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BSG 20.01.2023 - B 12 R 17/22 B
BSG 20.01.2023 - B 12 R 17/22 B
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 10. November 2021 wird als unzulässig verworfen.
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Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
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I. In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich der Kläger gegen die Neuberechnung seiner Regelaltersrente, insbesondere gegen den nachträglichen Einbehalt von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (sPV).
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Die beklagte Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg setzte den Zahlbetrag der Regelaltersrente des Klägers ab Januar 2011 neu fest, weil von Beginn der Rentenzahlungen ab Januar 2009 an trotz der Pflichtmitgliedschaft des Klägers in der GKV keine Versichertenbeiträge zur GKV und sPV einbehalten und stattdessen Zuschüsse zu den Aufwendungen der Krankenversicherung gewährt worden seien. Für die Zeit vom 1.1.2011 bis zum 30.11.2015 stellte sie deshalb eine Überzahlung in Höhe von insgesamt 16 409,64 Euro fest (Bescheide vom 19.10.2015 und 8.9.2016; Widerspruchsbescheid vom 7.11.2016; durch weitere Bescheide hob die Beklagte frühere Bescheide über die Gewährung des Zuschusses auf und forderte die Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen, hierzu Nichtzulassungsbeschwerde B 12 R 6/22 B).
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Das SG Braunschweig hat die Bescheide aufgehoben, soweit eine Überzahlung von mehr als 9686,38 Euro feststellt worden ist, und im Übrigen die Klage abgewiesen (Urteil vom 25.6.2019). Im Termin zur mündlichen Verhandlung über die vom Kläger beim LSG Niedersachsen-Bremen eingelegte Berufung hat der Prozessbevollmächtigte wiederholt eine Vertagung beantragt mit der Begründung, die Ehefrau des Klägers sei am Vortag auf Veranlassung eines Notarztes in die Intensivstation eines Krankenhauses aufgenommen worden. Daher könne der Kläger - anders als beabsichtigt - nicht persönlich an der mündlichen Verhandlung teilnehmen. Zudem lehnte er zunächst den Senatsvorsitzenden, später in einem weiteren Gesuch den gesamten Senat des LSG wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Die Beklagte stellte im Termin fest, dass sich die noch zu entrichtenden Beiträge für die Zeit vom 1.1.2011 bis zum 31.10.2015 auf 9414,97 Euro beliefen. Das LSG hat in seiner ursprünglichen Besetzung das Befangenheitsgesuch gegen den gesamten Senat als unzulässig verworfen. Anschließend hat der Senat beschlossen, über den wiederholt gestellten Vertagungsantrag im Rahmen der abschließenden Beratung nach Stellung der Sachanträge zu entscheiden. Sodann hat das LSG die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es habe kein hinreichend begründeter Vertagungsantrag vorgelegen. Insbesondere sei auch von Seiten des anwaltlich vertretenen Klägers nicht inhaltlich nachvollziehbar aufgezeigt worden, weshalb seine persönliche Anwesenheit im Termin zur mündlichen Verhandlung - zusätzlich zu der seines rechtskundigen Prozessbevollmächtigten - "unerlässlich" gewesen sein sollte. Entsprechende Gründe seien auch nicht ersichtlich. Die vorliegend streitgegenständlichen Bescheide beträfen die Feststellung der Versicherungspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung, die Höhe der rückständigen vom Kläger zu tragenden Beitragsanteile für den Zeitraum 1.1.2011 bis 31.10.2015 (9414,97 Euro) und die Berechtigung der Beklagten, die Beitragsrückstände von den laufenden Rentenzahlungen dem Grunde nach einzubehalten (Urteil vom 10.11.2021).
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Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.
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II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. In der Begründung des Rechtsmittels ist entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG kein Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
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1. Der Kläger bezeichnet die von ihm behaupteten Verfahrensmängel nicht anforderungsgerecht. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die den Mangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG auf dem Mangel beruhen kann. Diesen Anforderungen genügt das Beschwerdevorbringen nicht.
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a) Der Kläger macht den absoluten Revisionsgrund einer fehlerhaften Besetzung (§ 202 Satz 1 SGG iVm § 547 Nr 1 ZPO) mit der Begründung geltend, das LSG habe sein auf den gesamten Senat ausgedehntes Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung der abgelehnten Richter zu Unrecht als unzulässig verworfen.
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Zwar unterliegt die Entscheidung über ein Befangenheitsgesuch als unanfechtbare Vorentscheidung (vgl § 177 SGG) grundsätzlich nicht der Beurteilung durch das Revisionsgericht (§ 202 Satz 1 SGG iVm § 557 Abs 2 ZPO). Eine Ausnahme besteht dann, wenn die Entscheidung auf willkürlichen oder manipulativen Erwägungen beruht oder darauf hindeutet, dass das Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt hat. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass über missbräuchliche Ablehnungsgesuche unter Mitwirkung des abgelehnten Richters entschieden werden darf (vgl zB aus neuerer Zeit BSG Beschluss vom 19.8.2021 - B 11 AL 39/21 B - juris RdNr 5 mwN). Im Falle einer Verwerfung des Ablehnungsgesuchs unter Mitwirkung des abgelehnten Richters unterliegt es daher der revisionsgerichtlichen Prüfung, ob das Gericht die verfassungsrechtlichen Grenzen für eine Selbstentscheidung gewahrt hat. Art 101 Abs 1 Satz 2 GG lässt nur bei gänzlich untauglichen oder rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsgesuchen eine Selbstentscheidung zu, wenn lediglich eine Formalentscheidung erforderlich ist, die keinerlei Beurteilung des eigenen Verhaltens und kein auch nur geringfügiges Eingehen auf den Verfahrensgegenstand erfordert (vgl BVerfG Beschluss vom 15.6.2015 - 1 BvR 1288/14 - juris RdNr 17 ff). Der Kläger hat indessen nicht schlüssig dargelegt, dass das LSG diese für eine Selbstentscheidung bestehenden Grenzen überschritten hätte.
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aa) Soweit der Kläger geltend macht, eine Selbstentscheidung sei deshalb unzulässig gewesen, weil das LSG die Verwerfung auf den Vorwurf einer Verschleppungsabsicht in Bezug auf den gesamten Rechtsstreit und nicht nur auf das konkrete Befangenheitsgesuch gestützt habe, legt er dies nicht hinreichend dar. Hierzu hätte Anlass bestanden, weil das LSG die angenommene Verschleppungsabsicht wiederholt ausdrücklich auf den im Termin zur mündlichen Verhandlung gestellten Vertagungsantrag gestützt hat. Eine entsprechende Beurteilung kann ein Gericht grundsätzlich in zulässiger Weise im Rahmen einer Selbstentscheidung treffen (vgl dazu BSG Beschluss vom 19.8.2021 - B 11 AL 39/21 B - juris RdNr 5).
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bb) Gründe, die die Bewertung des Klägers, der Vorwurf der Verfahrensverschleppung sei willkürlich, stützen können, legt er ebenfalls nicht hinreichend dar. Zielt ein Ablehnungsgesuch auf die Erzwingung einer Terminverlegung, handelt es sich um eine vom Ablehnungsrecht nicht erfasste und damit missbräuchliche Motivation (vgl BSG Beschluss vom 19.8.2021 - B 11 AL 39/21 B - juris RdNr 5). Gründe, die gegen eine entsprechende Bewertung durch das LSG sprechen könnten, legt der Kläger nicht nachvollziehbar dar. Zudem befasst er sich auch nicht damit, dass das LSG die Ablehnung des Befangenheitsgesuchs auch damit begründet hat, der Vertagungsantrag sei noch gar nicht abgelehnt worden.
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cc) Ebenso wenig hat der Kläger hinreichend dargelegt, dass eine Selbstentscheidung deshalb ausgeschlossen gewesen wäre, weil die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch die Beurteilung eigenen Verhaltens durch die abgelehnten Richter erfordert hätte. Soweit der Kläger insbesondere auf die Ablehnungen von Unterbrechungen der mündlichen Verhandlung durch den Vorsitzenden abstellt, legt die Beschwerdebegründung bereits nicht dar, inwieweit es sich dabei nicht um vom Prozessrecht grundsätzlich gedeckte Maßnahmen der Verhandlungsleitung unter Beachtung der Prozessförderungspflicht (vgl zB § 106 Abs 2 SGG) handelte.
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dd) Schließlich legt der Kläger nicht hinreichend dar, dass sein Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG; § 62 Satz 1 Halbsatz 1 SGG) durch die Verwerfung des Befangenheitsgesuchs wegen Verschleppungsabsicht verletzt worden sei. Sein Verhalten in der mündlichen Verhandlung, insbesondere sein Vertagungsantrag, waren ihm bekannt. Er legt nicht hinreichend dar, dass eine Bewertung desselbigen durch das LSG als "Verschleppungsabsicht" willkürlich gewesen sei.
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b) Sollte der Kläger eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör auch durch die unterbliebene Terminvertagung rügen, wäre ein Verfahrensmangel ebenfalls nicht in einer den Zulässigkeitsanforderungen entsprechenden Weise bezeichnet. Der verfassungsrechtlich garantierte Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) gebietet, den an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt sowie zu den maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkten vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Wird aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden, müssen die Beteiligten die Möglichkeit erhalten, ihren Standpunkt in der mündlichen Verhandlung darzulegen. Liegt ein erheblicher Grund für eine Vertagung iS des § 227 Abs 1 Satz 1 ZPO iVm § 202 SGG vor und wird diese ordnungsgemäß beantragt, begründet dies auch unter Beachtung des allgemeinen Prozessgrundrechts auf ein faires Verfahren grundsätzlich eine Pflicht des Gerichts zur Vertagung (vgl ua BSG Urteil vom 10.8.1995 - 11 RAr 51/95 - SozR 3-1750 § 227 Nr 1 S 2; BSG Urteil vom 12.2.2003 - B 9 SB 5/02 R - juris RdNr 11; BSG Beschluss vom 7.7.2011 - B 14 AS 35/11 B - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 12.5.2017 - B 8 SO 69/16 B - juris RdNr 7). Die Beschwerdebegründung legt aber nicht dar, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß einen entsprechenden Antrag unter Benennung "erheblicher Gründe" gestellt hätte. Ausweislich des Protokolls führte er nur an, dass die Ehefrau des Klägers am Vortag in die Intensivstation eines Krankenhauses aufgenommen wurde. Gründe, die einem Erscheinen des Klägers am Terminstag entgegengestanden hätten, hat der Kläger damit nicht dargelegt.
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2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Heinz Waßer Beck
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