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BSG 26.03.2020 - B 3 KR 9/19 R
BSG 26.03.2020 - B 3 KR 9/19 R - Krankenversicherung - Anspruch auf Krankengeld ab dem Folgetag nach dem bis zum 22.7.2015 geltenden Recht - Verschiebung des rechtzeitigen Arzttermins durch den Vertragsarzt
Normen
§ 44 Abs 1 SGB 5, § 46 S 1 Nr 2 SGB 5 vom 20.12.1988, § 92 Abs 1 S 2 Nr 7 SGB 5, § 192 Abs 1 Nr 2 SGB 5, § 5 Abs 3 AURL vom 14.11.2013, § 6 Abs 2 AURL vom 14.11.2013, § 162 BGB, § 242 BGB
Vorinstanz
vorgehend SG Berlin, 16. März 2016, Az: S 143 KR 777/15, Urteil
vorgehend Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 24. Juli 2018, Az: L 1 KR 196/16, Beschluss
Leitsatz
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Ein Versicherter hat nach dem bis zum 22.7.2015 geltenden Recht auch dann Anspruch auf Krankengeld bei Arbeitsunfähigkeit ab dem Folgetag eines vereinbarten, zur ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit rechtzeitigen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakts, wenn es zu diesem Kontakt aus dem Vertragsarzt und der Krankenkasse zurechenbaren Gründen erst verspätet, aber nach Wegfall dieser Gründe gekommen ist (Fortentwicklung von BSG vom 11.05.2017 - B 3 KR 22/15 R = BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8).
Tenor
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Auf die Revision des Klägers wird der Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Juli 2018 aufgehoben.
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Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Zahlung von Krankengeld (Krg) für die Zeit vom 6.1. bis 29.9.2015.
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Dem 1968 geborenen, bei der beklagten Krankenkasse (KK) wegen Beschäftigung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) pflichtversicherten Kläger wurde zum 30.11.2014 gekündigt. Der ihn behandelnde Vertragsarzt (Facharzt für Orthopädie, spezielle Unfallchirurgie und Chirurgie) bescheinigte ihm wegen einer Bandscheibenschädigung jeweils abschnittsweise Arbeitsunfähigkeit (AU) durchgehend vom 15.10.2014 bis 5.1.2015. Ein vereinbarter Folgetermin bei dem Arzt am 5.1.2015 kam nicht zustande, weil der Kläger von der Arztpraxis am selben Tag telefonisch aufgefordert worden war, aus organisatorischen Gründen erst am nächsten Tag, dem 6.1.2015, zu erscheinen. An diesem Tag stellte sich der Kläger bei seinem Arzt vor, der ihm AU voraussichtlich bis 24.1.2015 bescheinigte.
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Nachdem die Beklagte dem Kläger Krg bis 5.1.2015 gezahlt hatte, lehnte sie die weitere Zahlung ab 6.1.2015 ab, weil für ihn nicht - wie für die Aufrechterhaltung seines Anspruchs erforderlich - spätestens am 5.1.2015 (= letzter Tag der von der vorangegangenen ärztlichen Bescheinigung erfassten AU) die weitere AU ärztlich bescheinigt worden sei. Seit 6.1.2015 sei der Kläger nur über seine Ehefrau ohne Anspruch auf Krg familienversichert (Bescheid vom 8.1.2015; Widerspruchsbescheid vom 19.2.2015).
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Das SG hat die dagegen erhobene Klage auf Zahlung von Krg für die Zeit ab 6.1.2015 abgewiesen (Urteil vom 16.3.2016). Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen: Zwar sei er auch ab 6.1.2015 arbeitsunfähig gewesen, was durch die ärztliche AU-Bescheinigung vom selben Tag bestätigt worden sei. Diese AU sei aber nicht vor Ablauf des 5.1.2015 ärztlich festgestellt worden, weshalb der Krg-Anspruch am 5.1.2015 geendet habe. Der Kläger sei nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V nicht mehr mit Anspruch auf Krg ab 6.1.2015 versichert gewesen. Anderes ergebe sich auch nicht aus der jüngeren Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf Urteil des Senats vom 11.5.2017 - B 3 KR 22/15 R - BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8), weil der Kläger nicht alles ihm Mögliche und Zumutbare getan habe, um rechtzeitig eine ärztliche Folge-AU-Feststellung zu erlangen. Fehlberatungen einer vertragsärztlichen Praxis entlasteten Versicherte grundsätzlich nicht gegenüber der KK. Hiervon sei bei dem Kläger - mangels eines dafür nach der Rechtsprechung des BSG nötigen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakts am 5.1.2015 - keine Ausnahme zu machen (Beschluss vom 24.7.2018).
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Mit seiner dagegen gerichteten Revision rügt der Kläger sinngemäß die Verletzung von § 44 Abs 1 und § 46 Satz 1 SGB V in der bis 22.7.2015 geltenden Fassung: Da ein rechtzeitiger Arzttermin vereinbart gewesen sei, der durch nicht in seiner Person liegende Gründe unterblieben und auf den Folgetag verschoben worden sei, dürfe ihm nicht abverlangt werden, sich doch noch am 5.1.2015 in der Praxis seines Arztes vorzustellen oder eine andere Arztpraxis aufzusuchen. In derartigen Fällen müsse eine Ausnahme von dem Grundsatz anerkannt werden, dass eine ärztliche Folge-AU-Feststellung spätestens am letzten Tag der vorangegangenen AU-Feststellung zu erfolgen habe.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Juli 2018 und das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. März 2016 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 8. Januar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Februar 2015 zu verurteilen, ihm Krankengeld vom 6. Januar bis 29. September 2015 in Höhe von kalendertäglich 29,77 Euro netto zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
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Sie hält den LSG-Beschluss für zutreffend, denn der Kläger habe nicht alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan, um eine rechtzeitige ärztliche Folge-AU-Feststellung zu erhalten. Die Ablehnung des Krg-Anspruchs sei deshalb nicht unverhältnismäßig.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung der Entscheidung des LSG und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).
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Der Kläger hat entgegen der Auffassung der Vorinstanzen Anspruch auf Zahlung von Krg dem Grunde nach ab dem 6.1.2015, dem Folgetag des vereinbarten rechtzeitigen, aber verschobenen Termins zur ärztlichen Feststellung der weiteren AU. Auf der Grundlage der Feststellungen des LSG kann der Senat jedoch nicht abschließend über die Dauer und das Ende dieses Anspruchs gegen die beklagte KK entscheiden.
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1. Der Senat konnte aufgrund des Nichterscheinens der ordnungsgemäß geladenen Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung nach Lage der Akten entscheiden (§ 110 Abs 1 Satz 2, § 126 iVm § 165 Satz 1, § 153 Abs 1 SGG); die Beteiligten hatten hierzu zudem vorab ihr Einverständnis erklärt.
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2. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Entscheidungen der Vorinstanzen und der Bescheid der Beklagten vom 8.1.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.2.2015, durch die der vom Kläger verfolgte Anspruch auf Zahlung von Krg ab 6.1.2015 abgelehnt worden ist. Richtige Klageart ist die auf Verurteilung der Beklagten gerichtete kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG).
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3. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs auf Krg für beschäftigte Pflichtversicherte der GKV sind hier § 44 Abs 1 und § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V in der bis 22.7.2015 geltenden Fassung (§§ 44 und 46 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17.7.2009, BGBl I 1990, 3578; im Folgenden: aF) iVm § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V, der den Erhalt der Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger bei Anspruch auf oder Bezug von Krg bestimmt.
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Nach § 44 Abs 1 SGB V aF haben Versicherte Anspruch auf Krg ua dann, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Ob und in welchem Umfang Versicherte Krg beanspruchen können, bestimmt sich nach dem Versicherungsverhältnis, das im Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestands für das Krg vorliegt (stRspr, vgl nur BSG Urteil vom 16.12.2014 - B 1 KR 37/14 R - BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7, RdNr 8; BSG Urteil vom 11.5.2017 - B 3 KR 22/15 R - BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 15). Nach § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V aF entsteht dieser Anspruch auf Krg von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der AU folgt. Dies gilt auch für an die ärztliche Erstfeststellung von AU anschließende Folgefeststellungen (stRspr, vgl nur BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7, RdNr 13 ff; BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 20).
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4. Diese Anspruchsvoraussetzungen liegen hier vor. Von diesen ist zwischen den Beteiligten zu Recht allein im Streit, ob am 6.1.2015, dem ersten Tag nach dem Ende der zuletzt ärztlich festgestellten AU, noch eine Versicherung mit Anspruch auf Krg bestand. Letzteres ist zu bejahen.
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a) Für den Anspruch auf Krg ist insoweit erforderlich, dass an diesem Tag dieser Versicherungsschutz noch mit Blick auf § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V fortbestand. Dies erforderte einen lückenlosen Krg-Anspruch oder Krg-Bezug, der nach § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V aF nach stRspr des BSG auch bei fortbestehenden Dauererkrankungen erst vom Folgetag der ärztlichen AU-Feststellung an entsteht. Daher muss eine erneute ärztliche AU-Feststellung - ohne dass ein Karenztag eintritt - spätestens am letzten Tag des zuvor bescheinigten AU-Zeitraums erfolgen (s erneut BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7, RdNr 13 ff; BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 20).
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Im Falle des Klägers erfolgte keine erneute ärztliche AU-Feststellung spätestens am letzten Tag des zuvor bescheinigten AU-Zeitraums, dem 5.1.2015. Das Fehlen einer lückenlosen, für die weitere Krg-Gewährung nötigen AU-Feststellung unterbrach damit wegen der nicht eingreifenden Wirkung des § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V an sich mangels aufrechterhaltener Pflichtmitgliedschaft des Klägers mit Wirkung für die Zukunft den Krankenversicherungsschutz mit Krg-Anspruch ab dem 6.1.2015; denn rechtlich hat grundsätzlich der Versicherte im Sinne einer Obliegenheit dafür Sorge zu tragen, dass eine rechtzeitige ärztliche AU-Feststellung erfolgt (stRspr, vgl nur BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7, RdNr 17, 22; BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 20).
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Sinn und Zweck all dessen ist es, beim Krg Missbrauch und praktische Schwierigkeiten zu vermeiden, zu denen die nachträgliche Behauptung der AU und deren rückwirkende Bescheinigung beitragen könnten (BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7, RdNr 17; BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 20). Hieran ist auch die ausnahmsweise Zulassung von rückwirkenden Nachholungen von AU-Feststellungen bzw von nicht lückenlosen AU-Feststellungen zu messen (vgl dazu, dass die Auslegung von Vorschriften des SGB V zur Krg-Beschränkung, die der Vermeidung von Leistungsmissbrauch und praktischen Schwierigkeiten dienen, durch diesen Regelungszweck bestimmt und begrenzt wird, zuletzt BSG Urteil vom 4.6.2019 - B 3 KR 23/18 R - SozR 4-2500 § 16 Nr 4 RdNr 29 f).
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b) Von diesen grundsätzlichen Erfordernissen sind in der Rechtsprechung des BSG allerdings bereits enge Ausnahmen anerkannt worden (vgl nur - jeweils mwN - BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7, RdNr 26 ff; BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 21 ff; vgl zuletzt - zur Meldung nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V - BSG Urteil vom 8.8.2019 - B 3 KR 6/18 R - juris RdNr 22 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 49 Nr 9 vorgesehen).
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Der Senat hat insoweit mit seinem Urteil vom 11.5.2017 (BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8 für die Rechtslage bis 22.7.2015) unter Fortentwicklung und Teilaufgabe früherer Rechtsprechung entschieden, dass eine Lücke in den ärztlichen AU-Feststellungen nicht nur bei medizinischen Fehlbeurteilungen (BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7, RdNr 24 mwN), sondern auch bei nichtmedizinischen Fehlern eines Vertragsarztes im Zusammenhang mit der AU-Feststellung für den Versicherten unschädlich ist, wenn sie der betroffenen KK zuzurechnen ist. Nach dieser Rechtsprechung steht dem Krg-Anspruch eine erst verspätet erfolgte ärztliche AU-Feststellung nicht entgegen, wenn
1. der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat, um seine Ansprüche zu wahren, indem er einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt persönlich aufgesucht und ihm seine Beschwerden geschildert hat, um
(a) die ärztliche Feststellung der AU als Voraussetzung des Anspruchs auf Krg zu erreichen, und
(b) dies rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw -erhaltenden zeitlichen Grenzen für den Krg-Anspruch erfolgt ist,
2. er an der Wahrung der Krg-Ansprüche durch eine (auch nichtmedizinische) Fehlentscheidung des Vertragsarztes gehindert wurde (zB eine irrtümlich nicht erstellte AU-Bescheinigung), und
3. er - zusätzlich - seine Rechte bei der KK unverzüglich, spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V, nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend macht (so BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 34).
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Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist der Versicherte so zu behandeln, als hätte er von dem aufgesuchten Arzt rechtzeitig die ärztliche Feststellung der AU erhalten.
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c) Der Senat entwickelt diese Rechtsprechung fort und konkretisiert sie dahin, dass es einem "rechtzeitig" erfolgten persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt gleichsteht, wenn der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat und rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw -erhaltenden zeitlichen Grenzen versucht hat, eine ärztliche Feststellung der AU als Voraussetzung des Anspruchs auf Krg zu erhalten, und es zum persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt aus dem Vertragsarzt und der KK zurechenbaren Gründen erst verspätet, aber nach Wegfall dieser Gründe gekommen ist.
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Das ist insbesondere in Fällen - wie hier - anzunehmen, in denen die Gründe für das nicht rechtzeitige Zustandekommen einer ärztlichen Folge-AU-Feststellung in der Sphäre des Vertragsarztes (vgl zur Einbindung der Vertragsärzte in das GKV-System nur § 2 Abs 2, § 72 Abs 1 und 2, § 73 Abs 2, § 75 Abs 1, § 76 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB V) und nicht in derjenigen des Versicherten liegen. Dies ist typischerweise zu bejahen bei einer auf Wunsch des Vertragsarztes bzw seines von ihm angeleiteten Praxispersonals erfolgten Verschiebung des vereinbarten rechtzeitigen Arzttermins in der (naheliegenden) Vorstellung, ein späterer Termin sei für den Versicherten leistungsrechtlich unschädlich, weil nach der AU-Richtlinie (AU-RL) des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) auch die begrenzte rückwirkende ärztliche AU-Feststellung statthaft sei.
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Für die Gleichstellung des aus den vorgenannten Gründen unterbliebenen rechtzeitigen Arzt-Patienten-Kontakts mit einem tatsächlich erfolgten Kontakt spricht, dass die Obliegenheiten des Versicherten auf das in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare beschränkt sind. Ein "Arzt-Hopping", das ohnehin grundsätzlich unerwünscht ist (vgl § 76 Abs 3 Satz 1 SGB V), statt des nachvollziehbaren Wunsches, von dem mit der AU schon vertrauten (hier: Fach-)Arzt weiterbetreut zu werden, kann von ihm grundsätzlich nicht verlangt werden. Für Versicherte fallen zudem ihr soziales Schutzbedürfnis in der GKV zu ihrer finanziellen Absicherung im Krankheitsfall (s auch § 2 Abs 2 und § 4 Abs 2 Satz 1 Nr 2, § 21 Abs 1 Nr 2 Buchst g SGB I) und die Verhältnismäßigkeit von leistungsrechtlichen Folgen bei tatsächlichen Fristversäumnissen ins Gewicht (verfassungsrechtliches Übermaßverbot). Diese Erwägungen waren für den Senat schon wesentlich für die Erweiterung der Unschädlichkeit von Arztfehlern im nichtmedizinischen Bereich (BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 25 ff). Generalpräventive Erwägungen der Missbrauchsabwehr haben dagegen, vor allem in zweifelsfreien Folge-AU-Fällen, kein solch großes Gewicht, dass sie diese Schutzaspekte überlagern und verdrängen könnten.
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Für die vorstehende Auslegung des § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V aF und Weiterentwicklung der Rechtsprechung des Senats spricht darüber hinaus, dass sich Versicherungsträger in ihrem Verwaltungshandeln auch am Rechtsgedanken von Treu und Glauben (vgl § 242 BGB) auszurichten haben, welcher auch im Bereich des Sozialversicherungsrechts Anwendung findet (stRspr, aus jüngerer Zeit zB BSG Urteil vom 1.7.2010 - B 13 R 67/09 R - SozR 4-2400 § 24 Nr 5 RdNr 29 ff mit umfangreichen Rspr-Nachweisen; vgl auch zuletzt BSG <GS> Beschluss vom 20.2.2019 - GS 1/18 - juris RdNr 18, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2600 § 118 Nr 16 vorgesehen; BSG Urteil vom 9.4.2019 - B 1 KR 3/18 R - juris RdNr 22, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-1780 § 161 Nr 3 vorgesehen). Versicherungsträger aller Zweige dürfen sich daher zB nicht auf die Versäumung einer dem geltend gemachten Leistungsanspruch entgegenstehenden Ausschlussfrist berufen, wenn sie die Wahrung der Frist durch eigenes Fehlverhalten treuwidrig verhindert haben (vgl bereits BSG Urteil vom 17.11.1970 - 1 RA 233/68 - BSGE 32, 60, 62 = SozR Nr 15 zu § 1286 aF RVO; ferner zB BVerwG Urteil vom 28.3.1996 - 7 C 28.95 - BVerwGE 101, 39, 45 mwN = Buchholz 428 § 30a VermG Nr 2; BGH Urteil vom 27.6.1985 - IX ZR 17/85 - NVwZ 1985, 938, 939 = LM Nr 36 zu § 190a BEG 1956).
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Das folgt vor allem auch aus dem Rechtsgedanken des § 162 Abs 1 BGB. Diese Regelung bestimmt sinngemäß, dass dann, wenn der Eintritt der Bedingung von der Partei, zu deren Nachteil der Eintritt gereichen würde, wider Treu und Glauben verhindert wird, diese Bedingung (gleichwohl) als eingetreten gilt. § 162 Abs 1 BGB liegt damit der allgemeine Rechtsgedanke zugrunde, dass niemand - auch kein Träger öffentlicher Verwaltung - aus seinem eigenen treuwidrigen Verhalten, das er (oder ein seiner Sphäre zuzurechnender Dritter) einer ihm rechtlich verbundenen Person gegenüber gezeigt hat, einen Vorteil ziehen darf (vgl nur Bork in Staudinger, BGB, § 162 RdNr 2, 4, 15, Stand 2015; ferner zB BVerwG Urteil vom 28.10.1983 - 8 C 39/82 - BVerwGE 68, 156, 159 = Buchholz 448.0 § 13a WehrPflG Nr 15). Dem Rechtsgedanken der Regelung kommt auch im Bereich der Leistungsverwaltung des Sozialrechts Bedeutung zu, insbesondere im Zusammenhang mit der Versäumung von (Ausschluss-)Fristen, die von einem Leistungsberechtigten einzuhalten sind (vgl bereits BSGE 32, 60, 62 = SozR Nr 15 zu § 1286 aF RVO; ferner BGH NVwZ 1985, 938, 939 = LM Nr 36 zu § 190a BEG 1956 <juris RdNr 14 f>). Über den der Bestimmung zugrunde liegenden Rechtsgedanken wird dann fingiert, dass die Einhaltung der Ausschlussfrist durch den Begünstigten gewahrt ist (so BGH, ebenda, unter Hinweis auf BVerwG Urteil vom 15.7.1959 - V C 80.57 - BVerwGE 9, 89, 92 und BVerwG Urteil vom 24.6.1966 - VI C 72.63 - DVBl 1966, 857, auf BSGE 32, 60, 62 = SozR Nr 15 zu § 1286 aF RVO und BSG Urteil vom 17.5.1973 - 12 RJ 354/72 - SozR Nr 9 zu § 1252 RVO = DVBl 1973, 793 sowie auf BFH Urteil vom 22.4.1966 - VI 264/65 - BFHE 86, 148, 151).
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So verhält es sich auch hier. In den beschriebenen Fällen kann der (rechtzeitige) Zugang der Erklärung oder Eintritt der Bedingung nach § 162 Abs 1 BGB fingiert werden bzw es dem Empfänger oder einer Partei nach Treu und Glauben verwehrt sein, sich auf den fehlenden oder verspäteten Zugang oder Bedingungseintritt zu berufen. In diesem Sinne dürfen auch KKn gegenüber dem Krg-Anspruch ihrer Versicherten nicht einwenden, der dafür erforderliche Arzt-Patienten-Kontakt sei nicht rechtzeitig zustande gekommen, wenn dies auf Gründen beruht, die
1. in der Sphäre des Vertragsarztes (und nicht des Versicherten) liegen, und die
2. auch den KKn zuzurechnen sind.
Es ist dann gerechtfertigt und vom Normzweck der gesetzlichen Regelungen zum Krg gedeckt, dass sich die KK nicht auf eine dem vertragsärztlichen System anzulastende Verhinderung der rechtzeitigen AU-Feststellung berufen darf.
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Der Senat hat diese Zurechnung fehlerhaften Arztverhaltens zu den KKn (bezogen auf deren Sozialversicherungsverhältnis zu ihren Versicherten) bereits für nichtmedizinische Fehler eines Vertragsarztes im Urteil vom 11.5.2017 mit einer missverständlichen Fassung der AU-RL des GBA begründet. Die AU-RL (hier noch anzuwenden idF vom 14.11.2013, BAnz AT 27.1.2014 B4, in Kraft getreten am 28.1.2014) erlaubt den Vertragsärzten als Leistungserbringern im GKV-System in dem sie selbst betreffenden vertragsärztlichen Pflichtenkreis ausdrücklich eine zeitlich begrenzte Rückdatierung und rückwirkende Bescheinigung der AU (§ 5 Abs 3, s auch § 6 Abs 2 AU-RL). Die Vertragsärzte werden in dem Regelwerk zugleich allerdings nicht - was geboten wäre - deutlich auf die damit verbundenen ganz erheblichen leistungsrechtlichen Nachteile für die Krg-Ansprüche der sie aufsuchenden Versicherten der GKV hingewiesen (vgl ähnlich selbst noch § 5 Abs 3 AU-RL in der zum Entscheidungszeitpunkt des Senats geltenden, zuletzt geänderten Fassung vom 27.3.2020, BAnz AT 3.4.2020 B4, in Kraft getreten am 23.3.2020). Entsprechend hervorgerufene bzw aufrechterhaltene Fehlvorstellungen bei Vertragsärzten über deshalb auch vermeintlich den Versicherten in ihrem Verhältnis zu deren KK unschädliche leistungsrechtliche Folgen rückwirkender AU-Feststellungen sind den KKn als maßgebliche Mitakteure im GBA (vgl näher § 91 SGB V) und Anspruchsgegner der Krg-Ansprüche Versicherter zuzurechnen (vgl zum Ganzen BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 31 ff).
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5. Gemessen an den Ausführungen unter 4. c) hat der Kläger Anspruch auf Krg ab 6.1.2015. Nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und daher für den Senat revisionsrechtlich bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) hatte der Kläger für den letzten Tag der zuletzt ärztlich festgestellten AU am 5.1.2015 einen rechtzeitigen Termin bei seinem ihn behandelnden Vertragsarzt vereinbart, der zur Erhaltung der Krg-Ansprüche ausreichend war. Dieser Termin kam nicht rechtzeitig zustande, weil der Kläger am 5.1.2015 von der Praxis seines Vertragsarztes telefonisch aufgefordert worden war, aus organisatorischen Gründen erst am Folgetag zu erscheinen. Diese praxisinternen Gründe sind dem Kläger in seiner Eigenschaft als Versichertem der Beklagten nicht zuzurechnen. Er durfte darauf vertrauen, dass ihm die von dem sein Praxispersonal anleitenden Vertragsarzt veranlasste - leistungsrechtlich objektiv schädliche - Terminverschiebung gegenüber der Beklagten in Bezug auf seine Krg-Ansprüche nicht schadete (vgl zu Fragen des vertragsärztlichen Handelns, auf das Versicherte vertrauen können und das sich KKn zurechnen lassen müssen, zuletzt auch BSG Urteil vom 8.8.2019 - B 3 KR 6/18 R - juris RdNr 29 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 49 Nr 9 vorgesehen). Der Kläger musste nicht entgegen dem Ansinnen seines Arztes auf dem Termin am 5.1.2015 beharren oder an diesem Tag statt des ihn wegen seiner Bandscheibenschädigung laufend behandelnden Facharztes einen anderen Arzt zur Feststellung der Folge-AU aufsuchen. Beides war ihm hier nicht zuzumuten. Vielmehr ist der Kläger so zu behandeln, als habe er seinen Arzt am 5.1.2015 tatsächlich aufgesucht und als habe dieser rechtzeitig die weitere AU festgestellt. Das durchgehende Fortbestehen der tatsächlich erst am 6.1.2015 festgestellten Folge-AU des Klägers zieht auch die Beklagte nicht in Zweifel. Anhaltspunkte für sonstige Gründe, die einem Krg-Anspruch ab 6.1.2015 entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich.
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6. Dem Senat selbst ist allerdings eine abschließende Entscheidung über die Dauer und das Ende des dem Kläger ab 6.1.2015 zustehenden Krg-Anspruchs verwehrt (vgl zum Fortbestehen und Ende des Krg-Anspruchs zuletzt BSG Urteil vom 25.10.2018 - B 3 KR 23/17 R - juris RdNr 12, 15, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 49 Nr 8 vorgesehen). Nach den Feststellungen des LSG ist dem Kläger AU zuletzt nur bis voraussichtlich 24.1.2015 bescheinigt worden. Feststellungen zu Folge-AU-Bescheinigungen und den darin dokumentierten Endzeitpunkten für den streitigen Zeitraum bis 29.9.2015 hat das LSG - ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt konsequent - nicht getroffen. Die zuletzt vom Kläger im Revisionsverfahren vorgelegten ärztlichen Atteste über seine AU, die nicht selbst AU-Bescheinigungen sind, erlauben dem Senat mangels fehlender entsprechender Feststellungen in den Tatsacheninstanzen revisionsrechtlich keine abschließende Entscheidung über den Anspruch auf Krg für den gesamten streitigen Zeitraum. Das LSG wird Feststellungen hierzu im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben, um über die Dauer und das Ende des Krg-Anspruchs ab 6.1.2015 entscheiden zu können.
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7. Das LSG wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren auch über die Kosten des Revisionsverfahrens mit zu entscheiden haben.
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