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BSG 21.01.2020 - B 13 R 190/19 B
BSG 21.01.2020 - B 13 R 190/19 B - (Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - ausnahmsloser Ausschluss der Rüge einer Verletzung des § 109 SGG)
Normen
§ 62 SGG, § 103 SGG, § 109 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, Art 103 Abs 1 GG
Vorinstanz
vorgehend SG Freiburg (Breisgau), 28. September 2018, Az: S 12 R 2262/15, Gerichtsbescheid
vorgehend Landessozialgericht Baden-Württemberg, 28. Juni 2019, Az: L 4 R 3620/18, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28. Juni 2019 wird als unzulässig verworfen.
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Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
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I. Im Streit steht die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
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Einen Anspruch hierauf hat der beklagte Rentenversicherungsträger verneint. Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 28.9.2018) und das LSG die Berufung gegen diese Entscheidung zurückgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen (Urteil vom 28.6.2019).
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Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde an das BSG. Er macht geltend, das LSG habe ihn verfahrensfehlerhaft in seinem rechtlichen Gehör verletzt (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), weil es einen Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 109 SGG übergangen habe, den er sieben Tage nach Ablauf der ihm vom LSG gesetzten Frist schriftsätzlich gestellt habe. Die Ablehnung des Antrags habe das LSG damit begründet, dass es bereits an einem ausdrücklichen Antrag nach § 109 SGG mangele. Selbst wenn ein solcher anzunehmen sei, sei er verspätet gestellt und aus Gründen der Verfahrensverschleppung oder grober Nachlässigkeit nicht früher angebracht worden. Die Einholung eines weiteren Gutachtens hätte die Erledigung des Rechtsstreits am 28.6.2019 verzögert.
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II. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Beschwerdebegründung vom 4.10.2019 genügt nicht der vorgeschriebenen Form, denn er hat einen Verfahrensmangel nicht formgerecht bezeichnet (§ 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
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Hierzu müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4; BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 4; BSG Beschluss vom 20.2.2017 - B 13 R 124/16 B - juris RdNr 4; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX, RdNr 202 ff). Dabei ist zu beachten, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teilsatz 2 SGG) und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teilsatz 3 SGG).
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Der Kläger rügt eine Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs iS von § 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG, Art 47 Abs 2 Satz 1 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention. Ein solcher Verstoß liegt ua vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 19 S 33 mwN).
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Der Kläger bringt vor, er rüge "ausdrücklich" eine Gehörsverletzung, weil das LSG seinem Antrag nach § 109 SGG auf Einholung eines Sachverständigengutachtens bei der Psychiaterin und Neurologin Dr. B. oder hilfsweise Dr. K. mit der Begründung der "Verspätung" nicht gefolgt sei. Im Ergebnis zielen diese Rügen jedoch darauf, dass das LSG unter Missachtung rechtlichen Gehörs des Klägers auf dessen Antrag kein Gutachten gemäß § 109 SGG eingeholt habe. Wie der Kläger selbst ausführt, kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG jedoch auf die Verletzung des § 109 SGG nicht gestützt werden. Der in jener Vorschrift normierte Ausschluss gilt uneingeschränkt und damit für jeden Fall einer verfahrensfehlerhaften Übergehung eines nach § 109 SGG gestellten Antrags (stRspr, zB BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 129/78 - SozR 1500 § 160 Nr 34 S 30; BSG Beschluss vom 24.11.1988 - 9 BV 39/88 - SozR 1500 § 160 Nr 67 S 72 ff; BSG Beschluss vom 25.5.2009 - B 5 R 126/09 B - juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 29.5.2012 - B 13 R 97/12 B - juris RdNr 5). Dies gilt auch für die Zurückweisung des Antrags als verspätet (BSG Beschluss vom 1.8.2017 - B 13 R 347/16 B - juris RdNr 15).
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Entgegen der in der Beschwerdebegründung geäußerten Rechtsauffassung kann der uneingeschränkte Ausschluss der Rüge einer Verletzung des § 109 SGG nicht mit der Behauptung umgangen werden, die Ablehnung der nach § 109 SGG beantragten Begutachtung beruhe auf einer Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs, wenn - wie hier - im Kern doch eine Verletzung des § 109 SGG gerügt wird. Der ausnahmslose Ausschluss der Rüge einer Verletzung des § 109 SGG gilt auch für mittelbare Rügen durch Geltendmachung eines anderen Verfahrensfehlers. Darin liegt keine Missachtung des Art 103 Abs 1 GG. Vielmehr stimmt diese Rechtsprechung durchaus mit der angesichts des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 SGG) verfassungsrechtlich unbedenklichen Intention des Gesetzgebers überein, von einer Revisionszulassung grundsätzlich alle Entscheidungen auszuschließen, die eine fehlerhafte Anwendung des § 109 SGG aufweisen, unabhängig davon, worauf dieser Verfahrensmangel im Einzelnen beruht. Wenn danach selbst das Übergehen eines rechtzeitig gestellten, formgültigen Antrags nach § 109 SGG keine Zulassung der Revision rechtfertigt, so kann der Kläger auch unter Berücksichtigung des Art 103 Abs 1 GG keine bessere Rechtsposition beanspruchen, indem er geltend macht, das LSG hätte seinen Antrag nicht übergehen dürfen, nur weil er die gesetzte Frist um sieben Tage überschritten habe (vgl hierzu BSG Beschluss vom 7.3.2000 - B 9 V 75/99 B -; BSG Beschluss vom 25.5.2009 - B 5 R 126/09 B - juris RdNr 6).
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Soweit der Kläger vorbringt, die siebentägige Überschreitung der vom LSG gesetzten Frist sei keine grobe Nachlässigkeit, die die Ablehnung des Antrags nach § 109 SGG rechtfertige; der Rechtsstreit sei seit acht Monaten anhängig gewesen und der Antrag 14 Tage vor dem anberaumten Termin gestellt worden, vermag er damit ebenfalls schon aus den oben benannten Gründen nicht durchzudringen. Bereits deswegen kann dahinstehen, ob das LSG - wie der Kläger vorbringt - wiederholt und auch in anderen Verfahren nicht auf die von ihm angezeigte Arbeitsüberlastung eingegangen ist; das Gericht durch Berufung auf die Fristsetzung - die aus diesem Grunde nicht eingehalten werden konnte - die Verfahren zu einem Ende geführt hat und insoweit nach Auffassung des Klägers ein Ermessensfehlgebrauch iS des § 109 Abs 2 SGG vorliegt. Unabhängig davon hat der Kläger auch die weiteren Voraussetzungen für einen Gehörsverstoß im konkreten Fall nicht schlüssig dargetan.
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Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs hat zwar ua zum Inhalt, dass die Beteiligten ausreichend Gelegenheit zur Abgabe sachgerechter Erklärungen haben müssen und ihnen dazu angemessene Zeit eingeräumt wird (BSG Beschluss vom 23.10.2003 - B 4 RA 37/03 B - SozR 4-1500 § 62 Nr 1 RdNr 6 mwN). Zur Begründung eines entsprechenden Revisionszulassungsgrundes ist jedoch nicht nur der Verstoß gegen diesen Grundsatz selbst zu bezeichnen, sondern auch darzubringen, welches Vorbringen ggf dadurch verhindert worden ist und inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (BSG Beschluss vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36). Ferner ist Voraussetzung für den Erfolg einer Gehörsrüge, dass der Beschwerdeführer darlegt, seinerseits alles getan zu haben, um sich mit zumutbarer Ausschöpfung der vom Prozessrecht eröffneten und nach Lage der Dinge tauglichen Möglichkeiten Gehör zu verschaffen (stRspr - s auch BVerfG <Kammer> Beschluss vom 18.8.2010 - 1 BvR 3268/07 - BVerfGK 17, 479 - juris RdNr 28; BSG Beschluss vom 20.1.1998 - B 13 RJ 207/97 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 22 S 35; vgl auch BSG Urteil vom 19.3.1991 - 2 RU 33/90 - BSGE 68, 205, 210 = SozR 3-2200 § 667 Nr 1 S 6; BSG Beschluss vom 24.9.2014 - B 9 SB 11/14 B - juris RdNr 5).
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Der Kläger bringt schon nicht vor, was die erneute Begutachtung hätte ergeben sollen. Insoweit genügt es nicht aus dem Antragsschriftsatz zu zitieren, der Kläger sei Schmerzpatient und es seien im kognitiven und anamnestischen Bereich nach der Chemotherapie von 1994 bis 1996 mit Sicherheit Beeinträchtigungen zurückgeblieben. Hieraus und wie der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Berufungsverfahren ihn erlebt habe, sei zu schließen, dass er nicht leistungsfähig sei. Der Kläger versäumt darzulegen, warum diese Begutachtung hätte erforderlich sein müssen und zu welchem neuen Ergebnis sie hätte führen können. Spätestens mit der Nichtzulassungsbeschwerde muss substantiiert ausgeführt werden, welchen Vortrag das LSG dem Beschwerdeführer durch sein Vorgehen abgeschnitten und welche Bedeutung dieser für den Ausgang des Rechtsstreits hat. Der Vortrag des Klägers lässt nicht erkennen, was eine psychiatrisch-neurologische Begutachtung an neuen Erkenntnissen erbringen könnte, die, wenn die Chemotherapie mehr als zehn Jahre zurückliegt, nicht bereits im Verfahren bekannt gewesen sind. Insoweit macht sich an dieser Stelle deutlich bemerkbar, dass es in der Beschwerdebegründung an einer zusammenhängenden Schilderung des Sachverhalts und der Benennung der vom LSG festgestellten Tatsachen fehlt. Denn dem Senat erschließt sich auch aus dem weiteren Vorbringen des Klägers nicht, welche Bedeutung die Folgen der benannten Chemotherapie haben könnten, die noch nicht zuvor im Verwaltungs- oder Klage- sowie Berufungsverfahren bei der Bewertung des Leistungsvermögens des Klägers Berücksichtigung gefunden haben.
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Im Übrigen gehört eine Sachverhaltsschilderung zu den Mindestanforderungen an die Darlegung bzw Bezeichnung eines Revisionszulassungsgrundes. "Bezeichnet" ist der Verfahrensmangel noch nicht, wenn einzelne Sachverhaltselemente herausgegriffen werden und anhand dieser der behauptete Verfahrensmangel diskutiert wird, sondern nur dann, wenn er in der Gesamtheit der ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan wird. Denn das Beschwerdegericht muss sich bereits anhand der Beschwerdebegründung ein Urteil darüber bilden können, ob die geltend gemachten Tatsachen - ihre Richtigkeit unterstellt - es als möglich erscheinen lassen, dass die Entscheidung darauf beruhe (BSG Beschluss vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14 S 21 = juris RdNr 3; s auch BSG Beschluss vom 10.10.2017 - B 13 R 234/17 B - juris RdNr 5). Dies erfordert neben der Angabe der den Mangel begründenden Tatsachen ua eine - in der Beschwerdebegründung des Klägers weitgehend fehlende - geraffte Darstellung der tragenden Gründe der angegriffenen Entscheidung. Denn nur hierdurch wird das BSG in die Lage versetzt, festzustellen, dass die Entscheidung auf Grundlage der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des LSG (vgl BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu § 162 SGG; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33) auf diesem Mangel beruhen kann (s zuletzt BSG Beschluss vom 16.7.2019 - B 13 R 150/19 B - juris RdNr 6).
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Ferner hat der Kläger auch nicht dargebracht, dass er seinerseits alles getan hat, um sich - nach der Nachholung der Begründung und vor der Entscheidung des LSG - rechtliches Gehör zu verschaffen. Insoweit bleibt nach dem Vorbringen des Klägers offen, warum das LSG an dem anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung eine solche nicht durchgeführt, sondern - offensichtlich - mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat. Daher ist es dem Senat auch nicht möglich an Hand der Beschwerdebegründung nachzuvollziehen, wie im Einzelnen das Verfahren prozessrechtlich verlaufen ist und aufgrund welcher tatsächlichen Prozesshandlungen das LSG schlussendlich entschieden hat. Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, sich die maßgebenden Umstände aus den Akten selbst zusammenzusuchen (BSG Beschluss vom 1.8.2019 - B 13 R 283/18 B - juris RdNr 17).
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Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 SGG).
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Die nicht formgerecht begründete Beschwerde ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
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