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BSG 12.12.2014 - B 10 ÜG 15/14 B
BSG 12.12.2014 - B 10 ÜG 15/14 B - Nichtzulassungsbeschwerde - keine Bezeichnung eines Verfahrensmangels durch die Rüge der Verneinung einer unangemessenen Verfahrensdauer durch das LSG
Normen
§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 198 GVG, Art 2 Abs 1 GG, Art 19 Abs 4 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 6 MRK, ÜberlVfRSchG
Vorinstanz
vorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, 24. Juli 2014, Az: L 10 SF 2/12 EK KA, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 24. Juli 2014 wird als unzulässig verworfen.
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Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
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Der Streitwert wird auf 6120 Euro festgesetzt.
Gründe
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I. Der Kläger begehrt in der Hauptsache Entschädigung wegen überlanger Dauer des Verfahrens S 35 KA 871/06 = L 3 KA 8/10 vor dem SG Hannover/LSG Niedersachsen-Bremen.
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Der Kläger nahm als Zahnarzt an der vertragsärztlichen Versorgung in Niedersachsen teil. Das SG wies seine Klage vom 12.9.2006 gegen den Bescheid vom 23.3.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.8.2006 der Kassenzahnärztlichen Vereinigung über den Jahreshonoraranspruch für 2005 ab (Urteil vom 21.9.2009 - S 35 KA 871/06). Die am 26.1.2010 erhobene Berufung zum LSG Niedersachsen-Bremen war ebenso erfolglos (Urteil vom 12.5.2010 - L 3 KA 8/10) wie die anschließende Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BSG (Beschluss vom 9.2.2011 - B 6 KA 52/10 B).
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Mit seiner am 9.1.2012 erhobenen Entschädigungsklage hat der Kläger immateriellen Schadensersatz in Höhe von 15 000 Euro zuzüglich eines zunächst unbezifferten materiellen Schadensersatzes geltend gemacht. Mit Schriftsatz vom 4.7.2014 hat er die geforderte immaterielle Entschädigung auf 6100 Euro und die materielle Entschädigung auf 20 Euro reduziert. Das LSG hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ua ausgeführt, dass es vorliegend dahinstehen könne, ob das Vorhandensein einer beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am 3.12.2011 anhängigen, aber unzulässigen Beschwerde (Beschwerde Nr 28257/10) den Voraussetzungen des Art 23 ÜGG genüge. Jedenfalls sei eine unangemessene Dauer der Verfahren S 35 KA 871/06 und L 3 KA 8/10 nicht festzustellen. Der für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer maßgebliche Zeitraum erstrecke sich ohne Berücksichtigung des Verwaltungsverfahrens und das dem gerichtlichen Verfahren vorausgegangene Vorverfahren bei einer Behörde (Widerspruchsverfahren) von der Einleitung des Klageverfahrens am 12.9.2006 bis zur Zustellung des Urteils des LSG an den Kläger am 2.9.2010. Dabei sei nicht zu berücksichtigen, dass das LSG am 5.5.2011 über die Änderung des festgesetzten Streitwertes und das SG am 13.11.2011 (dem Kläger zugestellt am 17.11.2011) über den erstinstanzlichen Streitwert entschieden habe. Insoweit komme es ausdrücklich auf die (endgültige) Entscheidung in der Hauptsache an. Unter Beachtung des Gestaltungsspielraums der Gerichte bei der Verfahrensführung ergebe sich bei Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles unter Berücksichtigung der vergleichsweise geringen Bedeutung des Verfahrens für den Kläger vor dem Hintergrund, dass dieser durch sein Verhalten ganz maßgeblich zu der Dauer des Verfahrens beigetragen habe, bei einer Gesamtverfahrensdauer von 4 ½ Jahren über drei Instanzen keine unangemessene Verfahrensdauer iS von § 198 Abs 1 S 1 GVG (Urteil vom 24.7.2014 - L 10 SF 2/12 EK KA).
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung wendet sich der Kläger mit der Beschwerde und macht geltend, das Urteil des LSG weise diverse Verfahrensfehler auf. Das Gericht habe das rechtliche Gehör verletzt, indem es sich bei der Prüfung der Angemessenheit der Verfahrensdauer über verschiedene Vorgaben des EGMR hinweggesetzt und eine ihm bekannte Parallelentscheidung des EGMR ebenso wenig berücksichtigt habe wie Anhaltspunkte aus der Rechtsprechung des BVerfG und des EGMR. Ferner rügt der Kläger als Verfahrensfehler eine Verfälschung der vom LSG unterstellten Gesamtverfahrensdauer, die Nichtberücksichtigung des Zeitpunktes des Beginns des Vorverfahrens sowie des Zeitpunktes der Streitwertfestsetzung, die Nichtberücksichtigung der einzelnen Verfahrensabschnitte und den Umstand, dass das LSG über den Antrag auf Kompensation wegen des Fehlens eines Rechtsmittels bis zum 3.12.2011 sowie auf Entschädigung in anderer Weise nicht entschieden habe. Das Urteil des LSG verletze auch das Fairness- und Willkürverbot sowie den Amtsermittlungsgrundsatz aus § 103 SGG.
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 SGG zu verwerfen. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil kein Zulassungsgrund ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).
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1. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf den Zulassungsgrund des Verfahrensfehlers stützt (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), muss zu seiner Bezeichnung (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr, vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 36; BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 13 RdNr 4 mwN). Dies hat der Kläger versäumt.
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Indem der Kläger sich unter Berufung auf rechtliches Gehör in umfangreichen Ausführungen gegen die Art und Weise wendet, wie das LSG die Verfahrensdauer im Entschädigungsverfahren (S 35 KA 871/06; L 3 KA 8/10; B 6 KA 52/10 B) berechnet und auf dieser Grundlage eine unangemessene Verfahrensdauer iS des § 198 GVG verneint hat, rügt er der Sache nach keinen Verstoß gegen Verfahrensrecht, sondern macht eine falsche Anwendung materiellen Rechts geltend. Dies gilt ebenso hinsichtlich der gerügten Nichtberücksichtigung des Zeitpunktes des Beginns des Vorverfahrens sowie des Zeitpunktes der Streitwertfestsetzung. Ein Verfahrensmangel ist dadurch nicht dargelegt. Zu den Verfahrensfehlern zählen nur Verstöße gegen das Prozessrecht einschließlich der Vorschriften, auf die das SGG unmittelbar oder mittelbar verweist. Rügefähig sind folglich nur Fehler, die dem Gericht auf dem Weg zu seiner Entscheidung (bis zur Zustellung an den Beteiligten) unterlaufen sind (error in procedendo; vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 445; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 16a und § 144 RdNr 32; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 87). Mit seinem Vortrag, das LSG habe verschiedene Vorgaben des EGMR zur Prüfung der Angemessenheit der Verfahrensdauer sowie weitere Entscheidungen des EGMR und des BVerfG missachtet, rügt der Beschwerdeführer der Sache nach nur einen in Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde unerheblichen Rechtsanwendungsfehler (error in judicando): Die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des LSG im Einzelfall ist jedoch nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
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Den von ihr behaupteten Verstoß gegen den Grundsatz fairen Verfahrens hat die Beschwerde ebenfalls nicht dargelegt. Der aus Art 2 Abs 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip bzw Art 6 EMRK abgeleitete Anspruch auf ein faires Verfahren ist nur verletzt, wenn grundlegende Rechtsschutzstandards, wie das Gebot der Waffengleichheit zwischen den Beteiligten (vgl EGMR, NJW 1995, 1413 - Dombo Beheer), das Verbot von widersprüchlichem Verhalten oder von Überraschungsentscheidungen gewahrt werden (vgl BSG SozR 4-1500 § 118 Nr 3 mwN). Der Anspruch auf ein faires Verfahren verbietet es daher ua, dass ein Gericht aus eigenen oder ihm zuzurechnenden Fehlern oder Versäumnissen Verfahrensnachteile für die Beteiligten ableitet (BSG Beschluss vom 24.10.2013 - B 13 R 230/13 B - Juris RdNr 11 mwN). Soweit der Kläger dem LSG eine Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens vorwirft, weil es Entscheidungen des EGMR und des BVerfG übergangen und nicht von Amts wegen weiter ermittelt habe, legt er nicht substantiiert dar, auf welche Weise das LSG insoweit das Entschädigungsklageverfahren zu seinem Nachteil geführt haben sollte. Gleiches gilt hinsichtlich der behaupteten Verletzung des Willkürverbots durch das LSG.
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Soweit vom Kläger Verstöße gegen die richterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) gerügt werden, fehlt es überdies an der Darlegung eines Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt sein könnte sowie letztendlich auch an der Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 5, 35, 45; BSG SozR 1500 § 160a Nr 24, 34).
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Mit seinem Vortrag, das Entschädigungsgericht habe nicht über sämtliche seiner Anträge (Entschädigung aus Art 13 EMRK; Feststellung der Unangemessenheit) entschieden, rügt der Kläger allerdings einen Verstoß gegen § 123 SGG. Danach entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Der Kläger legt jedoch schon nicht substantiiert dar, was ausgehend von seinem zuletzt gestellten Sachantrag und dem materiell-rechtlichen Standpunkt des LSG im Einzelnen entscheidungserheblich offen geblieben ist (zur Abgrenzung des Verfahrensfehlers von der Urteilsergänzung iS des § 140 SGG vgl zB BSG SozR 4-1500 § 140 Nr 2 RdNr 10).
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2. Auch die sinngemäß behauptete Divergenz der Entscheidung des LSG zu Entscheidungen des EGMR und des BVerfG hat der Kläger nicht hinreichend dargelegt. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine rechtserhebliche Abweichung liegt folglich bereits dann nicht vor, wenn die Entscheidung des LSG nicht den Kriterien entspricht, die der EGMR zur Prüfung der Angemessenheit der Verfahrensdauer aufgestellt hat. Darüber hinaus stellt der Kläger aber auch keine sich gegenüberstehenden tragenden Rechtssätze des LSG oder des BVerfG dar.
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3. Ebenso wenig hat die Beschwerde zumindest sinngemäß eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) substantiiert vorgetragen. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfrage aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diese Anforderungen verfehlt die Beschwerdebegründung deutlich.
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Weder hat der Kläger eine klärungsbedürftige Rechtsfrage formuliert noch setzt er sich mit der zu § 198 GVG bisher ergangenen oberstgerichtlichen Rechtsprechung auseinander.
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4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 S 6, § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.
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6. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 47 Abs 2 und 3, § 52 Abs 1 und 3, § 63 Abs 2 S 1 GKG. Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger nur noch, wie zuletzt mit seinem schriftsätzlich am 4.7.2014 gestellten Antrag, einen materiellen Schadensersatz von 20 Euro sowie einen immateriellen Schaden in Höhe von 6100 Euro geltend.
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