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BSG 08.03.2023 - B 7 AS 129/22 B
BSG 08.03.2023 - B 7 AS 129/22 B
Tenor
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Die Beschwerden der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 20. September 2022 werden zurückgewiesen.
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Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
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Die Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung sind zurückzuweisen, weil sie jedenfalls unbegründet sind.
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Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Eine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits in dem Sinne, ob das LSG in der Sache richtig entschieden hat, ist nicht zulässig.
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Der von den Klägern behauptete Verstoß gegen § 120 SGG durch das Übergehen von Akteneinsichtsanträgen liegt nicht vor. Nach § 120 Abs 1 Satz 1 SGG haben die Beteiligten das Recht der Einsicht in die Akten, soweit die übermittelnde Behörde dieses nicht ausschließt. Wird das Recht auf Akteneinsicht verweigert, kann darin ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG) zu sehen sein (vgl nur Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 120 RdNr 10 mwN). Die Kläger behaupten zwar, das LSG habe ihre Anträge auf Akteneinsicht vom 17.12.2021, 23.3.2022 und 15.9.2022 übergangen. Dieser Vortrag entspricht jedoch nicht der Wahrheit. Im Schriftsatz vom 17.12.2021 ist bereits kein Antrag auf Akteneinsicht enthalten. Dem Antrag vom 23.3.2022 ist mit Verfügung vom 24.3.2022, mit dem die Verwaltungsakten zur Einsicht an die Bevollmächtigte der Kläger übersandt worden sind, nachgekommen worden. Mit gerichtlichem Schreiben vom 26.4.2022 wurden zudem die Gerichtsakten zur Einsicht übersandt. Auf das Schreiben der Klägerbevollmächtigten vom 15.9.2022, wonach Akteneinsicht "vorerst in die Wahr- und Klagehandakten des Beklagten" gefordert worden ist, hat das Gericht mit Verfügung vom 16.9.2022 mitgeteilt, dass entsprechende Akten nicht beigezogen seien und diese damit auch nicht zur Einsicht überlassen werden könnten.
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Die weiteren von den Klägern behaupteten Verfahrensmängel sind nicht ordnungsgemäß bezeichnet.
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Sie rügen zum einen, das LSG habe ermessensfehlerhaft angenommen, die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 153 Abs 4 SGG (Zurückweisung der Berufung durch Beschluss, wenn das LSG sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich hält) lägen vor. Sie führen zur Begründung aus, der Fall sei schwierig und komplex, weil die Entscheidung des LSG lang sei und sich insbesondere zu einer Vielzahl verfahrensrechtlicher Fragen verhalte; zudem hätte ihren Beweisangeboten in einer mündlichen Verhandlung nachgegangen werden müssen. Warum die Länge einer Entscheidung und die Auseinandersetzung mit verfahrensrechtlichen Fragen, die sich aus der Antragstellung der Kläger im Berufungsverfahren ergeben, eine Entscheidung im Beschlussweg ermessensfehlerhaft macht, legen die Kläger aber nicht dar, sondern belassen es im Ergebnis bei der Behauptung, aus der Länge der Entscheidung ergebe sich bereits die Schwierigkeit des Verfahrens. Zudem setzt sich die Beschwerdebegründung nicht mit dem Umstand auseinander, dass nach ihrem eigenen Vortrag das LSG vom fehlenden Nachweis der Hilfebedürftigkeit im streitbefangenen Zeitraum ausgegangen ist und keine Anknüpfungspunkte für weitere Ermittlungen gesehen hat. Wenn sie behaupten, es sei Beweis angeboten worden durch sich unstreitig in den Akten befindliche Bescheide und Abrechnungen, handelt es sich weder um die ordnungsgemäße Darlegung eines Beweisantrags noch setzen sich die Kläger damit auseinander, dass sich das LSG nach ihrem eigenen Vorbringen mit diesen Unterlagen in seiner Entscheidung gerade auseinandergesetzt hat.
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Auch der behauptete Verstoß gegen § 103 SGG ist damit nicht hinreichend dargetan. Wer sich auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG stützt, muss für die ordnungsgemäße Darlegung des behaupteten Verfahrensmangels einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten (vgl zB BSG vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 mwN). Insoweit fehlt es schon an der Wiedergabe eines Beweisantrags. Nichts anderes gilt, wenn die Kläger geltend machen, das LSG habe Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG verletzt, weil es Beweisanträge ohne Begründung übergangen habe. Mit dem Vortrag, sie hätten Banken vom Bankgeheimnis befreit und zum Beweis von Einkommen und Vermögen auf den ausgefüllten Folgeantrag nebst Zusatzbogen Vermögen verwiesen nebst den zu den Akten eingereichten Unterlagen, ist der behauptete Verfahrensmangel nicht ordnungsgemäß begründet; gleiches gilt für den behaupteten Verstoß gegen § 128 SGG.
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Darüber hinaus rügen die Kläger eine "Verletzung des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 9 IV GG i.V.m. § 7 I,1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 9ff SGB II und ein faires Verfahren aus Art. 20 III GG i.V.m. Art. 3 GG i.V.m. dem Verhältnismäßigkeitsgebot i.V.m. § 9 SGB II sowie die Verletzung des Justizgewährungsanspruchs". Sie tragen zur Begründung vor, indem das LSG behaupte, sich nicht von ihrer Hilfebedürftigkeit für die Zeit von Oktober 2014 bis März 2015 überzeugen zu können, seien pauschal behauptete Zweifel des Gerichts unsachlich und unfair, da diese nicht entkräftet werden könnten und damit effektiver Rechtsschutz verwehrt werde. Das LSG hätte sich aufgrund aktenkundiger Unterlagen von der Mittellosigkeit der Kläger überzeugen können. In diesem Vortrag ist aber keine formgerechte Begründung eines Verfahrensmangels, sondern inhaltliche Kritik an der Entscheidung des LSG zu sehen, die die Zulassung der Revision nicht zu begründen vermag. Denn Gegenstand des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens ist nicht, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat (stRspr; vgl nur BSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 -SozR 1500 § 160a Nr 7).
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Zudem behaupten die Kläger, das LSG habe unter Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren und damit willkürlich unter Verletzung des Rechts- und Sozialstaatsprinzips entschieden, in dem es behauptet habe, die Hilfebedürftigkeit für den streitbefangenen Zeitraum sei nicht nachgewiesen. Damit widerspreche das LSG dem Gesetzeswortlaut des § 9 Abs 1 SGB II zur Hilfebedürftigkeit, bewerte gewährte geringfügige Darlehen zu Unrecht als bedarfsdeckendes Einkommen und entferne sich "vernünftig nicht mehr nachvollziehbar von einem fairen objektiven rechtsstaatlichen Verfahren". Dieser und der weitere Vortrag zum behaupteten Verfahrensmangel bezeichnet einen solchen aber nicht, sondern erschöpft sich ebenfalls in einer inhaltlichen Kritik an der Richtigkeit der Entscheidung des LSG, ein Anspruch auf Leistungen bestehe mangels nachgewiesener Hilfebedürftigkeit nicht. Nichts anderes gilt, soweit die Kläger vortragen, angesichts der vorliegenden Unterlagen sei die Entscheidung "überraschend" gewesen und von ihnen sei mit der Aufforderung darzulegen, wie der Lebensunterhalt im streitbefangenen Zeitraum gesichert worden sei, Unmögliches verlangt worden. Soweit sie behaupten, die beantragte Fristverlängerung zum Nachweis der Hilfebedürftigkeit sei nicht gewährt und damit der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz verletzt worden, trifft dies in der Sache nicht zu.
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Soweit schließlich vorgebracht wird, das LSG habe § 157 SGG verletzt, wonach es den Streitfall als weitere Tatsacheninstanz in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu überprüfen und alle vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel zu berücksichtigen habe, und zur Begründung ausgeführt wird, das LSG hätte nach dem Akteninhalt die Überzeugung von der bestehenden Hilfebedürftigkeit gewinnen müssen, sind diese Ausführungen ebenfalls nur als im Beschwerdeverfahren unbeachtliche inhaltliche Kritik zu verstehen. Ein Formmangel ist dadurch nicht formgerecht gerügt.
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Die Kläger tragen zudem vor, die Revision sei wegen Divergenz der Entscheidung des LSG zur Entscheidung des BSG mit dem Aktenzeichen B 4 AS 32/08 R zuzulassen. Diesen Zulassungsgrund haben die Kläger in der Begründung der Beschwerde aber ebenfalls nicht schlüssig dargelegt (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Für die Bezeichnung einer Abweichung (Divergenz) ist aufzuzeigen, mit welcher genau bezeichneten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angefochtene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage des BSG abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG aufgestellt hat, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen vermag die Zulassung der Revision wegen Abweichung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss deshalb erkennen lassen, dass das LSG dem BSG widersprochen und von den bezeichneten rechtlichen Aussagen des BSG abweichende, dh mit diesen unvereinbare eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat (vgl nur BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3 - 1500 § 160a Nr 34). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Kläger tragen zwar vor, das LSG habe das tragende Kriterium aufgestellt, dass Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II nicht vorliege, wenn nicht dargelegt werde, wie man offenkundig faktisch und tatsächlich überlebt habe. Dem gegenüber habe das BSG in der genannten Entscheidung das Kriterium aufgestellt, dass eine faktische Bedarfsdeckung die Hilfebedürftigkeit nicht entfallen lasse, da allein entscheidend sei, ob im Bedarfszeitraum Einkommen in bedarfsdeckender Höhe zur endgültigen Verwendung zur Verfügung stehe. Damit haben die Kläger jedoch keine einander im Grundsätzlichen widersprechende Rechtssätze wiedergegeben. Vielmehr knüpft die Aussage des BSG im Grundsatz erst an nachgewiesenes Einkommen an, woran es nach dem LSG vorliegend gerade fehlte.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
S. Knickrehm
Harich
RBSG Siefert
ist wegen Urlaubs an
der Signatur verhindert
S. Knickrehm
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