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BSG 23.07.2014 - B 12 KR 21/12 R
BSG 23.07.2014 - B 12 KR 21/12 R - (Krankenversicherung der Landwirte - Familienversicherung - ALG II-Bezieher - Ausschluss der Familienangehörigen wegen Befreiung von der Versicherungspflicht nur, wenn es ohne Befreiung tatbestandsbezogen zur eigenen Versicherung gekommen wäre - Übergangsregelung des § 94 Abs 1 KVLG)
Normen
§ 7 Abs 1 S 1 KVLG 1989 vom 20.12.1988, § 59 Abs 1 S 1 KVLG 1989 vom 20.12.1988, § 94 Abs 1 KVLG, § 10 Abs 1 S 1 SGB 5 vom 21.03.2005
Vorinstanz
vorgehend SG Mainz, 7. Juni 2010, Az: S 15 KR 265/08, Urteil
vorgehend Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, 6. Juni 2012, Az: L 5 KR 175/10, Urteil
Leitsatz
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Einer Familienversicherung steht nicht schon jedwede dem betroffenen Angehörigen des Versicherten in der Vergangenheit erteilte Befreiung von der Krankenversicherungspflicht entgegen, vielmehr sind Angehörige von der Familienversicherung wegen Befreiung von der Versicherungspflicht nur ausgeschlossen, wenn es ohne die Befreiung in dem zu beurteilenden Zeitraum konkret tatbestandsbezogen zu ihrer eigenen originären Versicherung gekommen wäre.
Tenor
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Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. Juni 2012 wird zurückgewiesen.
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Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch des Revisionsverfahrens zu erstatten.
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Im Übrigen sind Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt die Feststellung, dass er über seine beigeladene Ehefrau in der Krankenversicherung der Landwirte (KVdL) familienversichert war.
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Der im Juli 1944 geborene Kläger wurde auf seinen Antrag hin gemäß § 94 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG) zum 1.10.1972 von der Versicherungspflicht als landwirtschaftlicher/gartenbaulicher Unternehmer in der KVdL befreit. Bis 30.9.2006 war er in der privaten Krankenversicherung (PKV) versichert. Die Beigeladene war bis 4.8.2007 in seinem Betrieb versicherungspflichtig beschäftigt. Anfang August 2007 stellte der Kläger einen Insolvenzantrag und meldete sein Gewerbe zum 16.8.2007 ab. Die Beigeladene erhielt daraufhin ab 6.8.2007 Arbeitslosengeld und war seither versicherungspflichtiges Mitglied der Rechtsvorgängerin der Beklagten in der KVdL.
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Durch einen an die Beigeladene gerichteten Bescheid des Grundsicherungsträgers (ARGE) vom 10.10.2007 wurden der Beigeladenen und dem Kläger ab 31.8.2007 Arbeitslosengeld II (Alg II) bewilligt und die Leistungen an die Beigeladene ausgezahlt. Der Alg II-Bezug des Klägers endete mit Vollendung seines 65. Lebensjahrs im Juli 2009. Seit 1.8.2009 beziehen sowohl der Kläger als auch die Beigeladene von der Alterskasse für den Gartenbau Rentenleistungen; die Beigeladene ist wegen ihres Rentenbezugs bei der Beklagten gegen Krankheit pflichtversichert.
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Mit Formantrag vom 19.10.2007 (Eingang 23.10.2007) beantragten der Kläger und die Beigeladene bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten die Durchführung der Familienversicherung des Klägers, vermittelt über die Pflichtversicherung der Beigeladenen. Dies wurde unter Hinweis auf die im Jahr 1972 erfolgte Befreiung des Klägers von der Krankenversicherungspflicht in der KVdL abgelehnt (Bescheid der Krankenkasse für den Gartenbau vom 7.11.2007; Widerspruchsbescheid vom 4.9.2008).
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Das dagegen angerufene SG hat die Krankenkasse als Rechtsvorgängerin der Beklagten unter Aufhebung der genannten Bescheide verurteilt, den Kläger ab Antragstellung im Wege der Familienversicherung zu versichern (Urteil vom 7.6.2010). Auf die Berufung der Rechtsvorgängerin der Beklagten hat das LSG das erstinstanzliche Urteil geändert und ua festgestellt, dass der Kläger in der Zeit vom 31.8.2007 bis 6.4.2009 bei ihr familienversichert gewesen sei: Er sei im Wege der Anschlussberufung berechtigt gewesen, die Feststellung der Familienversicherung bereits für die Zeit vom 31.8.2007 bis 6.4.2009 zu beantragen. Obwohl der streitige Zeitraum mittlerweile abgelaufen sei und währenddessen der Sozialhilfeträger die angefallenen Krankenbehandlungskosten des Klägers getragen habe, verfüge der Kläger über ein Feststellungsinteresse; denn die begehrte Feststellung sei für einen möglichen Anspruch auf freiwillige Weiterversicherung im Zeitraum ab 7.4.2009 von Bedeutung. Einen entsprechenden Antrag habe der Kläger - wenn auch nicht fristgemäß - gestellt. Im streitigen Zeitraum sei der Kläger selbst nicht als Bezieher von Alg II krankenversicherungspflichtig gewesen, weil der Bescheid der ARGE an die mit dem Kläger eine Bedarfsgemeinschaft bildende Beigeladene gerichtet gewesen sei. Die Voraussetzungen einer Familienversicherung seien erfüllt. Die ab 1.10.1972 erfolgte Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht nach § 94 Abs 1 KVLG stehe dem nicht entgegen, weil sich die Befreiungswirkung nicht auf Versicherungspflichttatbestände beziehe, die noch nicht im KVLG erfasst gewesen, sondern erst später neu hinzugekommen seien (hier: die erst unter Geltung des KVLG 1989 geschaffene Versicherungspflicht als Alg II-Bezieher). Besonderheiten des speziellen Ordnungssystems der KVdL rechtfertigten kein anderes Ergebnis (Urteil vom 6.6.2012).
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Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision und rügt eine Verletzung von § 94 Abs 1 KVLG sowie von § 7 Abs 1 S 1 KVLG 1989 iVm § 10 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB V. Wortlaut und Zweckbestimmung der Regelungen stünden einer Familienversicherung des Klägers entgegen. Die in § 173a Abs 2 RVO nachgebildete Regelung des § 94 Abs 2 KVLG verdeutliche die seinerzeitige gesetzgeberische Konzeption, dem speziellen Personenkreis der privat gegen Krankheit abgesicherten Landwirte und Gärtner sowie deren Angehörigen die Möglichkeit einzuräumen, sich gegen das mit dem KVLG geschaffene gesetzliche System zu entscheiden und sich für immer von der Versicherungspflicht in der KVdL befreien zu lassen. Der damalige Antrag des Klägers auf Befreiung von der Versicherungspflicht sei als Statusentscheidung für die dauerhafte Zugehörigkeit zur PKV zu interpretieren. Dementsprechend ordne § 59 Abs 1 S 1 KVLG 1989 an, dass eine Befreiung nach § 4 und § 94 Abs 1 KVLG in der bis zum 31.12.1988 geltenden Fassung nicht widerrufen werden könne. Deswegen habe die Befreiung auch für später eintretende Versicherungspflichttatbestände gelten sollen (Hinweis auf BSGE 43, 194 = SozR 5420 § 4 Nr 1). Die Wirkung der Befreiung von der Versicherungspflicht in der KVdL als berufsständische Unternehmerversicherung rechtfertige eine Abweichung von der Rechtslage zur Befreiung von der Versicherungspflicht in der allgemeinen Krankenversicherung (Hinweis auf BSGE 43, 194 = SozR 5420 § 4 Nr 1; BSG SozR 5420 § 2 Nr 4; BSGE 41, 157 = SozR 5420 § 2 Nr 2). Während die Befreiung von der Versicherungspflicht in der allgemeinen Krankenversicherung unverändert tatbestandsbezogen wirke, entfalte eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der KVdL eine systembezogene Wirkung. Die Einbeziehung des Befreiten in die berufsständische Solidargemeinschaft der KVdL durch eine über den Ehegatten vermittelte Familienversicherung sei nicht gerechtfertigt, weil sonst die beitragsfreie Mitversicherung unzulässig aus Mitteln der relativ kleinen Versichertengemeinschaft getragen werden müsste.
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Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. Juni 2012 sowie das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 7. Juni 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
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Er verteidigt die angefochtenen Urteile.
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Die Beigeladene äußert sich nicht.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das LSG hat im Ergebnis zu Recht die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und unter Klarstellung des Tenors des erstinstanzlichen Urteils die angefochtenen Bescheide aufgehoben sowie festgestellt, dass der Kläger im streitigen Zeitraum vom 31.8.2007 bis 6.4.2009 über die Beigeladene in der KVdL familienversichert war. Seiner Familienversicherung standen weder eine eigene Versicherungspflicht noch seine zum 1.10.1972 erfolgte Befreiung von der Versicherungspflicht in der KVdL entgegen.
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1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Feststellung der Familienversicherung des Klägers in der Zeit vom 31.8.2007 bis 6.4.2009. Zu Recht hat das LSG eine Ausdehnung des ursprünglich im Klageverfahren vor dem SG beantragten Zeitraums der begehrten Feststellung "ab Antragstellung" auf die Zeit ab 31.8.2007 im Wege einer zulässigen Anschlussberufung und Klageerweiterung (§ 99 Abs 3 Nr 2 SGG; vgl BSGE 24, 247, 249 = SozR Nr 9 zu § 521 ZPO) angenommen.
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2. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig (vgl BSG SozR 4-2500 § 5 Nr 21 RdNr 12). Ein Rechtsschutz- und Feststellungsinteresse des Klägers ist dafür anzuerkennen, obwohl der genannte streitige Zeitraum in der Vergangenheit liegt und der Kläger nach den Feststellungen des LSG während dieser Zeit durch den Sozialhilfeträger gegen das Krankheitsrisiko abgesichert war.
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Auch wenn die begehrte Feststellung für den Kläger keine unmittelbaren Auswirkungen auf seinen krankenversicherungsrechtlichen Status im genannten Zeitraum selbst hat, kann ein rechtliches Interesse jedenfalls für die Feststellung der Art seines an den streitigen Zeitraum anschließenden Krankenversicherungsschutzes ab 7.4.2009 nicht gänzlich verneint werden. Das LSG hat nämlich festgestellt, dass der Kläger am 15.10.2009 (vorsorglich) seine freiwillige Weiterversicherung in der KVdL gemäß § 6 Abs 1 KVLG 1989 anzeigte. Zwar ist ein entsprechendes potentielles Beitrittsrecht von weiteren Voraussetzungen abhängig, insbesondere von dem Fehlen einer Versicherungspflicht des Klägers als Rentner, die nach den Feststellungen des LSG zwischen den Beteiligten umstritten und daher (noch) ungeklärt ist. Eine der Voraussetzungen für die Weiterversicherungsberechtigung nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 2 KVLG 1989 ist aber jedenfalls auch das Erlöschen der Familienversicherung. Daher genügt vorliegend die Möglichkeit, dass eine uU rechtskräftig werdende Negierung des Bestehens einer Familienversicherung im streitigen Zeitraum durch die angefochtenen Bescheide einer späteren Entscheidung über die Wirksamkeit der Anzeige des Beitritts zur freiwilligen Versicherung entgegenstehen würde, um beim Kläger für das vorliegende Verfahren ein Rechtsschutz- und Feststellungsinteresse zu bejahen. In diesem Zusammenhang ist unbeachtlich, dass nach den Feststellungen des LSG die vom Kläger vorsorglich gemachte Anzeige nicht innerhalb der Dreimonatsfrist des § 6 Abs 2 KVLG 1989 gestellt wurde, weil die Annahme einer gleichwohl fristgerecht geltenden Anzeige jedenfalls nach den Grundsätzen über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch im vorliegenden Fall nicht gänzlich ausgeschlossen ist (vgl auch zum Fall eines nicht rechtzeitig ausgeübten Krankenkassenwahlrechts BSG SozR 4-2500 § 175 Nr 1 RdNr 13).
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3. Der angefochtene Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger war im streitigen Zeitraum ausgehend von den einschlägigen gesetzlichen Regelungen (dazu a) über seine Ehefrau in der KVdL familienversichert, weil er nicht wegen des Bezugs von Alg II selbst versicherungspflichtig war (dazu b), die 1972 erfolgte Befreiung von der Versicherungspflicht in der KVdL seiner Familienversicherung nicht entgegenstand (dazu c) und auch die übrigen Voraussetzungen einer Familienversicherung erfüllt sind (dazu d).
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a) Gemäß § 7 Abs 1 S 1 KVLG 1989 in seiner seit Inkrafttreten unveränderten Fassung gilt für die Familienversicherung § 10 SGB V entsprechend. Nach § 10 Abs 1 S 1 SGB V (in der ab 30.3.2005 geltenden Fassung des Gesetzes zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht <Verwaltungsvereinfachungsgesetz> vom 21.3.2005, BGBl I 818) sind versichert der Ehegatte, der Lebenspartner und die Kinder von Mitgliedern sowie die Kinder von familienversicherten Kindern, wenn diese Familienangehörigen
1.
ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben,
2.
nicht nach § 5 Abs 1 Nr 1, 2, 3 bis 8, 11 oder 12 oder nicht freiwillig versichert sind,
3.
nicht versicherungsfrei oder nicht von der Versicherungspflicht befreit sind; dabei bleibt die Versicherungsfreiheit nach § 7 außer Betracht,
4.
nicht hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind und
5.
kein Gesamteinkommen haben, das regelmäßig im Monat ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV überschreitet; bei Renten wird der Zahlbetrag ohne den auf Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten entfallenden Teil berücksichtigt; für geringfügig Beschäftigte nach § 8 Abs 1 Nr 1, § 8a SGB IV beträgt das zulässige Gesamteinkommen 400 Euro.
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b) Einer Familienversicherung des Klägers im streitigen Zeitraum steht sein zeitgleicher Bezug von Alg II nicht entgegen, weil dadurch keine eigene Versicherungspflicht iS von § 10 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB V begründet wurde.
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Im Gegensatz zu anderen Versicherungspflichttatbeständen wird die Versicherungspflicht als Alg II-Bezieher nach § 5 Abs 1 Nr 2a SGB V bzw § 2 Abs 1 Nr 6 KVLG 1989 in den Ausschlussgründen für eine Familienversicherung nach § 7 Abs 1 S 1 KVLG 1989 iVm § 10 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB V nicht genannt. Dies führt de lege lata (ausnahmsweise) zu einem Vorrang der Familienversicherung vor dem Versicherungspflichttatbestand als Bezieher von Alg II (vgl Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz <GKV-FQWG> BT-Drucks 18/1307 S 32 zu Art 1 Zu Nr 1 <§ 5> Zu Buchst a; Just in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 10 RdNr 8; Peters in Kasseler Komm, Stand 81. EL 2014, § 10 SGB V RdNr 10; Wiegand in Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2013, § 10 RdNr 52; eine Änderung der Rechtslage erfolgt erst ab 1.1.2016 durch Art 1 Nr 1 Buchst a aa GKV-FQWG vom 21.7.2014, BGBl I 1133).
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Indessen kann den vorliegend anzuwendenden gesetzlichen Regelungen nicht entnommen werden, welcher von beiden Ehegatten bei einem gemeinsamen Bezug von Alg II nach § 5 Abs 1 Nr 2a SGB V bzw § 2 Abs 1 Nr 6 KVLG 1989 versicherungspflichtiges Mitglied und welcher familienversichert ist. Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung des Senats, ob der nach § 38 S 2 SGB II Empfangsbevollmächtigte einer Bedarfsgemeinschaft - hier die Beigeladene - stets als versicherungspflichtig anzusehen ist oder ob die Angehörigen einer Bedarfsgemeinschaft insoweit ein Wahlrecht haben (im letztgenannten Sinne Spitzenverbände der Krankenkassen und Bundesagentur für Arbeit in einem Gemeinsamen Rundschreiben vom 26.1.2007 "Versicherungs-, Beitrags- und Melderecht der Bezieher von Alg II" S 17; zustimmend Gerlach in Hauck/Noftz, SGB V, Stand: 02/13, K § 5 RdNr 212b). Jedenfalls gehen die Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreits übereinstimmend von einer Versicherungspflicht und einer Mitgliedschaft der Beigeladenen bei der Beklagten in der KVdL aus. Eine abweichende Wahl haben der Kläger und seine Ehefrau nach den ausdrücklichen Feststellungen des LSG nicht getroffen.
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c) Das LSG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die zum 1.10.1972 erfolgte Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht in der KVdL nicht iS von § 10 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB V iVm § 7 Abs 1 S 1 KVLG 1989 seiner Familienversicherung im streitigen Zeitraum entgegenstand.
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aa) Im Gegensatz zur Auffassung des LSG beruht dieses Ergebnis allerdings nicht schon auf einer (immanenten) Begrenzung der Wirkung einer Befreiung auf Versicherungspflichttatbestände, die bei Erteilung der Befreiung bereits existierten. Wie das LSG nämlich selbst zu Recht angenommen hat, kam beim Kläger die erst mit Wirkung zum 1.1.2005 (Gesetz vom 24.12.2003, BGBl I 2954) neu geschaffene Versicherungspflicht aufgrund des Bezugs von Alg II im streitigen Zeitraum gerade nicht zum Tragen. Im Ergebnis würde eine derartige Begründung dazu führen, dass jedwede Änderung in den Versicherungspflichttatbeständen des SGB V bzw des KVLG 1989 - losgelöst von ihrer Relevanz in einem konkreten Einzelfall - zu einer Einschränkung der Wirkung einer einmal ausgesprochenen Befreiung von der Versicherungspflicht führen würde. Dieses Ergebnis lässt sich aber mit den gesetzlichen Regelungen, insbesondere zur fortbestehenden Wirkung einer ausgesprochenen Befreiung in § 59 Abs 1 S 1 KVLG 1989, nur schwer in Einklang bringen.
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bb) Die Beantwortung der Frage, ob und inwieweit die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bzw KVdL einer Familienversicherung entgegensteht, erfordert nach den allgemeinen, auch in anderen sozialrechtlichen Regelungsbereichen geltenden, und auch der Rechtsprechung des Senats zugrundeliegenden Grundsätzen vielmehr eine jeweils tatbestandsbezogene Betrachtung der individuellen versicherungsrechtlichen Situation (vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 8 Nr 3 RdNr 17 mwN; vgl auch zur gebotenen Anknüpfung an das konkrete Beschäftigungsverhältnis im Rahmen einer Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung BSGE 112, 108 = SozR 4-2600 § 6 Nr 9; BSG SozR 4-2600 § 231 Nr 5; Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand 84. EL 2014, § 10 SGB V RdNr 31). Der hier in Frage kommende Ausschlussgrund kann mit Blick auf diese Rechtsprechung nur so verstanden werden, dass eine Familienversicherung (nur) dann nicht zustande kommt, wenn eine an sich in dem jeweils relevanten Zeitraum bestehende Versicherungspflicht nur deshalb nicht zu einer eigenen Versicherung des Betroffenen führt, weil er von der Versicherungspflicht befreit ist. Hierfür sprechen der Wortlaut der Vorschrift, systematische Zusammenhänge sowie Sinn und Zweck der Regelung.
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(1) § 10 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB V knüpft an den aktuellen Zustand und nicht an einen in der Vergangenheit liegenden Umstand einer "früheren" Befreiung an, indem die Formulierung "befreit sind" und nicht zB die Formulierung "befreit wurden" verwendet wird.
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(2) Auch systematische Gründe sprechen für eine tatbestandsbezogene Sicht der individuellen versicherungsrechtlichen Situation: Das Zustandekommen einer Familienversicherung ist - anders als zB eine freiwillige Versicherung in der GKV nach § 9 SGB V bzw in der KVdL nach § 6 KVLG 1989 - grundsätzlich nicht von der Erfüllung bestimmter Vorversicherungszeiten oder einer früheren Versicherung in der GKV oder KVdL abhängig. Etwas anderes gilt seit der durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 vom 22.12.1999 (BGBl I 2626) geschaffenen Regelung in § 10 Abs 1 S 4 SGB V (früher § 10 Abs 1 S 3 SGB V) nur für das Zustandekommen einer Familienversicherung während der Dauer der Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz sowie der Elternzeit. Danach sind Betroffene während dieser Zeiten nicht (familien)versichert, wenn sie "zuvor" nicht gesetzlich krankenversichert waren. Diese gesetzliche Konzeption bestätigt zum einen, dass der Gesetzgeber entsprechend der Rechtsprechung des BSG (vgl BSG SozR 3-2500 § 257 Nr 1 S 5) davon ausgeht, dass eine vorangegangene Versicherung in der GKV nur dann (weitere) Voraussetzung für das Zustandekommen einer Familienversicherung ist, wenn dies ausdrücklich gesetzlich so geregelt ist. Zum anderen bestätigt die Konzeption, dass es auf die individuelle aktuelle versicherungsrechtliche Situation des Betroffenen ankommt ("für die Dauer der Schutzfristen"; vgl zur Frage eines Fortwirkens von Versicherungsfreiheit im Falle des fehlenden Entgeltbezugs BSGE 72, 292, 996 = SozR 3-2500 § 10 Nr 2 S 6).
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(3) Sinn und Zweck der Familienversicherung und ihres Ausschlusses im Falle der Befreiung von der Versicherungspflicht bestätigen dieses Ergebnis: In der beitragsfreien Familienversicherung liegt ein Element des sozialen Ausgleichs (Familienlastenausgleich), das die "soziale" Krankenversicherung prägt (Peters in Kasseler Komm, aaO, § 10 SGB V RdNr 2). Die Familienversicherung soll insbesondere (nur) für solche Angehörige nicht eingreifen, "die ohne Rücksicht auf die Höhe ihres Einkommens von der Versicherung ausgeschlossen sind, weil sie nicht zu dem von der GKV geschützten Personenkreis gehören und auch nicht als Familienversicherter einbezogen werden sollen" (so Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zum GRG, BT-Drucks 11/2237 S 161 zu § 10 Zu Abs 1 bis 4). Zwar klingt in der Gesetzesbegründung zur Schaffung der heute in § 10 Abs 1 S 4 SGB V enthaltenen Regelung der Gedanke einer Stärkung des Solidarprinzips in der GKV durch den Ausschluss von der Familienversicherung von zuvor privat versicherten Personen an (Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Entwurf eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000, BT-Drucks 14/1245 S 61). Der Gesetzesgeber hat diesen Aspekt aber nicht zu einer allgemein gültigen Voraussetzung des Zugangs zur Familienversicherung gemacht (vgl dazu oben 3. c bb 2>).
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cc) Demgegenüber kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf § 94 KVLG und die hierzu ergangene Rechtsprechung des BSG berufen.
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(1) § 94 Abs 1 KVLG hatte als Übergangsvorschrift nur das Ziel, bei einer bei Inkrafttreten des KVLG schon bestehenden (privaten) Absicherung gegen das Risiko der Krankheit eine Befreiung von der durch das KVLG angeordneten Versicherungspflicht zu gewähren. Die Vorschrift sollte die Beibehaltung des privaten Versicherungsschutzes ermöglichen und "insoweit" klare Verhältnisse schaffen (so Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung <KVLG>, BT-Drucks VI/3012 S 38 zu § 78). Die von der Beklagten der Vorschrift beigemessene Bedeutung als lebenslange "Systementscheidung" kann Wortlaut, Systematik und Historie der insoweit einschlägigen gesetzlichen Vorschriften nicht entnommen werden.
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(2) Dies gilt auch vor dem Hintergrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Der 11. Senat des BSG hat zwar mit Urteil vom 4.2.1977 entschieden, dass sich in der Zusammenschau der Befreiungstatbestände in § 94 und § 4 KVLG eine aufgrund § 94 KVLG ausgesprochene Befreiung auf alle Versicherungspflichttatbestände nach § 2 KVLG beziehen muss, auch auf erst später eintretende Versicherungspflichten "nach dieser Vorschrift" (BSGE 43, 194, Leitsatz und 195 ff = SozR 5420 § 4 Nr 1). Dieses Ergebnis wurde seinerzeit daraus abgeleitet, dass sich eine Befreiung nach § 4 KVLG zwar nur auf die Versicherungspflicht nach § 2 Abs 1 Nr 1 KVLG beziehe, die Regelung über die Gewährung eines Beitragszuschusses für die danach befreiten Personen in Abs 3 der Vorschrift aber praktisch leerliefe, müsste bei Verwirklichung eines neuen Versicherungspflichttatbestands, insbesondere nach § 2 Abs 1 Nr 4 oder 5 KVLG, erneut eine Befreiung von der Versicherungspflicht beantragt werden. Für die Befreiung nach § 94 KVLG könne - so das BSG - demzufolge nichts anderes gelten, zumal sich die dort geregelte Befreiung von vornherein auf jeden der in § 2 Abs 1 KVLG genannten Versicherungsgründe beziehe.
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Es kann offenbleiben, inwieweit diese noch zum KVLG ergangene Rechtsprechung auch unter dem Blickwinkel der in § 59 Abs 1 KVLG 1989 angeordneten Unwiderruflichkeit einer nach § 4, § 94 Abs 1 KVLG erfolgten Befreiung auf das KVLG 1989 übertragbar ist. Hieran bestehen Zweifel, weil es sich bei § 94 KVLG lediglich um eine Übergangsvorschrift handelt (s bereits oben 3. c bb 3 cc 1>). Die Beklagte kann sich jedenfalls schon deshalb nicht mit Erfolg auf diese Rechtsprechung berufen, weil der vorliegende Rechtsstreit nicht die Frage des Bestehens von Versicherungspflicht des Klägers in der KVdL betrifft, sondern "nur" das Vorliegen einer über die in der KVdL versicherungspflichtige Beigeladene vermittelten Familienversicherung des Klägers nach § 10 SGB V iVm § 7 Abs 1 S 1 KVLG 1989 zum Gegenstand hat.
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dd) Ein der gegenteiligen Auffassung der Beklagten zugrunde liegende allgemeiner sanktionsähnlicher Perpetuierungsgedanke einer einmal erfolgten Befreiung von der Versicherungspflicht in der KVdL findet im geltenden Recht ebenfalls keinen Niederschlag.
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Dagegen, dass eine früher unterbliebene Befreiung von der Versicherungspflicht (trotz entsprechender Möglichkeit) bzw das Festhalten an einer zuvor bestehenden Versicherung in der GKV bzw in der KVdL ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal für das Zustandekommen einer Familienversicherung ist, spricht bereits, dass der Gesetzgeber in § 10 Abs 1 S 4 SGB V eine frühere Versicherung in der GKV nicht allgemein zu einer Voraussetzung dafür gemacht hat, sondern nur in bestimmten Fällen (vgl dazu erneut oben 3. c bb 2>). Auch kann den Regelungen über die Befreiung von der Versicherungspflicht und den veröffentlichten Motiven in den Gesetzesmaterialien dazu nicht entnommen werden, dass der Betroffene hierdurch letztlich eine weitreichende und nicht mehr zu revidierende, sondern lebenslang geltende Entscheidung gegen das Zustandekommen einer Familienversicherung in der GKV bzw der KVdL traf.
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Insoweit kann sich die Beklagte auch nicht mit Erfolg auf das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 8.3.2011 (L 1 KR 175/10 - Juris) berufen. Im dort entschiedenen Fall hatte sich der als Rentner krankenversicherungspflichtige Kläger von der Versicherungspflicht befreien lassen, um auf diese Weise erneut in die zuvor bestehende Familienversicherung zu gelangen. Dieser Sachverhalt ist mit dem vorliegenden schon deshalb nicht vergleichbar, weil dort eine im relevanten Zeitraum an sich bestehende Versicherungspflicht (als Rentner) nur deshalb nicht zum Tragen kam, weil der Betroffene von dieser Versicherungspflicht befreit war; demgegenüber bestand im vorliegenden Fall im streitigen Zeitraum überhaupt keine Versicherungspflicht des Klägers in der KVdL bzw in der GKV, von der er sich zur Erlangung kostenfreien Krankenversicherungsschutzes mittels Familienversicherung hätte befreien lassen können, insbesondere - wie dargestellt - nicht über den Alg II-Bezug.
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ee) Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten rechtfertigen auch Besonderheiten der KVdL kein abweichendes Ergebnis. Im Gegenteil muss bereits aus der undifferenzierten und umfassenden Verweisung des § 7 Abs 1 S 1 KVLG 1989 auf die maßgebenden Regelungen der Familienversicherung nach § 10 SGB V der Schluss gezogen werden, dass der Gesetzgeber gerade einen Gleichklang der jeweiligen Regelungen in den Krankenversicherungssystemen erreichen wollte. Der pauschale Hinweis auf die Besonderheiten der KVdL als ein besonderes Ordnungssystem (vgl BSGE 41, 157, 159 = SozR 5420 § 2 Nr 2 S 3; BSGE 43, 194, 197 = SozR 5420 § 4 Nr 1 S 2) ist bei dieser für den Teilbereich der Familienversicherung angewandten Regelungstechnik des Gesetzgebers nicht geeignet, aus nicht in den Gesetzestext eingegangenen übergeordneten Erwägungen wiederum ein dem Regelungsziel entgegenstehendes Resultat herbeizuführen.
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d) Das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen einer Familienversicherung nach § 10 SGB V iVm § 7 Abs 1 S 1 KVLG 1989 ist zwischen den Beteiligten außer Streit. Nach alledem war der Kläger daher im streitigen Zeitraum vom 31.8.2007 bis 6.4.2009 vermittelt über die Pflichtversicherung der Beigeladenen in der KVdL bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten familienversichert.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 S 1 SGG.
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