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BSG 21.10.2021 - B 5 R 51/21 B
BSG 21.10.2021 - B 5 R 51/21 B - (Sozialgerichtsverfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - Zulässigkeit einer Entscheidung im Beschlusswege nach § 153 Abs 4 SGG bei Vorliegen mehrerer Gutachten)
Normen
§ 103 SGG, § 153 Abs 4 S 1 SGG, § 153 Abs 4 S 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, Art 6 Abs 1 MRK, Art 19 Abs 4 GG
Vorinstanz
vorgehend SG Duisburg, 27. September 2018, Az: S 58 R 613/16, Urteil
vorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 12. Februar 2021, Az: L 14 R 785/18, Beschluss
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 12. Februar 2021 wird zurückgewiesen.
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Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
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I. Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 13.8.2015 und Widerspruchsbescheid vom 31.5.2016 einen entsprechenden Antrag ab. Die Klägerin sei nach den medizinischen Ermittlungen nicht erwerbsgemindert. Das SG hat nach Einholung zweier weiterer Gutachten die Klage mit Urteil vom 27.9.2018 abgewiesen. Das LSG Nordrhein-Westfalen hat weitere Unterlagen beigezogen, einen weiteren Sachverständigen gehört und sodann mit Beschluss vom 12.2.2021 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss legt die Klägerin Beschwerde beim BSG ein und macht Verfahrensfehler geltend (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unbegründet, soweit sie einen Verstoß gegen § 153 Abs 4 SGG geltend macht. Im Übrigen ist sie unzulässig.
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1. Nach § 153 Abs 4 Satz 1 SGG kann das LSG, außer in Fällen, in denen das SG durch Gerichtsbescheid (§ 105 Abs 2 Satz 1 SGG) entschieden hat, die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind gemäß § 153 Abs 4 Satz 2 SGG vorher zu hören. Die Entscheidung, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 153 Abs 4 Satz 1 SGG zurückzuweisen, steht in pflichtgemäßem Ermessen des Berufungsgerichts und kann nur auf fehlerhaften Gebrauch, dh sachfremde Erwägungen und grobe Fehleinschätzung, überprüft werden (BSG Urteil vom 2.5.2001 - B 2 U 29/00 R - SozR 3-1500 § 153 Nr 13 S 38; BSG Beschluss vom 12.2.2009 - B 5 R 386/07 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 7 RdNr 27; BSG Beschluss vom 6.8.2019 - B 13 R 233/18 B - juris RdNr 10 mwN). Eine grobe Fehleinschätzung liegt vor, wenn bei Abwägung aller zu berücksichtigenden Umstände die Wahl des vereinfachten Verfahrens ohne mündliche Verhandlung unter keinen Umständen zu rechtfertigen ist (BSG Beschluss vom 18.6.2019 - B 9 V 38/18 B - juris RdNr 10 unter Bezugnahme auf BSG Urteil vom 2.5.2001 - B 2 U 29/00 R - SozR 3-1500 § 153 Nr 13 S 39).
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Nicht erforderlich ist eine mündliche Verhandlung grundsätzlich nur dann, wenn der Sachverhalt umfassend ermittelt worden ist, sodass Tatsachenfragen in einer mündlichen Verhandlung nicht mehr geklärt werden müssen, oder wenn etwa im Berufungsverfahren lediglich der erstinstanzliche Vortrag wiederholt wird. Bei seiner Entscheidung, ob es im vereinfachten Verfahren gemäß § 153 Abs 4 Satz 1 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden will, muss das Berufungsgericht auch die Funktion und Bedeutung der mündlichen Verhandlung als "Kernstück" des gerichtlichen Verfahrens berücksichtigen. Demgemäß sind für diese Ermessensentscheidung - auch im Hinblick auf das in Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention jedermann gewährleistete Recht auf rechtliches Gehör - die Schwierigkeit des Falles und die Bedeutung der Tatsachenfragen relevant (BSG Beschluss vom 18.6.2019 - B 9 V 38/18 B - juris RdNr 10; BSG Beschluss vom 8.9.2015 - B 1 KR 134/14 B - juris RdNr 8; BSG Urteil vom 2.5.2001 - B 2 U 29/00 R - SozR 3-1500 § 153 Nr 13 S 38 f, jeweils mwN). Von Bedeutung ist auch, ob im Berufungsverfahren neuer Tatsachenvortrag durch einen Beteiligten erfolgt ist, den das Berufungsgericht als nicht glaubhaft oder nicht glaubwürdig beurteilt hat. Schließlich kann eine außergewöhnlich lange Verfahrensdauer gegen ein vereinfachtes Verfahren nach § 153 Abs 4 Satz 1 SGG sprechen. Stets ist der Anspruch der Beteiligten auf effektiven Rechtsschutz (Art 19 Abs 4 GG) zu beachten, nach dem die Gestaltung des Verfahrens in einem angemessenen Verhältnis zu dem auf Sachverhaltsaufklärung und Verwirklichung des materiellen Rechts gerichteten Verfahrensziel stehen muss (BSG Beschluss vom 18.6.2019 - B 9 V 38/18 B - juris RdNr 10; BSG Beschluss vom 24.5.2012 - B 9 SB 14/11 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 14 RdNr 10; BSG Beschluss vom 8.9.2015 - B 1 KR 134/14 B - juris RdNr 8, jeweils mwN).
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Gemessen an diesen Maßstäben ist die Ermessensentscheidung des LSG noch vertretbar und daher nicht zu beanstanden. Die Klägerin trägt vor, der schwierige Sachverhalt habe einer Entscheidung im Beschlusswege entgegengestanden. Dazu verweist sie darauf, dass im Verwaltungsverfahren drei Gutachten eingeholt und von den Sozialgerichten drei weitere Sachverständige gehört worden seien. Daneben seien eine Reihe von Berichten behandelnder Ärzte, die Schwerbehindertenakte der Klägerin und ein Gutachten des MDK zur Pflegebedürftigkeit der Klägerin beigezogen worden. Damit ist indes noch keine Schwierigkeit des Falles aufgezeigt, bei der eine Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs 4 SGG nicht mehr zu rechtfertigen ist. Die bloße Anzahl der eingeholten Gutachten ist zwar für ein Verfahren, in dem eine Rente wegen Erwerbsminderung begehrt wird, nicht gering, sie ist aber auch nicht ungewöhnlich, zumal sie verschiedene Fachgebiete betrafen. Es waren auch nicht etwa deutlich unterschiedliche Auffassungen der Sachverständigen zur Erwerbsfähigkeit der Klägerin zu werten. Die Beklagte weist insofern zu Recht darauf hin, dass sämtliche im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren gehörten Gutachter die Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung verneint haben. Dass die behandelnden Ärzte zum Teil zu einer ausdrücklich anderen Einschätzung gelangt sind, vermag eine besondere Schwierigkeit ebenso wenig zu begründen wie der Umstand, dass Unterlagen aus anderen Verfahren beigezogen wurden. Es ist weder vorgebracht noch ersichtlich, dass das LSG in einer mündlichen Verhandlung noch weitere Tatsachen hätte ermitteln oder erörtern müssen, weil es sie als ungeklärt angesehen hätte. Nach dem von der Klägerin geschilderten Verfahrensablauf hatte sie ausreichend Gelegenheit, sich zu den von ihr geltend gemachten Veränderungen während des Berufungsverfahrens zu äußern. Schließlich trägt die Klägerin auch keine weiteren Umstände vor, wie etwa eine besonders lange Verfahrensdauer (vgl BSG Beschluss vom 18.6.2019 - B 9 V 38/18 B - juris RdNr 10; BSG Urteil vom 2.5.2001 - B 2 U 29/00 R - SozR 3-1500 § 153 Nr 13 S 39: 12 Verfahrensjahre und 10 divergierende Gutachten), die die Entscheidung des LSG als unvertretbar erscheinen ließe.
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2. Ein Verstoß gegen § 103 SGG ist nicht hinreichend dargelegt. Die Klägerin trägt insofern lediglich vor, das LSG sei den von ihr gestellten Beweisanträgen ohne ausreichende Begründung nicht gefolgt. Diese allgemeine Bewertung ersetzt eine nähere Auseinandersetzung mit der Argumentation des LSG nicht.
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Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
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Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.
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