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BVerfG 24.04.2023 - 1 BvR 601/23
BVerfG 24.04.2023 - 1 BvR 601/23 - Nichtannahmebeschluss: Mangels Rechtswegerschöpfung unzulässige Verfassungsbeschwerde bzgl der Heranziehung zu Rundfunkbeiträgen - zur Frage der Möglichkeit einer Geltendmachung etwaiger Mängel hinsichtlich Ausgewogenheit und Vielfalt des Programmangebots des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vor den Fachgerichten
Normen
Art 5 Abs 1 S 2 GG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG
Vorinstanz
vorgehend VG Oldenburg (Oldenburg), 2. März 2023, Az: 15 A 2896/20, Urteil
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
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Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG).
Gründe
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I.
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Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Heranziehung zu Rundfunkbeiträgen. Er hat die Zahlung zunächst teilweise und dann vollständig eingestellt.
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Vor dem Verwaltungsgericht hatte der Beschwerdeführer ausweislich des Tatbestands des angegriffenen Urteils gegen die Beitragsfestsetzung im Wesentlichen geltend gemacht: Er stelle nicht in Abrede, dass der für das Funktionieren der Demokratie bedeutsame Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, ein ausgewogenes und der Meinungsvielfalt verpflichtetes Programm anzubieten, die Heranziehung zu einem Beitrag rechtfertige. Das gelte unabhängig von der Qualität einzelner Sendungen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten seien dann jedoch auch verpflichtet, umfassend über alle gesellschaftlichen Strömungen in der Bundesrepublik und neutral im Sinne von nicht diffamierend und einseitig zu berichten. Insoweit müssten sie eine Modifikation ihrer journalistischen Freiheit in Kauf nehmen. Dem werde systematisch und bezogen auf die Gesamtstruktur des Programmangebots nicht nachgekommen. Er habe sich bei den Kontrollorganen der Rundfunkanstalten vergeblich um Abhilfe bemüht.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Beschwerdeführer könne nicht unter Bezugnahme auf seine im behördlichen und gerichtlichen Verfahren übersandten Nachweise und Berichte geltend machen, der Beitragsbescheid sei rechtswidrig, weil der öffentlich-rechtliche Rundfunk gegen seine Pflicht verstoße, umfassend und ausgewogen über alle gesellschaftlichen Strömungen zu berichten. Die nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Rundfunkfreiheit der öffentlich-rechtlichen Anstalten schließe eine Überprüfung dieser auf die Programminhalte gerichteten Rügen aus. Vielmehr werde die Verwendung der Rundfunkbeiträge durch hierfür bestimmte plural besetzte Aufsichtsgremien der Anstalten überprüft wie insbesondere die Programmkommission und die Rundfunkräte. Sollten diese Gremien ihren Kontrollpflichten nicht oder nur ungenügend nachkommen, stehe der Weg zu den Verfassungsgerichten offen. Eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle sei auch dann nicht eröffnet, wenn Eingaben zur Sicherung eines auf Vielfalt ausgerichteten Programms ohne Erfolg geblieben seien.
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Einen Antrag auf Zulassung der Berufung hat der Beschwerdeführer nicht gestellt.
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II.
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Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG. Er bestreite weder seine Beitragspflicht noch die Programmhoheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bei ordnungsgemäßer Erfüllung des Auftrags, ein insgesamt ausgewogenes und vielfältiges Programm anzubieten. Ihm gehe es auch nicht um die Inhalte einzelner Sendungen. Der Rundfunkbeitrag sei jedoch dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn - wie hier im Ausgangsverfahren belegt - das Programmangebot in seiner Gesamtstruktur und systematisch den Anforderungen der Ausgewogenheit und Vielfalt nicht mehr genüge.
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III.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG), weil sie unzulässig ist.
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1. Der Beschwerdeführer hat den Rechtsweg nicht erschöpft, da er den statthaften Antrag auf Zulassung der Berufung nicht gestellt hat (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).
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2. Eine Vorabentscheidung (§ 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG) käme hier allenfalls in Betracht, wenn ein Antrag auf Zulassung der Berufung angesichts bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung offensichtlich aussichtslos und damit eine Verweisung auf den Rechtsweg unzumutbar wäre (vgl. BVerfGE 78, 58 67>).
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Es ist jedoch weder dargelegt noch ersichtlich, dass bereits hinreichend geklärt ist, ob und gegebenenfalls nach welchen Maßstäben unter Berücksichtigung der Rundfunkfreiheit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und der der Vielfaltsicherung dienenden Selbstkontrolle durch plural besetzte anstaltsinterne Aufsichtsgremien (vgl. BVerfGE 136, 9 30 ff. Rn. 33 ff.>) vor den Verwaltungsgerichten geltend gemacht werden kann, es fehle an einem die Beitragszahlung rechtfertigenden individuellen Vorteil (vgl. BVerfGE 149, 222 262 Rn. 80 f.>), weil das Programmangebot nach seiner Gesamtstruktur nicht auf Ausgewogenheit und Vielfalt ausgerichtet sei und daher kein Gegengewicht zu den privaten Rundfunkanbietern bilde. Zwar haben einzelne Oberverwaltungsgerichte diese Frage bereits dahin entschieden, dass die Rundfunkfreiheit jede gerichtliche Kontrolle der Einhaltung des Funktionsauftrags durch die öffentlich-rechtlichen Anstalten ausschließe (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 30. März 2017 - 7 ZB 17.60 -, Rn. 9; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12. März 2015 - 2 A 2423/14 -, Rn. 71 und Beschluss vom 7. Februar 2022 - 2 A 2949/21 -, Rn. 6 f.; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16. November 2015 - 7 A 10455/15 -, Rn. 21; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Februar 2021 - OVG 11 N 95.19 -, Rn. 12). Das gilt jedoch, soweit ersichtlich, nicht für das vorliegend zur Entscheidung über den Antrag auf Zulassung der Berufung zuständige Oberverwaltungsgericht. Auch eine abschließende Klärung durch das Bundesverwaltungsgericht ist nicht dargelegt oder erkennbar. In dem - vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitrags (BVerfGE 149, 222) ergangenen - Nichtzulassungsbeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Dezember 2017 (- 6 B 70.17 -, Rn. 7 und 10) wird lediglich ausgeführt, die Rundfunkabgabe dürfe nicht zu Zwecken der Programmlenkung eingesetzt werden. Damit ist jedoch die vom Beschwerdeführer aufgeworfene und mit Blick auf die aus Art. 19 Abs. 4 GG erwachsende Verpflichtung zur Gewährung eines effektiven individuellen Rechtsschutzes naheliegende Frage nicht beantwortet, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen vor Gericht gegen die Beitragserhebung geltend gemacht werden kann, der Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, ein der Vielfaltsicherung dienendes Programm anzubieten, werde strukturell verfehlt, so dass es an einem individuellen Vorteil fehle.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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