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BSG 27.11.2015 - B 9 V 51/15 B
BSG 27.11.2015 - B 9 V 51/15 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Bestellung eines Notanwalts zur Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde - substantiierte Darlegung einer unverschuldeten Mandatsniederlegung - Aussichtslosigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde - summarische Prüfung - Prozesskostenhilfe
Normen
§ 78b Abs 1 ZPO, § 114 ZPO, § 73 Abs 4 S 1 SGG, § 73a Abs 1 S 1 SGG, § 160a SGG, § 160 Abs 2 SGG, § 202 SGG
Vorinstanz
vorgehend SG Freiburg (Breisgau), 21. Oktober 2014, Az: S 17 VG 1491/14, Gerichtsbescheid
vorgehend Landessozialgericht Baden-Württemberg, 25. Juni 2015, Az: L 6 VG 4530/14, Urteil
Tenor
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Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25. Juni 2015 einen Notanwalt beizuordnen sowie Prozesskostenhilfe zu gewähren, wird abgelehnt.
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil wird als unzulässig verworfen.
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Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
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I. Der Kläger begehrt in der Hauptsache Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz iVm dem Bundesversorgungsgesetz wegen eines angeblich im Mai 2003 erlittenen Hodentraumas und nachfolgender posttraumatischer Belastungsstörung.
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Den im April 2013 gestellten Antrag lehnte das beklagte Land ab. Klage und Berufung waren erfolglos. Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ua ausgeführt, ein tätlicher Angriff sei nicht erwiesen, der vermeintliche Täter bestreite den Angriff. Die Angaben des Klägers seien auch unter Berücksichtigung der Beweiserleichterung des § 15 Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung nicht glaubhaft. Zudem stehe auch der Primärschaden einer Hodenquetschung nicht fest, der nötige Kausalzusammenhang sei ebenfalls nicht gegeben. Der nach § 109 SGG beauftragte Gutachter habe zwar eine schwere wahnhafte Störung festgestellt, diese jedoch nicht als Folge eines tätlichen Angriffs gesehen. Diese Feststellung decke sich mit den Ausführungen des erstinstanzlichen Sachverständigen. Für ein weiteres Gutachten nach § 109 SGG sei kein Raum, der Antrag des Klägers verbraucht (Urteil vom 25.6.2015).
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Der Kläger hat am 30.7.2015, vertreten durch seinen Rechtsanwalt, Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt. Der Senat hat die Frist zu deren Begründung bis zum 5.10.2015 verlängert. Am 14.9.2015 hat der Prozessbevollmächtigte mitgeteilt, dass er den Kläger nicht mehr vertrete. Der Kläger wurde mit Schreiben vom 29.9.2015 (sowie seine Schwester am selben Tag fernmündlich) über die Voraussetzungen für die Bestellung eines Notanwaltes informiert.
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Für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG begehrt der Kläger die Bestellung eines Notanwalts bzw Prozesskostenhilfe (PKH).
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II. 1. Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das genannte Urteil des LSG einen Notanwalt beizuordnen, ist abzulehnen.
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Nach § 202 SGG iVm § 78b Abs 1 ZPO hat das Prozessgericht, insoweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, einer Partei auf ihren Antrag durch Beschluss für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Daran fehlt es.
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Der Kläger hat keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass er die Niederlegung des Mandats durch den zunächst beauftragten Rechtsanwalt nicht zu vertreten hat.
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a) Für das Verfahren der Beschwerde zum BSG gegen die Nichtzulassung der Revision in einem Urteil des LSG ist gemäß § 160a SGG eine Vertretung durch Rechtsanwälte oder andere qualifizierte Prozessbevollmächtigte vorgeschrieben (§ 73 Abs 4 S 1 SGG). Zur Beiordnung eines Notanwalts ist es erforderlich, dass der Beschwerdeführer ausreichend darlegt, dass es ihm nicht gelungen ist, einen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt zu finden. Für ein beabsichtigtes Rechtsmittelverfahren vor einem obersten Bundesgericht ist es erforderlich, dass erfolglose Bemühungen um eine Prozessvertretung bei zumindest fünf zugelassenen Prozessbevollmächtigten substantiiert aufgezeigt werden (BSG Beschluss vom 16.10.2007 - B 6 KA 3/07 S - Juris RdNr 2 mwN; BSG Beschluss vom 3.3.1997 - 4 BA 155/96 - Juris RdNr 3). Entsprechende Darlegungen müssen spätestens bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist erfolgen, da anderenfalls eine Wiedereinsetzung aufgrund fehlenden Verschuldens an der Fristversäumung regelmäßig nicht in Betracht kommt (BSG Beschluss vom 10.5.2011 - B 2 U 3/11 BH - Juris RdNr 9; BSG Beschluss vom 19.2.2001 - B 11 AL 205/00 B - Juris RdNr 3; BVerwG Beschluss vom 18.4.1991 - 5 ER 611/91 - Juris RdNr 2).
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Hat ein Beschwerdeführer zunächst einen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt gefunden und entsprechend mandatiert, so kommt im Falle einer späteren Mandatsniederlegung die Bestellung eines Notanwalts nur dann in Betracht, wenn der Beschwerdeführer die Beendigung des Mandats nicht zu vertreten hat (vgl BGH Beschluss vom 27.11.2014 - III ZR 211/14; vom 18.12.2013 - III ZR 122/13 - mwN). Auch dies ist vom Beschwerdeführer substantiiert aufzuzeigen. Jedenfalls fehlt es hieran, so dass die eingangs genannten weiteren Voraussetzungen des "Nicht-Findens" eines weiteren Prozessbevollmächtigten dahingestellt bleiben können.
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b) Ungeachtet dessen (vgl 1a) erscheint eine Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers gegen das Urteil des LSG vom 25.6.2015 bei der gebotenen summarischen Prüfung ähnlich dem Verfahren der PKH (vgl § 73a SGG, § 114 ZPO) jedenfalls aussichtslos. Im Unterschied zur PKH ist der Entscheidungsmaßstab allerdings nicht eine hinreichende Erfolgsaussicht, sondern "Aussichtslosigkeit" als solche. Aussichtslosigkeit besteht, wenn ein günstigeres Ergebnis auch bei anwaltlicher Beratung ganz offenbar nicht erreicht werden kann. Diese Einschränkung der gerichtlichen Beiordnung eines Notanwalts soll einen Rechtsanwalt, der die Verantwortung für den Inhalt und die Fassung seiner Schriftsätze trägt, vor einer ihm nicht zumutbaren Vertretung in von vornherein aussichtslosen Sachen bewahren. Bei einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in einem Urteil des LSG liegt eine solche Aussichtslosigkeit vor, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen der in § 160 Abs 2 SGG enumerativ geführten Gründe für die Zulassung der Revision - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Abweichung (Divergenz), Verfahrensmangel - offenbar nicht vorliegen. Eine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits in dem Sinne, ob das LSG in der Sache richtig entschieden hat, ist im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht zulässig und kann daher nicht deren Erfolgsaussichten begründen (BSG SozR 4-1750 § 78b Nr 1 RdNr 5 mwN).
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Das Vorliegen eines der in § 160 Abs 2 SGG genannten Gründe für die Zulassung der Revision ist auch nach summarischer Prüfung des Streitstoffes nicht gegeben. Der Kläger wendet sich vor allem gegen die mangelnde Anerkennung eines tätlichen Angriffs und dadurch verursachter psychischer Schädigungsfolgen im Einzelfall. In der Rechtsprechung des BSG ist geklärt, unter welchen Voraussetzungen die Beweiserleichterung auch in anderen Fällen der Beweisnot als denen des Verlusts von Unterlagen dem Opfer zugutekommt. Hiervon ist das LSG unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG (BSG Urteil vom 17.4.2013 - B 9 V 1/12 R - BSGE 113, 205 = SozR 4-3800 § 1 Nr 20, RdNr 41 mwN) ausgegangen. Ebenso sind die Grenzen des Verbrauchs des Antragsrechts nach § 109 SGG nicht klärungsbedürftig (vgl BSG SozR Nr 37 zu § 109 SGG; BSG Beschluss vom 17.3.2010 - B 3 P 33/09 B - RdNr 12). Auch sonst ist nicht ersichtlich, welche grundsätzlichen, fallübergreifenden Rechtsfragen der Fall des Klägers aufwerfen oder warum das LSG von der Rechtsprechung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abgewichen sein sollte.
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Auch ein Verfahrensfehler des LSG ist bei summarischer Prüfung nicht erkennbar. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dafür ist nichts ersichtlich. Der anwaltlich vertretene Kläger hat nicht - wie erforderlich - bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung einen Beweisantrag nach § 103 SGG aufrechterhalten (vgl zB BSG Beschluss vom 16.3.2015 - B 9 V 68/14 B). Eine Verletzung des § 109 SGG kann demgegenüber im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht gerügt werden.
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2. Aus den genannten Gründen kann der Kläger ebenso wenig die von ihm ebenfalls beantragte PKH verlangen, weil PKH nur zu bewilligen ist, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 ZPO). Diese Voraussetzung ist hier aus den oben aufgezeigten Gründen erst recht nicht erfüllt, da schon die Beiordnung eines Notanwalts abzulehnen ist (vgl zum Verhältnis von § 114 und § 78b ZPO nur BGH vom 6.7.1988 - IVb ZB 147/87 - FamRZ 1988, 1152).
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3. Die Beschwerde ist unzulässig. Sie ist durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der am 5.10.2015 endenden Frist durch einen vor dem BSG zugelassenen Bevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG) begründet worden ist (§ 160a Abs 2 S 1 iVm § 64 Abs 2, 3 und § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
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