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BVerfG 20.02.2023 - 1 BvR 795/21
BVerfG 20.02.2023 - 1 BvR 795/21 - Stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (Art 19 Abs 4 GG) durch Festsetzung einer Sicherheitsleistung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (hier: gerichtliche Aussetzung der Vollziehung von Steuerbescheiden, § 69 Abs 3 FGO) ohne hinreichende Grundlage
Normen
Art 19 Abs 4 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 69 Abs 2 S 2 FGO, § 69 Abs 2 S 3 FGO, § 69 Abs 3 S 1 FGO
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 8. April 2021, Az: 6 V 1857/20, Beschluss
vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 17. März 2021, Az: 6 V 1857/20, Beschluss
Tenor
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1. Der Beschluss des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 17. März 2021 - 6 V 1857/20 - verletzt die Beschwerdeführenden in ihrem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Grundgesetz. Der Beschluss wird aufgehoben und die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht Rheinland-Pfalz zurückverwiesen.
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2. Damit wird der Beschluss des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. April 2021 - 6 V 1857/20 - gegenstandslos.
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3. Das Land Rheinland-Pfalz hat den Beschwerdeführenden ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.
Gründe
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Aussetzung der Vollziehung von Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheiden gegen Sicherheitsleistung.
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I.
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Der Beschwerdeführer war von 2011 bis 2015 als Einzelunternehmer tätig. Sein Unternehmen vermittelte polnische Pflegekräfte. Die Beschwerdeführerin war als Büroangestellte im Unternehmen des Beschwerdeführers tätig. Die Beschwerdeführenden gingen nach eigenen Angaben davon aus, dass die vermittelten Pflegekräfte selbstständig tätig wurden, so dass ihrerseits insoweit keine arbeits-, sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Vorschriften einzuhalten gewesen seien. Im Jahr 2015 wurde zunächst gegen den Beschwerdeführer und sodann auch gegen die Beschwerdeführerin ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Scheinselbständigkeit der Pflegekräfte und des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt eingeleitet. 2017 folgte die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens wegen des Verdachts der Verkürzung von Umsatzsteuer 2011-2015 und der Voranmeldungszeiträume 01-03/2016, welches 2019 wegen des Verdachts der Verkürzung von Einkommensteuer 2012-2015 und Gewerbesteuer 2012-2015 erweitert wurde. Im Hinblick auf einzelne Tatvorwürfe erfolgten Einstellungen nach § 170 Abs. 2 StPO und § 154 Abs. 1 StPO. Soweit eine Anklage durch Anklageschrift vom 17. September 2020 erfolgt ist, wurde die Eröffnung des Hauptverfahrens zwischenzeitlich abgelehnt und die hiergegen erhobene Beschwerde zurückgewiesen.
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Bereits im Jahr 2016 veräußerte der Beschwerdeführer einen Eigentumsanteil an einer Wohnung zu einem Kaufpreis von 297.500 Euro. Dabei handelte es sich um das ursprüngliche Familienheim der Beschwerdeführenden. Im Jahr 2018 veräußerte der Beschwerdeführer ein weiteres, im Grundbuch mit 150.000 Euro belastetes Grundstück zu einem Kaufpreis von 260.000 Euro. Schließlich schenkte er im Jahr 2019 fünf Grundstücke, eines davon mit dem nunmehrigen Familienheim bebaut, seinem minderjährigen Sohn, wobei sich die Beschwerdeführenden lebenslange Nutzungsrechte an der Immobilie vorbehielten beziehungsweise gewähren ließen. Der Überlassungswert dieser im Grundbuch mit 285.000 Euro oder 185.000 Euro belasteten Grundstücke wurde im Zuge der Beurkundung auf 350.000 Euro beziffert.
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1. Mit Bescheiden vom 8. Juli 2020 änderte das Finanzamt die Einkommensteuerbescheide 2011 bis 2015, die Bescheide für 2011 bis 2015 über Gewerbesteuermessbetrag und die Umsatzsteuerbescheide 2011 bis 2015 mit der Folge, dass sich für Einkommen- und Umsatzsteuer ein Nachforderungsbetrag von 1.626.391,47 Euro ergab.
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Dagegen erhoben die Beschwerdeführenden jeweils Einspruch und beantragten die Aussetzung der Vollziehung (nachfolgend auch AdV). Wegen der beabsichtigten Festsetzung einer Sicherheitsleistung setzte das Finanzamt den Beschwerdeführenden eine Frist zur Vorlage einer Vermögensübersicht, die auf Antrag der Beschwerdeführenden bis zum 15. September 2020 verlängert wurde. Am 2. September 2020 setzte das Finanzamt die Vollziehung der festgesetzten Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheide 2011 bis 2015 aus, machte diese aber von der Leistung einer Sicherheit in Höhe von insgesamt 1.626.391,47 Euro bis zum 30. September 2020 abhängig.
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2. Mit Schreiben vom 14. September 2020 beantragten die Beschwerdeführenden daraufhin beim Finanzgericht die Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung und übermittelten in gleichem Zuge den ausgefüllten Fragebogen zur Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse. Zu ihrer Vermögenssituation trugen sie anschließend vor dem Finanzgericht weiter vor, auch mittels Vorlage eines unter Mitwirkung eines Steuerberaters erstellten Vermögensverzeichnisses. Das Finanzamt reduzierte im finanzgerichtlichen Verfahren die geforderte Sicherheit auf 50 % der Ausgangssicherheitsleistung. Streitig blieb jedoch insbesondere der Wert der schenkweise übertragenen, teils mit dem Familienheim bebauten Grundstücke. Insoweit kündigten die Beschwerdeführenden die Einholung eines Wertgutachtens an. Wegen der Arbeitsbelastung der Gutachterin stellten sie einen Fristverlängerungsantrag für die Vorlage des Gutachtens, über den vom Finanzgericht nicht entschieden wurde.
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3. Mit dem angegriffenen Beschluss vom 17. März 2021 gewährte das Finanzgericht die Aussetzung der Vollziehung der streitgegenständlichen Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheide gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000 Euro. Berechnungsgrundlage für die Sicherheitsleistung sei zum einen die unentgeltliche Übertragung der mit dem Familienheim bebauten Grundstücke an den Sohn. Bei einem Verkehrswert der zusammen 2.454 qm großen Grundstücke von rund 800.000 Euro, welcher in der notariellen Urkunde mit einem Überlassungswert von 350.000 Euro angesetzt worden sei, erscheine es angemessen, insoweit eine Sicherheit in Höhe von 450.000 Euro zu verlangen. Zum anderen habe die Veräußerung der Immobilie in 2018 nach Ablösung der Grundschuld zu einem Erlös seitens des Beschwerdeführers von mindestens 110.000 Euro geführt. Bei einem Verkaufserlös in dieser Höhe eine Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000 Euro und bei einer unentgeltlichen Übertragung von Grundvermögen mit der genannten Fläche die Differenz zwischen dem geschätzten Verkehrswert in Höhe von 800.000 Euro und dem geschätzten Wert des Überlassungsgegenstandes laut notarieller Urkunde in Höhe von 350.000 Euro anzusetzen, stelle bei ungewissem Ausgang des Hauptsacheverfahrens einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Aussetzungs- und Sicherungsinteresse dar. Zugunsten der Beschwerdeführenden sei bei der Bestimmung der Höhe der Sicherheitsleistung die Veräußerung der Eigentumswohnung im Jahr 2016 außenvorgelassen worden.
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4. Mit ihrer gegen den Beschluss vom 17. März 2021 gerichteten Anhörungsrüge beantragten die Beschwerdeführenden das Verfahren fort- und die Sicherheitsleistung auf 350.000 Euro festzusetzen. Das Finanzgericht verwarf die Rüge mit dem angegriffenen Beschluss vom 8. April 2021 als unzulässig.
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II.
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1. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführenden eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 103 Abs. 1 GG.
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Die Beschwerdeführenden sehen sich in ihrem Recht auf effektiven Rechtsschutz verletzt, da die Abwägung der gegenläufigen Interessen bei der Vollstreckung der Steuerschuld unzureichend erfolgt sei. Das Finanzgericht habe ihre konkreten wirtschaftlichen Verhältnisse im Hinblick auf die Beurteilung einer unbilligen und nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotenen Härte nicht hinreichend berücksichtigt. Insbesondere der Vortrag zur Art des verfügbaren Vermögens und die konkrete Vermögensauskunft seien nicht berücksichtigt worden. Die festgesetzte Sicherheit führe zu einer völligen Existenzvernichtung der Beschwerdeführenden trotz massiver Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuernachforderung. Insbesondere die Bewertung der schenkweise übertragenen Immobilie entbehre jeder Tatsachengrundlage. Auch der Erlös aus dem Verkauf der Immobilie im Jahr 2018 sei unzutreffender Weise berücksichtigt worden, obgleich dieser nicht mehr in liquiden Mitteln verfügbar sei.
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Zudem sehen sie ihr Recht auf rechtliches Gehör durch den angegriffenen Beschluss vom 17. März 2021 als verletzt, da der Fristverlängerungsantrag zur Vorlage des Gutachtens vom Finanzgericht übergangen worden sei. Hierauf beruhe der angegriffene Beschluss, denn wenn das Gutachten einen Verkehrswert von 350.000 Euro bestätigt hätte, wäre die Sicherheit geringer festgesetzt worden. Zudem wären die Steuerbescheide auch dann fehlerhaft, wenn die Bewertung des Geschäftsmodells durch das Finanzamt durchgreifen würde. Dazu verhalte sich der Beschluss nicht, obgleich dies durch ein entsprechendes Gutachten belegt worden sei. Außerdem setze sich das Finanzgericht über höchstrichterliche Rechtsprechung - gerade zur Umsatzsteuer und in Hinblick auf die Maßstäbe zur Aussetzung der Vollziehung - hinweg, so dass die Beschwerde zum Bundesfinanzhof hätte zugelassen werden müssen. Dass das Finanzgericht dies ohne Begründung abgelehnt habe, lasse darauf schließen, dass der diesbezügliche Vortrag übergangen worden sei. Der Beschluss vom 8. April 2021 verletze ebenfalls ihr Recht auf rechtliches Gehör, da zuvor nicht über die beantragte Akteneinsicht entschieden worden sei.
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2. Die Landesregierung Rheinland-Pfalz und das Finanzamt Speyer-Germersheim hatten Gelegenheit zur Äußerung. Dem Bundesverfassungsgericht liegt die Akte des Ausgangsverfahrens beim Finanzgericht Rheinland-Pfalz vor.
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III.
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Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG zur Entscheidung an und gibt ihr statt, da die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG vorliegen. Der Beschluss des Finanzgerichts vom 17. März 2021 verletzt die Beschwerdeführenden in Art. 19 Abs. 4 GG (1). Der angegriffene Beschluss ist aufzuheben und die Sache an das Finanzgericht zurückzuverweisen (2). Auf die weiterhin erhobene Rüge einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG kommt es daher nicht mehr an (3).
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1. Der Beschluss des Finanzgerichts vom 17. März 2021 verkennt die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG. Die Bestimmung der Höhe der Sicherheitsleistung auf 500.000 Euro führt zu einer unzumutbaren Beschränkung des (vorläufigen) Rechtsschutzes. Die angegriffene Entscheidung beruht auf der Grundrechtsverletzung.
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a) Art. 19 Abs. 4 GG verbietet es, den Zugang zu einem Rechtsbehelf - dazu gehört auch die Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung - in aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. BVerfGE 49, 329 341>). Die jeweils geltende Prozessordnung muss Vorkehrungen dafür treffen, dass der Einzelne seine Rechte auch tatsächlich wirksam durchsetzen kann. Ein Rechtsbehelf darf nicht ineffektiv gemacht werden und für den Beschwerdeführer "leerlaufen" (vgl. BVerfGE 96, 27 39> zur Berufungszulassung; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. September 2009 - 1 BvR 1305/09 -, Rn. 14).
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Art. 19 Abs. 4 GG garantiert insbesondere auch effektiven vorläufigen Rechtsschutz, denn wirksamer Rechtsschutz bedeutet auch Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit. Daraus folgt, dass gerichtlicher Rechtsschutz namentlich in Eilverfahren so weit wie möglich der Schaffung solcher vollendeter Tatsachen zuvorzukommen hat, die dann, wenn sich eine Maßnahme bei (endgültiger) richterlicher Prüfung als rechtswidrig erweist, nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Hieraus ergeben sich für die Gerichte Anforderungen an die Auslegung und Anwendung der jeweiligen Gesetzesbestimmungen über den Eilrechtsschutz (vgl. BVerfGE 93, 1 13> m.w.N.; vgl. auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 4. Juli 2001 - 1 BvR 165/01 -, Rn. 5 ff.; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 27. April 2005 - 1 BvR 223/05 -, Rn. 29). Sind dem Gericht im Interesse einer angemessenen Verfahrensgestaltung Ermessensbefugnisse eingeräumt, so müssen diese im konkreten Fall im Blick auf die Grundrechte ausgelegt und angewendet werden. Sie dürfen nicht zu einer Verkürzung des grundrechtlich gesicherten Anspruchs auf einen effektiven Rechtsschutz führen (vgl. BVerfGE 49, 220 226>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. September 2009 - 1 BvR 1305/09 -, Rn. 15).
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b) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 3 FGO "kann" die finanzgerichtliche Aussetzung der Vollziehung eines Steuerverwaltungsakts von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Zwar nennt das Gesetz in § 69 FGO keine näheren Vorgaben zu den Voraussetzungen hierfür und nach welchen Gesichtspunkten das Finanzgericht sein ihm hierbei eingeräumtes Ermessen auszuüben hat. Es ist zunächst Sache der Finanzgerichte, Voraussetzungen und Grenzen der Befugnis aus § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO im Rahmen der ihnen zukommenden Auslegung und Anwendung des Fachrechts näher zu bestimmen und dabei dem verfassungsrechtlichen Gebot, effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. September 2009 - 1 BvR 1305/09 -, Rn. 16).
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Nach der Rechtsprechung der Finanzgerichte sind die Voraussetzungen für die Anordnung einer Sicherheitsleistung als Bedingung einer Aussetzung im Grundsatz geklärt. Eine Sicherheitsleistung ist demnach dann angezeigt, wenn die spätere Vollstreckung der Steuerforderung infolge der Aussetzung der Vollziehung insbesondere wegen der wirtschaftlichen Lage der Steuerschuldner gefährdet oder erschwert erscheint. Von einer Sicherheitsleistung soll gleichwohl abgesehen werden, wenn mit Gewissheit oder großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Prozessausgang zu erwarten ist. Auch darf die Anforderung einer Sicherheitsleistung nicht erfolgen, wenn sie mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Steuerpflichtigen eine unbillige Härte für sie bedeuten würde, etwa weil Steuerpflichtige im Rahmen zumutbarer Anstrengungen nicht in der Lage sind, Sicherheit zu leisten.
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Diese Rechtsprechung steht im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen effektiven Rechtsschutz. Die Sicherheitsleistung hat den Zweck, Steuerausfälle nach einer für den Steuerpflichtigen abschlägigen Entscheidung in der Hauptsache zu vermeiden. Insbesondere in den Fällen, in denen wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung eine Aussetzung erfolgen soll (§ 69 Abs. 2 Satz 2 FGO), wäre es im Allgemeinen unverhältnismäßig, dem Steuerpflichtigen die Aussetzung der Vollziehung zu versagen, wenn seine wirtschaftlichen Verhältnisse die Leistung einer Sicherheit nicht zulassen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. September 2009 - 1 BvR 1305/09 -, Rn. 17 m.w.N.). Auch die das Steueraufkommen sichernde Anordnung einer Sicherheitsleistung muss den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit genügen (vgl. BVerfG, Beschluss des Dreierausschusses des Ersten Senats vom 24. Oktober 1975 - 1 BvR 266/75 -, Rn. 3). Dies gilt ebenso für die Bestimmung der Höhe der Sicherheitsleitung. Entsprechend ist nach der Rechtsprechung der Finanzgerichte eine Sicherheitsleistung gemäß § 69 FGO nicht stets in Höhe des Werts der zu sichernden Forderung festzusetzen, wenngleich dies nach Würdigung der Umstände des Einzelfalls möglich ist (vgl. BFH, Beschluss vom 6. Februar 2013 - XI B 125/12 -, BStBl II, S. 983).
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c) Der Beschluss des Finanzgerichts vom 17. März 2021 genügt diesen Anforderungen nicht.
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aa) Die Anordnung der Sicherheitsleistung als solche begegnet allerdings keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Finanzgericht hat sich mit den Voraussetzungen für die Anordnung einer Sicherheitsleistung befasst. Es hat die Gefährdung des Steueranspruchs damit begründet, dass der Beschwerdeführer sein Immobiliarvermögen vor und während der Steuerfahndungsprüfung teils veräußert und teils unentgeltlich übertragen hat, wodurch die Realisierung der Steueransprüche bei einem zumindest teilweise ungünstigen Prozessausgang erheblich gefährdet sei. Weiter hat das Finanzgericht ausgeführt, dass angesichts der erst im Hauptsacheverfahren zu klärenden schwierigen Abgrenzungsfragen jedenfalls nicht von vornherein mit Gewissheit oder großer Wahrscheinlichkeit ein für die Beschwerdeführenden günstiger Prozessausgang zu erwarten sei. Dabei hat es ausdrücklich eine Abwägung der Interessen der Beschwerdeführenden an einer Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung und des Finanzamtes an einer vollständigen Sicherung der geltend gemachten Steuerforderungen vorgenommen, und geschlussfolgert, dass eine Aussetzung nur zu gewähren sei, wenn in angemessener Höhe Sicherheit geleistet wird.
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Zwar hat sich das Finanzgericht dabei nicht ausdrücklich damit auseinandergesetzt, dass die Anordnung einer Sicherheitsleistung auch dann zu unterbleiben hat, wenn sie mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Steuerpflichtigen eine unbillige Härte für sie bedeuten würden, etwa weil sie im Rahmen zumutbarer Anstrengungen nicht in der Lage sind, Sicherheit zu leisten. Dies war aber auch nicht veranlasst. So erklärten die Beschwerdeführenden selbst, jedenfalls eine Sicherheitsleistung in Höhe von 6.000 Euro erbringen zu können, und bezifferten ihr Nießbrauchsrecht an dem an den Sohn verschenkten Familienheim mit rund 300.000 Euro. Entsprechend beantragten sie dann auch im Anhörungsrügeverfahren, die Sicherheitsleistung auf 350.000 Euro festzusetzen.
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bb) In aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise hat das Finanzgericht den Beschwerdeführenden aber den Zugang zu dem Rechtsbehelf der Aussetzung der Vollziehung dadurch erschwert, dass es die Höhe der zu leistenden Sicherheit ausgehend von den Grundstücksgeschäften auf 500.000 Euro bestimmt hat, ohne die zugrunde gelegten Schätzungsgrundlagen hinreichend überprüfbar darzulegen und die dem Gericht vorgelegten Unterlagen genügend auszuwerten.
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(1) Zwar erscheint es auch mit Rücksicht auf ihre wirtschaftlichen Verhältnisse nicht als unbillige Härte, den Wert der teils mit dem Familienheim bebauten Grundstücke zu berücksichtigen, auch wenn der Beschwerdeführer nicht mehr Eigentümer derselben ist. Den Beschwerdeführenden steht insoweit jeweils ein lebenslanges Nutzungsrecht zu, dem sie selbst einen aus der Immobilie ableitbaren Wert beimessen. Außerdem beruhte die unentgeltliche Übertragung auf ihrem freien Entschluss.
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Soweit das Finanzgericht jedoch eine Sicherheit in Höhe von 450.000 Euro als angemessen erachtet hat und dabei von einem Verkehrswert der schenkweise übertragenen, teils mit dem Familienheim bebauten Grundstücke in Höhe von 800.000 Euro ausgegangen ist, kann dies nicht nachvollzogen werden. Einer Gesamtschau von Tatbestand und den Entscheidungsgründen des angegriffenen Beschlusses lässt sich lediglich entnehmen, dass sich dieser veranschlagte Verkehrswert aus einem, ausgehend von Grundstücksflächen und Bodenrichtwert ermittelten Bodenwert und im Übrigen aus einem geschätzten Gebäudewert zusammensetzt.
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Eine Schätzung setzt jedoch die konkrete Feststellung der Schätzungsgrundlagen voraus; bloße Mutmaßungen genügen nicht (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 1. Juni 2015 - 2 BvR 67/15 -, Rn. 22). Die Darlegung der Schätzungsgrundlagen in der gerichtlichen Entscheidung kann auch im steuerlichen Kontext allgemein wie im Rahmen der Festsetzung der Sicherheitsleistung im AdV-Verfahren gefordert werden, wenn die Schätzung nicht bereits aus sich heraus verständlich erscheint. Letzteres ist vorliegend nicht der Fall, da der Differenzbetrag zwischen dem angenommenen Verkehrswert in Höhe von 800.000 Euro einerseits und dem Produkt aus Bodenrichtwert (190 Euro/m²) und Grundstücksfläche (2.451 qm) andererseits nicht selbsterklärend erscheint. Der Beschluss des Finanzgerichts lässt diesbezüglich die vor diesem Hintergrund erforderliche Mitteilung der Schätzungsgrundlagen vermissen und die Grundlagen für die Schätzung gerade im Hinblick auf den für das Gebäude veranschlagten Wert nicht in einer Weise erkennen, dass die Schätzung nachvollziehbar und überprüfbar wäre. Die weitere Erwägung des Gerichts, für die Höhe der Sicherheitsleistung von 450.000 Euro die Differenz zwischen dem geschätzten Verkehrswert (800.000 Euro) und dem geschätzten Überlassungswert laut der notariellen Urkunde (350.000 Euro) anzusetzen, erschließt sich nicht.
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(2) Auch soweit das Finanzgericht die Sicherheit um 50.000 Euro wegen der entgeltlichen Grundstücksübertragung im Jahr 2018 erhöht hat, verletzt dies die Beschwerdeführenden in ihrem Recht aus Art. 19 Abs. 4 GG. Insoweit hat das Finanzgericht ausgehend von einem Kaufpreis von 260.000 Euro und einer auf dem Grundstück lastenden Grundschuld von 150.000 Euro auf einen Erlös in Höhe von jedenfalls 110.000 Euro geschlossen, der den Beschwerdeführenden zur Verfügung stehen müsste und als Sicherheit verwendet werden könnte.
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Art. 19 Abs. 4 GG verpflichtet die Finanzgerichte aber auch im AdV-Verfahren, ungeachtet seines Charakters als summarisches Verfahren, der Frage der wirtschaftlichen Zumutbarkeit einer Sicherheitsleistung für den Steuerpflichtigen jedenfalls durch substantiierte Auseinandersetzung mit den vorliegenden Erkenntnissen im Einzelnen nachzugehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. September 2009 - 1 BvR 1305/09 -, Rn. 20).
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Dem ist das Finanzgericht nicht hinlänglich nachgekommen. Zwar erscheint der Vortrag der Beschwerdeführenden über den Verbleib des Verkaufserlöses teilweise widersprüchlich. Sie haben dem Gericht jedoch jeweils ein Vermögensverzeichnis vorgelegt, das unter Mitwirkung eines Steuerberaters erstellt wurde und das Auskunft über vorhandene Vermögenswerte geben soll. Dieses Vermögensverzeichnis hat das Finanzgericht zwar in seinem Tatbestand erwähnt, im Zuge seiner Entscheidung aber ohne Darlegung etwaiger begründeter Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit desselben unberücksichtigt gelassen und seine eigene Berechnung über den aus dem Verkauf der Immobilie im Jahr 2018 erzielten Erlös nicht anhand des Vermögensverzeichnisses auf Plausibilität hin überprüft.
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d) Der Beschluss des Finanzgerichts vom 17. März 2021 beruht auf diesen Verstößen gegen Art. 19 Abs. 4 GG, da nicht auszuschließen ist, dass die Entscheidung bei ordnungsgemäßer Schätzung und Berücksichtigung sämtlicher vorhandener Erkenntnisse zur Vermögenslage der Beschwerdeführenden anders ausgefallen und keine oder eine geringere Sicherheitsleistung festgesetzt worden wäre.
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2. Gemäß § 93c Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG ist der angegriffene Beschluss vom 17. März 2021 aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht zurückzuverweisen. Die Aufhebung kann hier nicht auf die Anordnung der Sicherheitsleistung beschränkt werden, denn diese ist ein nicht selbständig anfechtbarer Teil der Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung und wird im Rahmen einer einheitlichen Ermessensentscheidung getroffen (vgl. dazu Stapperfend, in: Gräber, FGO, 9. Aufl. 2019, § 69 Rn. 235 m.w.N.).
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Durch die Aufhebung des Beschlusses vom 17. März 2021 wird der Beschluss des Finanzgerichts vom 8. April 2021 gegenstandslos.
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3. Auf die weiterhin erhobene Rüge einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG kommt es daher nicht mehr an.
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IV.
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Die Entscheidung über die Erstattung der Auslagen erfolgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.
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