58 SGG zuständige 11. Senat hieran nicht fest, da objektiver Willkür gerade nicht entgegensteht, falls dem Gericht lediglich versehentlich ein nachvollziehbarer Fehler unterlaufen ist.
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Nach diesen Maßstäben ist der Verweisungsbeschluss des SG Gotha willkürlich, weil das SG Gotha die Regelung des § 369 SGB III unangewendet gelassen hat, obwohl sie einschlägig ist. Diese Norm bestimmt, dass die Klage auch bei dem Gericht erhoben werden kann, in dessen Bezirk die Regionaldirektion oder die Agentur für Arbeit ihren Sitz hat, wenn eine Klage gegen die Bundesagentur Bezug auf den Aufgabenbereich einer Regionaldirektion oder einer Agentur für Arbeit hat und der Sitz der Bundesagentur maßgebend für die örtliche Zuständigkeit des Gerichts ist. Der Anwendungsbereich des § 369 SGB III ist eröffnet, weil zum einen - wovon auch das SG Gotha aufgrund der Angaben der Klägerin in der Klageschrift vertretbar ausgegangen ist - die Klägerin jedenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung ihren Wohnsitz im Ausland hatte und deswegen gemäß § 57 Abs 3 SGG der Sitz der beklagten Bundesagentur für Arbeit, der nach § 367 Abs 4 SGB III in Nürnberg ist, maßgeblich ist. Zum anderen hat die Klage Bezug auf den Aufgabenbereich einer Agentur für Arbeit, weil die angegriffenen Bescheide von der Agentur für Arbeit Thüringen Mitte mit Sitz in Erfurt erlassen worden sind. Durch ihre Klageerhebung beim SG Gotha hat die Klägerin von der durch § 369 SGB III eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Klage bei dem für diese Agentur für Arbeit zuständigen SG Gotha (vgl § 1 Abs 2 Nr 2 Thüringer Gesetz zur Ausführung des Sozialgerichtsgesetzes - ThürAGSGG) zu erheben (zur Ausübung der Wahlentscheidung durch Klageerhebung bei einem von mehreren zuständigen Gerichten siehe Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 57 RdNr 7b).
Söhngen
B. Schmidt
Burkiczak
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