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BSG 16.02.2023 - B 7 AS 146/22 B
BSG 16.02.2023 - B 7 AS 146/22 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Beiordnung eines Notanwalts - Aussichtslosigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde
Normen
§ 160a SGG, § 73 Abs 4 S 1 SGG, § 202 S 1 SGG, § 78b Abs 1 ZPO, § 160 Abs 2 SGG
Vorinstanz
vorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 1. Juli 2021, Az: L 7 AS 328/21 ZVW, Beschluss
vorgehend SG Gelsenkirchen, 15. Oktober 2015, Az: S 38 AS 237/13, Urteil
Tenor
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Der Antrag des Klägers auf Beiordnung eines Notanwalts zur Begründung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 1. Juli 2021 - L 7 AS 328/21 ZVW - wird abgelehnt.
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 1. Juli 2021 - L 7 AS 328/21 ZVW - wird als unzulässig verworfen.
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Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
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I. Umstritten war ursprünglich die vorzeitige Beendigung einer Weiterbildungsmaßnahme durch das beklagte Jobcenter im Jahr 2012. Der Kläger verfolgt hierzu im gerichtlichen Verfahren nach Ablauf der Maßnahme verschiedene Feststellungsbegehren. Klage und Berufung blieben insoweit ohne Erfolg (Urteil des SG vom 15.10.2015 - S 38 AS 237/13 - und Urteil des LSG vom 19.10.2017 - L 7 AS 2163/15). Die hiergegen vom Kläger erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat das BSG bei gleichzeitiger Ablehnung von PKH als unzulässig verworfen (Beschluss vom 11.6.2018 - B 14 AS 418/17 B). Einen Antrag ua auf Ergänzung des Berufungsurteils lehnte das LSG durch Beschluss gemäß § 153 Abs 4 SGG ab (Beschluss vom 6.12.2018 - L 7 AS 1182/18 WA). Die hiergegen vom Kläger erhobene Verfahrensrüge war erfolgreich und führte zur Zurückverweisung des Rechtsstreits insoweit (BSG vom 27.1.2021 - B 14 AS 346/19 B). Mit dem streitgegenständlichen Beschluss hat das LSG den Antrag auf Ergänzung des Berufungsurteils vom 19.10.2017 (erneut) abgelehnt (Beschluss vom 1.7.2021). Den Antrag auf Bewilligung von PKH für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat das BSG aufgrund fehlender wirtschaftlicher Bedürftigkeit abgelehnt, nachdem der Kläger eine Erwerbstätigkeit aufgenommen hatte (Beschluss vom 11.10.2022 - B 7/14 AS 57/21 BH). Dieser Beschluss ist ihm am 15.11.2022 zugestellt worden. Am 12.12.2022 hat der zu diesem Zeitpunkt anwaltlich vertretene Kläger Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Auf Antrag des Prozessbevollmächtigten ebenfalls vom 12.12.2022 hat das BSG den Antrag auf Verlängerung der Frist zur Begründung der Beschwerde bis 15.2.2023 einschließlich verlängert. Am 13.1.2023 haben die (vormaligen) Prozessbevollmächtigten des Klägers angezeigt, dass sie den Kläger nicht mehr vertreten. Daraufhin hat der Kläger mit am 18.1.2023 beim BSG eingegangenen Schreiben vom 14.1.2023 beantragt, ihm für das weitere Beschwerdeverfahren einen Rechtsanwalt gemäß § 202 SGG iVm § 78b ZPO beizuordnen, weil er trotz intensiver Suche keinen zur Vertretung bereiten Prozessbevollmächtigten habe finden können.
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II. 1. Der Antrag des Klägers, ihm für sein Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschluss des LSG einen Notanwalt beizuordnen, ist abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung aussichtslos ist.
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Nach § 202 Satz 1 SGG iVm § 78b Abs 1 ZPO hat das Prozessgericht, soweit - wie hier im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 160a SGG iVm § 73 Abs 4 SGG - eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, einer Partei auf ihren Antrag durch Beschluss für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen. Erforderlich hierfür ist, dass sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Aussichtslosigkeit besteht, wenn ein günstiges Ergebnis auch bei anwaltlicher Beratung ganz offenbar nicht erreicht werden kann. Bei einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in einem Urteil des LSG liegt eine solche Aussichtslosigkeit vor, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen der in § 160 Abs 2 SGG enumerativ aufgeführten Gründe für die Zulassung der Revision - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Divergenz, Verfahrensmangel - offenbar nicht vorliegen (BSG vom 29.3.2012 - B 14 AS 251/11 B - SozR 4-1750 § 78b Nr 1 RdNr 3 ff; BSG vom 16.3.2022 - B 1 KR 29/21 B - RdNr 6).
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Dies ist hier der Fall. Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), der Beschluss des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund liegt nach dem Vorbringen des Klägers und nach summarischer Prüfung des Streitstoffs aufgrund des Inhalts der beigezogenen Verfahrensakte offensichtlich nicht vor.
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Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) ist nur dann anzunehmen, wenn eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Es ist nicht erkennbar, dass sich wegen der Entscheidung der Vorinstanz, der Antrag des Klägers auf Ergänzung des Urteils vom 19.10.2017 sei unbegründet, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen. Mit den Ausführungen des Klägers zur - vermeint-lich - grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache wendet er sich nur (weiterhin) gegen die inhaltliche Richtigkeit des Berufungsurteils, was eine grundsätzliche Bedeutung nicht begründen kann. Dies gilt erst recht im Hinblick auf das vorliegend allein streitgegenständliche Urteilsergänzungsverfahren. Dieses Verfahren dient - anders als der Kläger meint - allein der Ergänzung unvollständiger, nicht aber der Korrektur - vermeintlich - unrichtiger Entscheidungen.
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Die Entscheidung des LSG weicht auch nicht von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG ab, weshalb eine Divergenzrüge keine Aussicht auf Erfolg verspricht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Divergenz kommt ausschließlich in Betracht, wenn das LSG einen Rechtssatz in Abweichung von einem solchen des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage sein könnte, derartige abweichende Rechtssätze, auf denen die Entscheidung beruht, zu benennen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf das vom Kläger angeführte Urteil des BSG vom 22.9.1981 (1 RJ 112/80 - SozR 1300 § 48 Nr 1). Auch insoweit wendet sich der Kläger allein gegen die inhaltliche Richtigkeit des ursprünglichen Berufungsurteils.
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Schließlich ist nicht erkennbar, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter einen Verfahrensmangel geltend machen könnte, auf dem die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG). Soweit der Kläger im vorliegenden Verfahren rügt, das LSG habe im Berufungsurteil von ihm erhobene Ansprüche übergangen, ist für eine solche Entscheidungslücke, die im Urteilsergänzungsverfahren gemäß § 140 SGG zu schließen wäre, nichts ersichtlich (zur Geltendmachung einer Verletzung des § 140 SGG im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren BSG vom 23.6.2016 - B 3 KR 4/16 B - SozR 4-1500 § 140 Nr 3 RdNr 5 f; vgl zum Anwendungsbereich dieses besonderen Verfahrens nur Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 140 RdNr 2, 2c mwN). Aus dem Inhalt der Verfahrensakte ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass das LSG im Urteil vom 19.10.2017 einen vom Kläger erhobenen Anspruch ganz oder teilweise übergangen hat. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem umfangreichen schriftlichen Vortrag des Klägers. Hieraus ergibt sich gerade, dass das LSG über seine drei Feststellungsanträge, die er ausweislich der Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung genehmigt hat und die inhaltlich bereits seiner Berufungsschrift vom 15.12.2015 entsprechen, entschieden hat, wenn aus Sicht des Klägers auch fehlerhaft.
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Auch im Übrigen sind keine Verfahrensmängel erkennbar, auf denen die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Soweit der Kläger insbesondere rügt, das LSG hätte in dem Berufungsurteil die Zulässigkeit des nach Erledigung des ursprünglich angefochtenen Bescheids noch verfolgten Fortsetzungsfeststellungsbegehrens nicht unter Hinweis auf die Begründetheit offenlassen dürfen, ist kein Mangel des Urteilsergänzungsverfahrens ersichtlich, auf dem die angegriffene Entscheidung beruhen kann. Dies gilt zugleich im Hinblick auf die weiteren Rügen, das Berufungsurteil verletze das Willkürverbot, den Grundsatz des fairen Verfahrens, den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs und die Verpflichtung des Gerichts zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen.
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2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht innerhalb der bis zum 15.2.2023 verlängerten Frist zu ihrer Begründung durch einen zur Prozessvertretung beim BSG berechtigten Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG) begründet worden ist. Einer Entscheidung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 Abs 1 SGG) bedarf es nicht, weil die Beschwerdebegründung als versäumte Prozesshandlung nicht nachgeholt worden ist. Wiedereinsetzung scheidet hier zudem aus, weil - wie oben dargelegt - die Rechtsverfolgung aussichtslos ist (vgl auch BSG vom 16.3.2022 - B 1 KR 29/21 B - RdNr 19). Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
S. Knickrehm
Siefert
Harich
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