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BSG 04.09.2012 - B 5 R 82/12 B
BSG 04.09.2012 - B 5 R 82/12 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Rechtspflicht zur Anhörung eines Sachverständigen
Normen
§ 411 Abs 3 ZPO, § 103 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160a Abs 4 S 1 SGG, § 160a Abs 5 SGG, Art 103 Abs 1 GG, § 169 SGG
Vorinstanz
vorgehend SG Karlsruhe, 6. Oktober 2010, Az: S 6 R 3706/07
vorgehend Landessozialgericht Baden-Württemberg, 17. Januar 2012, Az: L 11 R 4953/10, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. Januar 2012 wird als unzulässig verworfen.
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Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
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Mit Urteil vom 17.1.2012 hat das LSG einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit verneint.
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung wurde Beschwerde zum BSG eingelegt. In der Beschwerdebegründung werden Verfahrensmängel und eine grundsätzliche Bedeutung geltend gemacht.
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Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
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Die Revision ist aber nur zuzulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),
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das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
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ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
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Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
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Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht.
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Der Kläger trägt vor, er habe im SG-Verfahren (Schriftsatz vom 15.7.2010) und auch im LSG-Verfahren beantragt, die gerichtlichen Sachverständigen O. und Dr. med. W. zur mündlichen Erörterung der erstellten Gutachten zum Termin zu laden; dem seien weder das SG noch das LSG gefolgt. Dies verstoße gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG), gleichzeitig sei das LSG damit seiner Pflicht zur Sachaufklärung (§ 103 SGG) nicht nachgekommen.
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Damit ist ein Verfahrensfehler indessen nicht schlüssig gerügt.
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Soweit der Kläger die Verletzung der tatrichterlichen Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) geltend macht und dabei sinngemäß rügt, das LSG habe es ermessensfehlerhaft unterlassen, das Erscheinen der Sachverständigen von Amts wegen anzuordnen, damit sie ihre schriftlichen Gutachten erläutern (§ 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 411 Abs 3 ZPO), muss sich diese Sachaufklärungsrüge gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG auf einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag beziehen, der bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch einen entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten worden ist und dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 1 RdNr 11). Einen derartigen Antrag, der notwendig die Bezeichnung von Beweistatsache und Beweismittel erfordert, hat der Kläger schon seiner Art nach nicht bezeichnet.
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Das Entschließungsermessen, das § 411 Abs 3 ZPO dem Tatsachengericht einräumt, wandelt sich in eine (revisible) Rechtspflicht (BGH Urteil vom 18.6.1997 - XII ZR 96/95 - NJW-RR 1997, 1487 - Juris RdNr 5; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 118 RdNr 12c), den Sachverständigen mündlich (BGH Urteil vom 11.7.2001 - VIII ZR 215/00 - NJW 2001, 3269 - Juris RdNr 15) oder schriftlich (BSG SozR 3-1750 § 411 Nr 1 S 5 f mwN) anzuhören, wenn der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren sachdienliche Fragen zu einem im ersten Rechtszug eingeholten Gutachten angekündigt (Udsching, NZS 1992, 50, 53) oder weiteren Aufklärungs- bzw Ermittlungsbedarf aufgezeigt hat (BSG, Beschluss vom 3.3.1999 - B 9 VJ 1/98 B - SGb 2000, 269 - Juris RdNr 5). Der Kläger hat schon nicht dargelegt, dass und ggf welche sachdienlichen Fragen er dem LSG angekündigt hatte und bei welchen konkreten Punkten er noch weiteren Aufklärungs- und Erläuterungsbedarf gesehen hat. Der Hinweis, dass die Sachverständige O. im Gegensatz zum Sachverständigen Dr. med. W. die vorliegende schwerwiegende Schmerzerkrankung nicht ausreichend gewichte, reicht hierfür nicht aus.
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Im Übrigen hat er auch nicht aufgezeigt, dass er den am 15.7.2010 gestellten und im Berufungsverfahren wiederholten Antrag im Zeitpunkt der Entscheidung des LSG am 17.1.2012 noch aufrechterhalten hat. Er hat damit auch nicht schlüssig behauptet, selbst alles getan zu haben, sein Recht auf rechtliches Gehör im Berufungsverfahren durchzusetzen (vgl auch insofern BSG SGb 2000, 269 - Juris RdNr 13).
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Schließlich hat der Kläger auch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht hinreichend dargelegt.
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Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
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Der Kläger misst der Frage grundsätzliche Bedeutung bei,
"inwieweit die Gerichte, um hinreichendes Gehör zu gewähren, diesem Antrag nachkommen müssen, zumal sich diese Frage in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann (vgl. nur SG Karlsruhe S 8 U 5233/09 Urteil vom 21.12.2011 Seite 14: 'Der Antrag, die Sachverständigen Dr. van B., Dr. S. mündlich ergänzend zu befragen, war mangels Sachdienlichkeit abzulehnen') und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt".
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Mit dieser Formulierung wird die Beschwerdebegründung schon dem ersten Erfordernis nicht gerecht. Denn der Kläger hat keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zum Inhalt oder Anwendungsbereich einer revisiblen Norm (vgl § 162 SGG) gestellt, die der Senat mit "Ja" oder "Nein" beantworten könnte (vgl Senatsbeschluss vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7 sowie BAGE 121, 52 RdNr 5 f). Die Formulierung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 181). Es gehört nicht zu den Aufgaben des BSG, den Vortrag daraufhin zu analysieren, ob sich ihm eventuell eine entsprechende Rechtsfrage entnehmen ließe (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 26 S 48).
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Soweit der Kläger eigenständig das Ergebnis der Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 S 1 SGG) des LSG angreift, kann eine Verfahrensrüge nach der ausdrücklichen Regelung des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG hierauf nicht gestützt werden. Auch die - vermeintliche - inhaltliche Unrichtigkeit des Berufungsurteils kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht angegriffen werden (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
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Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
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