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BSG 14.07.2014 - B 11 SF 1/14 R
BSG 14.07.2014 - B 11 SF 1/14 R - Sozialgerichtliches Verfahren - Rechtsweg - Zuständigkeit der Zivilgerichte für Streit um die rechtliche Einordnung einer Insolvenzforderung als eine auf deliktischem Handeln beruhende Forderung
Normen
§ 17a GVG, § 13 GVG, § 304 Abs 1 S 1 InsO, § 302 Nr 1 InsO, § 184 Abs 1 S 1 InsO, § 823 Abs 2 BGB, § 263 StGB, § 51 Abs 1 SGG, SGB 10
Vorinstanz
vorgehend SG Hannover, 4. Oktober 2013, Az: S 9 AL 527/09, Beschluss
vorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, 20. Februar 2014, Az: L 7 SF 4/13 B (AL), Beschluss
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 20. Februar 2014 wird zurückgewiesen.
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Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
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I. Die Beteiligten streiten über das Beruhen einer Insolvenzforderung der Klägerin auf deliktischem Handeln als Vorfrage dazu, ob diese Forderung gemäß § 304 Abs 1 iVm § 302 Nr 1 Insolvenzordnung (InsO) von der Erteilung der Restschuldbefreiung nicht berührt wird. Sozialgericht (SG) und Landessozialgericht (LSG) haben vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs nach § 17a Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) entschieden.
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Die klagende Bundesagentur für Arbeit (BA) hatte dem Beklagten von Januar 1998 bis Juli 2004 Arbeitslosenhilfe (Alhi) gewährt. Während derselben Zeit hatte dieser erhebliche Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit erzielt, dies der Klägerin aber verschwiegen. Die Klägerin nahm die Bewilligung der Alhi für die Zeit vom 1.1.1998 bis 31.7.2004 mit bestandskräftigem Bescheid vom 30.6.2006 zurück und forderte die Erstattung erbrachter 46 263,74 Euro. Beitreibungsversuche blieben erfolglos. Der Beklagte wurde vom Amtsgericht H (Urteil vom 12.12.2007) wegen gewerbsmäßigen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Im Jahre 2009 wurde über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Klägerin meldete beim Insolvenzverwalter im Juli 2009 eine Forderung iHv 46 263,74 Euro zur Insolvenztabelle mit dem Antrag an, sie von der Erteilung der Restschuldbefreiung auszunehmen. Der Beklagte bestritt, dass die Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung herrühre. Daraufhin hat die Klägerin Klage vor dem SG gemäß § 184 Abs 1 S 1 InsO auf Feststellung des Beruhens der Forderung auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung erhoben.
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Das SG hat den Rechtsweg zu den Sozialgerichten als nicht gegeben angesehen und den Rechtsstreit an das Landgericht (LG) verwiesen (Beschluss vom 4.11.2013). Das LSG hat die Beschwerde der Klägerin zurückgewiesen und die weitere Beschwerde an das Bundessozialgericht (BSG) gemäß § 17a Abs 4 S 5 GVG zugelassen (Beschluss vom 20.2.2014). Es hat maßgeblich darauf abgestellt, dass es bei der Prüfung der "Delikteigenschaft einer Insolvenzforderung" (gemeint: des Beruhens einer Forderung auf deliktischem Handeln) nicht darum gehe, ob die Leistungsaufhebungs- und Erstattungsbescheide eines Sozialversicherungsträgers rechtmäßig seien; die Prüfung beschränke sich vielmehr darauf, ob die Verbindlichkeit des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung herrühre. Dieser eingeschränkte, auf § 823 Abs 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) reduzierte Prüfungsumfang rechtfertige es, die Eröffnung des Rechtswegs zu den Zivilgerichten anzunehmen.
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Mit ihrer Beschwerde verweist die Klägerin auf Instanzrechtsprechung. Die sozialrechtliche Prägung der Rückforderung folge aus der Geschlossenheit des im Einzelnen in sich abgestimmten sozialrechtlichen Erstattungs- und Schadensersatzsystems in §§ 44 ff Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Dieses mache es entbehrlich, einen Anspruch auf die entsprechende Anwendung des § 823 Abs 2 BGB iVm § 263 Strafgesetzbuch (StGB) zu stützen. Entsprechend sei die Rückforderung gegenüber dem Beklagten auch auf § 45 Abs 2 S 3 Nr 2 SGB X gestützt und damit begründet worden, der Beklagte habe "zumindest grob fahrlässig" falsche Angaben gemacht. Damit sei die Klägerin vorrangig von einem vorsätzlichen Verhalten des Beklagten ausgegangen, habe jedoch zugleich dargelegt, dass auf jeden Fall zumindest grob fahrlässig falsche Angaben gemacht worden seien.
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II. Die Beschwerde ist nicht begründet. SG und LSG sind zutreffend von der Zuständigkeit des LG für die Frage ausgegangen, ob die betroffene Insolvenzforderung der Klägerin auf deliktischem Handeln des Beklagten beruht.
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Dass der im Verfahren nach §§ 179 ff InsO isoliert auszutragende Streit um die rechtliche Einordnung der angemeldeten Forderung als eine Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung vor den Zivilgerichten zu führen ist, ist in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte - unter Beachtung der Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) zur Einordnung einer Streitigkeit als öffentlich- oder bürgerlichrechtlich - geklärt (vgl Bundesgerichtshof <BGH> Beschluss vom 2.12.2010 - IX ZB 271/09 - FamRZ 2011, 476 und Juris; Bundesverwaltungsgericht <BVerwG> Beschluss vom 12.4.2013 - 9 B 37/12 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr 308; GmSOGB Beschluss vom 29.10.1987 - GmSOGB 1/86 - SozR 1500 § 51 Nr 47). In übereinstimmender Begründung stellen BGH und BVerwG entscheidungserheblich darauf ab, dass für die Zuordnung des klägerischen Anspruchs aus unerlaubter Handlung allein die Natur des Rechtsverhältnisses entscheidend ist, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (GmSOGB BGHZ 102, 280, 283; BGH Beschluss vom 2.4. 2009 - IX ZB 182/08 - ZIP 2009, 825 und Juris, RdNr 10; BVerwG Beschluss vom 12.4.2013 - 9 B 37/12 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr 308 = Juris, RdNr 6 und 8).
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Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat an. Das tatbestandliche Vorliegen einer Verbindlichkeit aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, welches allein Gegenstand der Vorfrage nach § 304 Abs 1 S 1, § 302 Nr 1 InsO und damit der Feststellungsklage nach § 184 S 1 InsO ist, beurteilt sich nach den Normen des Zivilrechts, hier nach § 823 Abs 2 BGB iVm § 263 StGB. Dabei hat § 302 Nr 1 InsO nicht zur Voraussetzung, dass ein Anspruch aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung auch als solcher gerichtlich durchsetzbar sein müsste. Das Verbraucherinsolvenzverfahren soll den insolventen Schuldner davor bewahren, "zeitlebens" Schulden abtragen und dauerhaft unter dem Pfändungsfreibetrag leben zu müssen. Daher wird der Schuldner bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen im Regelfall von seinen restlichen Schulden befreit (Restschuldbefreiung). Dies gilt nicht für bestimmte, in § 302 InsO angesprochene, von der Restschuldbefreiung ausgenommene Fälle. Der Gesetzgeber bringt mit § 302 Nr 1 InsO zum Ausdruck, dass der besondere Unwertgehalt einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung weiterhin mit dem regulären Zugriff auf gegenwärtiges und künftiges Einkommen und Vermögen zu belegen ist. Gleichgültig muss dabei sein, auf welchen rechtlichen Grundlagen dieser Zugriff beruht (zivilrechtliche oder öffentlich-rechtliche Inanspruchnahme). § 302 Nr 1 InsO stellt in dieser Hinsicht ein besonderes Billigkeitsrecht dar (vgl BGH Urteil vom 21.6.2007 - IX ZR 29/06 - NZI 2007, 532 = NJW 2007, 2854; Stephan in Münchner Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Aufl 2014, § 302 RdNr 4; Kiesbye in Leonhardt/Smidt/Zeuner, Insolvenzordnung, 3. Aufl 2010, § 302 RdNr 1 mwN).
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Dahingestellt bleiben kann daher, ob die zur Insolvenztabelle angemeldete - hier bestandskräftig gewordene - (Rück)Forderung lediglich auf die öffentlich-rechtlichen Vorschriften der §§ 45, 50 SGB X gestützt werden kann, oder ob der klagenden BA daneben in Anspruchskonkurrenz ein auf entsprechende Zahlung gerichteter zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs 2 BGB iVm § 263 StGB zusteht (ablehnend Gagel, NJW 1985, 1872; vgl auch Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG 7. Aufl 2008, § 49a RdNr 36 mwN). Die das Feststellungsverfahren entscheidende Frage ist, ob die angemeldete Forderung aus einem Verhalten resultiert, das tatbestandlich, unabhängig von gerichtlicher Durchsetzbarkeit, eine unerlaubte Handlung darstellt und es insoweit keiner Abmilderung seiner Haftungsfolgen bedarf. Diese spezifisch insolvenzrechtliche Wertung nach § 302 Nr 1 InsO zu treffen ist den hierzu berufenen Zivilgerichten als Insolvenzgerichte vorbehalten.
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Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 Abs 1 SGG. Das Verfahren ist für den Beklagten kostenfrei nach § 183 S 1 SGG, weil er auch hinsichtlich der zu entscheidenden Vorfrage des Insolvenzrechts in seiner Eigenschaft als Leistungsempfänger betroffen ist.
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