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BSG 01.07.2021 - B 9 SB 73/20 B
BSG 01.07.2021 - B 9 SB 73/20 B - Nichtzulassungsbeschwerde - sozialgerichtliches Verfahren - Verfahrensmangel - Antrag auf Terminverlegung wegen COVID-19-Pandemie - Ansteckungsgefahr - Erforderlichkeit näherer Darlegungen - persönliche Gesundheitsrisiken - Schutzvorkehrungen des Gerichts - Amtsermittlungsgrundsatz - Übergehen eines Beweisantrags - bestimmte Tatsachenbehauptung - hypothetisches Beweisergebnis
Normen
§ 227 Abs 1 S 1 ZPO, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG, § 62 SGG, § 103 SGG, § 202 S 1 SGG
Vorinstanz
vorgehend SG Dresden, 9. Januar 2019, Az: S 2 SB 335/14, Gerichtsbescheid
vorgehend Sächsisches Landessozialgericht, 5. November 2020, Az: L 9 SB 24/19, Urteil
Tenor
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Der Antrag des Klägers, ihm für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 5. November 2020 Prozesskostenhilfe zu gewähren und Rechtsanwalt W beizuordnen, wird abgelehnt.
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im genannten Urteil wird als unzulässig verworfen.
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Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
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I. Der Kläger wendet sich gegen die Absenkung seines Grads der Behinderung (GdB) von 80 auf 60.
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Mit Urteil vom 5.11.2020 hat das LSG wie vor ihm das SG einen Anspruch des Klägers auf einen höheren GdB verneint.
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Mit seiner Beschwerde, für die er zugleich Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt, wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG. Das LSG habe Verfahrensfehler begangen.
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II. 1. Der Antrag des Klägers auf PKH ist abzulehnen.
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Gemäß § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. An einer solchen hinreichenden Erfolgsaussicht fehlt es hier (s dazu unter 2.). Daher kommt auch die Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten im Rahmen der PKH nicht in Betracht (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
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2. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung verfehlt die gesetzlichen Anforderungen. Der Kläger hat die geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht ordnungsgemäß bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
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Wer seine Nichtzulassungsbeschwerde auf einen Verfahrensmangel stützen will (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG), muss bei dessen Bezeichnung (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst substantiiert die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegen. Diese Darlegungen enthält die Beschwerdebegründung des Klägers nicht. Es fehlt bereits an einer zusammenhängenden und aus sich heraus verständlichen Darlegung der Verfahrens- und Prozessgeschichte sowie des vom LSG festgestellten Sachverhalts (vgl Senatsbeschluss vom 16.2.2017 - B 9 V 48/16 B - juris RdNr 9 mwN).
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a) Dieser Darlegungsmangel betrifft in besonderer Weise den vom Kläger erhobenen Vorwurf, das LSG hätte wegen der Corona-Pandemie-Lage seinem wiederholten Antrag auf Terminsverlegung stattgeben müssen, anstatt die Berufungsverhandlung ohne ihn und seinen Prozessbevollmächtigten durchzuführen.
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Der Anspruch auf rechtliches Gehör in der mündlichen Verhandlung umfasst das Recht auf Aufhebung oder Verlegung eines anberaumten Termins aus erheblichen Gründen nach § 227 Abs 1 ZPO iVm § 202 Satz 1 SGG (stRspr; zB BSG Beschluss vom 17.12.2020 - B 10 ÜG 4/20 B - SozR 4-1500 § 62 Nr 23 RdNr 11 mwN). Ein solcher erheblicher Grund kann auch unzumutbare Gesundheitsgefahr für einen Prozessbeteiligten durch die Fahrt zum oder die Teilnahme am Verhandlungstermin sein (OLG Dresden Beschluss vom 17.2.2021 - 1 W 943/20 - juris RdNr 14 ff mwN). Tatsächliche oder befürchtete gesundheitliche Risiken eines Prozessbeteiligten gebieten indes nicht per se eine Terminsaufhebung oder -verlegung, sondern stellen einen angemessen zu berücksichtigenden Abwägungsgesichtspunkt bei der Auslegung des Begriffs des "erheblichen Grunds" iS des § 227 Abs 1 Satz 1 ZPO dar (VerfG des Landes Brandenburg Beschluss vom 19.3.2021 - 11/21 ua - juris RdNr 26 mwN). Um einen erheblichen Verlegungsgrund wegen Gesundheitsgefahren glaubhaft zu machen, genügt daher nicht jede pauschale Berufung auf die Covid-19-Pandemie. Erforderlich sind vielmehr nähere Darlegungen zur Erforderlichkeit und zu den konkreten Umständen des vorgesehenen Verhandlungstermins, zu den persönlichen Gesundheitsrisiken und insbesondere zu den Schutzvorkehrungen des Gerichts gegen die Gefahren einer Ansteckung mit Covid-19 (vgl VG Würzburg Beschluss vom 4.2.2021 - W 6 K 19.32074 - juris RdNr 9 f).
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In dieser Hinsicht hätte der Kläger daher darlegen müssen, warum das LSG seinem Antrag angesichts von Stand und Dauer des Berufungsverfahrens und der daraus resultierenden Prozessförderungspflicht des LSG trotz gerichtlicher Schutzvorkehrungen gegen die Gefahr einer Covid-19-Ansteckung zwingend stattzugeben hatte. Indes hat er bereits weder den Inhalt seines Antrags auf Terminsverlegung noch die Gründe für dessen Ablehnung durch das LSG mitgeteilt. Seine nicht belegte Behauptung, er habe "sachlich begründet" um eine Terminsverlegung nachgesucht, verfehlt insoweit die Darlegungsanforderungen deutlich.
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b) Der Kläger rügt weiterhin, das LSG habe rechtswidrig seinen Beweisantrag übergangen, den Sachverständigen M erneut zu hören. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel indes auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Will die Beschwerde demnach einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht rügen (§ 103 SGG), so muss sie einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt ist. Dafür muss nicht nur die Stellung des Antrags, sondern auch aufgezeigt werden, über welche im Einzelnen bezeichneten Punkte Beweis erhoben werden sollte. Denn Merkmal eines substantiierten Beweisantrags ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels für diese Tatsache. Diese ist möglichst präzise und bestimmt zu behaupten, und es ist zumindest hypothetisch zu umreißen, was die Beweisaufnahme ergeben hätte. Nur dies versetzt die Vorinstanz in die Lage, die Entscheidungserheblichkeit seines Antrags zu prüfen und gegebenenfalls seine Ablehnung iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ausreichend zu begründen. Unbestimmte oder unsubstantiierte Beweisanträge brauchen dem Gericht dagegen keine Beweisaufnahme nahe zu legen (Senatsbeschluss vom 2.6.2017 - B 9 V 16/17 B - juris RdNr 6 mwN).
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Einen solchen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag hat der Kläger nicht bezeichnet. Der von ihm zitierte Antrag, den Sachverständigen "nochmals zu bemühen", zeigt keine hinreichend bestimmte Tatsachenbehauptung und ebenso wenig ein hypothetisches Beweisergebnis auf.
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Soweit der Kläger darüber hinaus rügt, das LSG habe das Gutachten des Sachverständigen nicht bzw falsch gewertet, wendet er sich gegen die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts, die § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG jedoch der Beurteilung durch das BSG im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vollständig entzieht. Kraft der darin enthaltenen ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung kann die Beweiswürdigung des LSG mit der Nichtzulassungsbeschwerde weder unmittelbar noch mittelbar angegriffen werden (stRspr; zB Senatsbeschluss vom 1.7.2020 - B 9 SB 5/20 B - juris RdNr 10; Senatsbeschluss vom 8.5.2017 - B 9 V 78/16 B - juris RdNr 15).
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c) Die Rüge des Klägers, das LSG habe darüber hinaus "im Ergebnis" seinen Antrag auf Anhörung des von ihm benannten Sachverständigen nach § 109 SGG übergangen, weil es dessen Empfehlung einer weiteren Begutachtung auf diabetologischem Gebiet nicht gefolgt sei, ist von vornherein unbeachtlich. Auf die Verletzung dieser Vorschrift kann eine Verfahrensrüge nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG unter keinem Gesichtspunkt mit Erfolg gestützt werden.
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d) Soweit der Kläger schließlich meint, der Beklagte habe den in § 48 Abs 4 iVm § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X für rückwirkende Aufhebungen verbürgten Vertrauensschutz verletzt, weil er die Absenkung seines GdB nicht innerhalb eines Jahres nach Beginn des Überprüfungsverfahrens vorgenommen habe, was das LSG übergangen habe, rügt er im Ergebnis einen im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde unbeachtlichen Rechtsanwendungsfehler. Die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des LSG im Einzelfall ist nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde (stRspr; zB Senatsbeschluss vom 24.8.2017 - B 9 SB 24/17 B - juris RdNr 16 mwN).
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
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Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 SGG).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
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