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BVerfG 19.01.2022 - 1 BvR 1089/18
BVerfG 19.01.2022 - 1 BvR 1089/18 - Stattgebender Kammerbeschluss: Zum verfassungsrechtlichen Maßstab für die Härtefallbefreiung von der Rundfunkbeitragspflicht aus Gründen des geringen Einkommens - Verletzung des Gleichheitssatzes (Art 3 Abs 1 GG) durch Versagung der Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht bei Finanzierung des Lebensunterhalts durch Studienkredit statt durch Sozialleistungen
Normen
Art 1 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, Art 20 Abs 1 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 4 Abs 1 Nr 5 Buchst a RdFunkBeitrStVtr, § 4 Abs 6 S 1 RdFunkBeitrStVtr, § 7 Abs 5 SGB 2, § 27 Abs 4 S 1 SGB 2 vom 13.05.2011, § 27 Abs 4 S 1 SGB 2 vom 10.12.2011
Vorinstanz
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 1. März 2018, Az: 16 A 2902/15, Beschluss
vorgehend VG Köln, 17. November 2015, Az: 17 K 4481/14, Urteil
Tenor
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Der Widerspruchsbescheid des Westdeutschen Rundfunks vom 15. Juli 2014 - 376 622 683 -, das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 17. November 2015 - 17 K 4481/14 - und der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 1. März 2018 - 16 A 2902/15 - verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes.
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Das Urteil des Verwaltungsgerichts und der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts werden aufgehoben und die Sache an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
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Das Land Nordrhein-Westfalen hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.
Gründe
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Versagung der Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht als Härtefall.
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I.
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1. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens und Beschwerdeführerin im vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahren (im Folgenden: Beschwerdeführerin) war bis zum streitgegenständlichen Zeitraum aus verschiedenen Gründen von der Rundfunkbeitragspflicht befreit; zunächst als Empfängerin von Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) und anschließend als Empfängerin von Arbeitslosengeld II nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
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Nach Wiederaufnahme ihres Studiums zum Sommersemester 2013 und bis einschließlich März 2015 finanzierte die alleinerziehende Beschwerdeführerin ihren Lebensunterhalt und den ihres minderjährigen Sohnes aus einem Studienkredit der Darlehenskasse der Studentenwerke im Land Nordrhein-Westfalen e.V. und durch Wohngeld. Für ihren minderjährigen Sohn erhielt sie Unterhaltsleistungen. Während dieser Zeit blieb die Beschwerdeführerin trotz Bemühens um eine Befreiung von der Rundfunkbeitragsplicht zur Beitragszahlung verpflichtet, obschon ihr Einkommen abzüglich Wohn- und Krankenversicherungskosten nach eigenen Angaben und ausweislich eines vorgelegten Wohngeldbescheids unterhalb der Höhe der sozialrechtlichen Regelsätze lag. Nach dem Auslaufen des Studienkredits wurden der Beschwerdeführerin antragsgemäß Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen gemäß § 7 Abs. 5 in Verbindung mit § 27 Abs. 4 Satz 1 SGB II in der bis zum 31. Juli 2016 gültigen Fassung (heute: § 27 Abs. 3 Sätze 1 und 2 SGB II) wegen des Vorliegens eines besonderen Härtefalls bewilligt. Seitdem war sie antragsgemäß wieder von der Rundfunkbeitragspflicht befreit.
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Streitgegenständlich ist mithin die Rundfunkbeitragspflicht der Beschwerdeführerin für die Dauer von circa zwei Jahren, in denen sie ihren Lebensunterhalt aus dem Studienkredit bestritt, wobei der genaue Beginn der begehrten Befreiung im fachgerichtlichen Verfahren offengeblieben ist.
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2. Die von der Beschwerdeführerin unter Verweis auf ihr Einkommen beantragte Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht als Härtefall lehnte der Westdeutsche Rundfunk (WDR) sowohl im Verwaltungs- als auch im Widerspruchsverfahren ab. Nach den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen bestehe ihr Einkommen aus einem Studentendarlehen und Wohngeld. Eine Befreiung nach § 4 Abs. 1 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) sei mangels Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen nicht möglich. Eine Befreiung der Beschwerdeführerin als Härtefall nach § 4 Abs. 6 RBStV scheide ebenfalls aus, weil kein atypischer Sachverhalt vorliege, den der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Befreiungstatbestände versehentlich übergangen habe.
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3. Gegen die Versagung erhob die Beschwerdeführerin Klage zum Verwaltungsgericht unter gleichzeitiger Beantragung von Prozesskostenhilfe.
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a) Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit angegriffenem Urteil vom 17. November 2015 ab, weil der Beschwerdeführerin ein Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht aus den im Prozesskostenhilfeverfahren genannten Gründen nicht zustehe. Die Berufung ließ das Verwaltungsgericht nicht zu.
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b) In der in Bezug genommenen Prozesskostenhilfeentscheidung aus Mai 2015 hatte das Verwaltungsgericht die Ablehnung insbesondere damit begründet, dass der Beschwerdeführerin voraussichtlich kein Anspruch auf Befreiung wegen eines Härtefalls nach § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV zustehe. Die bloße Einkommensschwäche sei nicht geeignet, einen solchen Härtefall zu begründen. Auch dass die Beschwerdeführerin ein Studium betreibe, aber keine Ausbildungsförderung mehr erhalte, führe zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Durchführung eines dem Grunde nach förderungsfähigen Studiums, für das aber keine Ausbildungsförderung gewährt werde, stehe zwar in der Regel, aber nicht ausnahmslos dem Bezug von Leistungen nach dem SGB II entgegen. Vielmehr sähen die Bestimmungen des § 7 Abs. 5 in Verbindung mit § 27 Abs. 4 Satz 1 SGB II a.F. beziehungsweise des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII vor, dass in besonderen Härtefällen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, gegebenenfalls als Darlehen, geleistet werden könnten. Für die begehrte Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht sei die Beschwerdeführerin gehalten, Leistungen im Sinne dieser Normen zu beantragen.
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4. Den gegen das erstinstanzliche Urteil gestellten Antrag auf Berufungszulassung lehnte das Oberverwaltungsgericht mit angegriffenem Beschluss genauso ab wie die Beschwerde gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe durch das Verwaltungsgericht.
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a) Der allein in Betracht kommende Zulassungsgrund des Bestehens von ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) greife jedenfalls in der Sache nicht ein. Das Verwaltungsgericht sei in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats davon ausgegangen, dass allein der Bezug eines niedrigen, gegebenenfalls unter den Regelsätzen nach dem SGB II oder dem SGB XII liegenden Einkommens nicht den Begriff der besonderen Härte im Sinne von § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV erfülle. Es gehe insbesondere fehl, dass die Beschwerdeführerin einen Verstoß des angefochtenen Urteils gegen verfassungsrechtliche Grundsätze unter Verweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 30. November 2011 (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 30. November 2011 - 1 BvR 3269/08 u.a. -) zu begründen versuche. Die zitierte Rechtsprechung betreffe allein Fälle des geringfügigen Überschreitens des für den Bezug von Sozialleistungen - etwa nach dem SGB II - maßgeblichen Einkommens, in denen nur wegen dieses Überschreitens keine Sozialleistungen beansprucht werden könnten und für die Begleichung des Rundfunkbeitrags in der Folge dann auf das sozialrechtliche Existenzminimum zurückgegriffen werden müsse. Damit sei der vorliegende Sachverhalt indes nicht vergleichbar, weil er von vornherein aus dem Regelungsbereich der Härtefallbestimmungen des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV herausfalle. Auch im Übrigen verstoße die Bescheidabhängigkeit der Gewährung der Beitragsbefreiung nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Eine Härtefallbefreiung von der Rundfunkbeitragspflicht komme allenfalls in Betracht, wenn der Beschwerdeführerin auf Antrag Leistungen wegen des Vorliegens eines besonderen Härtefalls im sozialrechtlichen Sinne nach § 27 Abs. 4 Satz 1 SGB II in der bis zum 31. Juli 2016 gültigen Fassung bewilligt würden.
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b) In seiner vorausgegangenen Beschwerdeentscheidung im Prozesskostenhilfeverfahren hatte das Oberverwaltungsgericht zudem darauf hingewiesen, dass das Begehren der Beschwerdeführerin nicht schon deshalb unter Härtefallgesichtspunkten Erfolg haben könnte, weil sie möglicherweise Einkünfte unterhalb der SGB II-Regelsätze gehabt habe. Maßgeblich sei vielmehr, dass der Fall der Beschwerdeführerin grundsätzlich in § 4 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe a RBStV geregelt sei, ohne dass es wegen spezifischer Besonderheiten zu Ausbildungsförderungs- beziehungsweise ersatzweise Leistungen nach dem SGB II gekommen sei. Derartige fachspezifische Ausschlussgründe könnten nicht über die Härtefallregelungen korrigiert werden. Die von der Beschwerdeführerin angeführte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGK 19, 181; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 30. November 2011 - 1 BvR 3269/08 u.a. -) betreffe Fälle des geringfügigen Überschreitens der sozialrechtlichen Regelsätze, mit denen der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar sei.
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5. Nach Abschluss des fachgerichtlichen Verfahrens der Beschwerdeführerin hat das Bundesverwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Kammerrechtspre-chung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGK 19, 181) seine Rechtsprechung zur Anwendung der rundfunkbeitragsrechtlichen Härtefallklausel geändert (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2019 - 6 C 10.18 -, Leitsatz 3, Rn. 22 ff.). Die bisherige Rechtsprechung zur Härtefallklausel (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 2011 - 6 C 34.10 -) wurde dabei teilweise aufgegeben.
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6. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde, die sich gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts und den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts im verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahren richtet, rügt die anwaltlich nicht vertretene Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG. Eine unter Art. 3 Abs. 1 GG unzulässige Ungleichbehandlung erkennt sie unter anderem darin, dass Empfänger von Arbeitslosengeld II auf Antrag von dem Rundfunkbeitrag befreit würden, wohingegen ihr - als Darlehensnehmerin eines Studienkredites - eine Befreiung versagt werde, obwohl ihr Einkommen unterhalb der sozialrechtlichen Regelsätze liege und sie damit zur Begleichung des Rundfunkbeitrags auf das geschützte Existenzminimum zurückgreifen müsse.
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7. Das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen und der Westdeutsche Rundfunk als Beklagter des Ausgangsverfahrens hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.
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II.
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Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b, § 93b Satz 1, § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführerin aus Art. 3 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Entscheidung durch die Kammer liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
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1. Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat vor zehn Jahren mit zwei Beschlüssen den aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG (Schutz des Existenzminimums) und aus Art. 3 Abs. 1 GG fließenden verfassungsrechtlichen Maßstab für die Härtefallbefreiung von der Rundfunkbeitragspflicht aus Gründen des geringen Einkommens aufgestellt (vgl. BVerfGK 19, 181 184 ff.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 30. November 2011 - 1 BvR 3269/08 u.a. -, Rn. 14 ff.). Danach muss ein den sozialrechtlichen Regelleistungen entsprechendes Einkommen (Existenzminimum) zur Begleichung des Rundfunkbeitrags nicht eingesetzt werden. Die einer einkommensschwachen Person dennoch versagte Befreiung verstößt - im Vergleich zu den nach dem damaligen Rundfunkgebührenstaatsvertrag aus Einkommensgründen befreiten Personengruppen - gegen Art. 3 Abs. 1 GG, ohne dass der Staatsvertrag selbst verfassungswidrig wäre (vgl. BVerfGK 19, 181 184 ff.>). Die Härtefallklausel ermöglicht dem Rechtsanwender in einem solchen Fall eine das Existenzminimum schonende Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht, auch ohne dass ein normierter Befreiungstatbestand erfüllt ist (vgl. BVerfGK 19, 181 185 f.>).
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2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise zulässig (a) und hat insoweit auch in der Sache Erfolg (b).
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a) Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit zulässig, als die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG rügt.
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b) Die Verfassungsbeschwerde hat, soweit sie zulässig ist, auch in der Sache Erfolg. Der WDR, das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgerichts haben ihre Entscheidungen auf ein Verständnis von der rundfunkbeitragsrechtlichen Härtefallklausel gestützt, das der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 3 Abs. 1 GG und dem Schutz des Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG) (vgl. BVerfGK 19, 181; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 30. November 2011 - 1 BvR 3269/08 u.a. -) widerspricht; dadurch wurde die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.
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aa) Aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG folgt, dass ein nachweislich den sozialrechtlichen Regelleistungen entsprechendes oder sogar noch unterschreitendes Einkommen zur Begleichung von Rundfunkbeiträgen nicht eingesetzt werden muss (vgl. BVerfGK 19, 181 185>; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2019 - 6 C 10.18 -, Rn. 25). Die Regelleistungen schützen und gewährleisten ein menschenwürdiges Existenzminimum, das sowohl die physische Existenz als auch ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben sichert (vgl. BVerfGE 125, 175 228>; 152, 68 113 Rn. 119>).
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Art. 3 Abs. 1 GG gebietet seinerseits, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Bei der Anwendung des Gleichheitssatzes ist daher zunächst zu fragen, ob eine Person oder Gruppe durch die als gleichheitswidrig angegriffene Vorschrift anders gestellt wird als eine andere Personengruppe, die man ihr als vergleichbar gegenüberstellt (vgl. BVerfGE 22, 387 415>; 52, 277 280>). Das Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt auch für ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfGE 79, 1 17>; 110, 412 431>). Verboten ist daher ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem einem Personenkreis eine Begünstigung gewährt, einem anderen Personenkreis die Begünstigung aber vorenthalten wird (vgl. BVerfGE 110, 412 431>; 121, 108 119>).
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bb) Die Beschwerdeführerin wird durch die angegriffenen Entscheidungen gegenüber anderen finanziell bedürftigen Personen benachteiligt, denen die Zahlung des Rundfunkbeitrags aus ihren sozialrechtlichen Regelleistungen nicht zugemutet wird, weil diese das Existenzminimum schützen. Sowohl der WDR als auch das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht haben eine Härtefall-befreiung der Beschwerdeführerin von vornherein abgelehnt, ohne die Höhe ihres Einkommens anhand der vorgelegten Nachweise zu überprüfen. Nach dem Vortrag der Beschwerdeführerin und den von ihr im fachgerichtlichen Verfahren vorgelegten Nachweisen - etwa dem Wohngeldbescheid - war aber davon auszugehen beziehungsweise jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass ihr Einkommen in dem streitgegenständlichen Zeitraum unterhalb der sozialrechtlichen Regelsätze lag.
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(1) Durch die versagte Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht wurde die Beschwerdeführerin, die von einer bescheidgebundenen Befreiung gemäß § 4 Abs. 1 RBStV mangels Vorliegen der Voraussetzungen ausgeschlossen war, gegenüber solchen Personen benachteiligt, die gemäß § 4 Abs. 1 RBStV auf Antrag von der Beitragspflicht zu befreien sind, weil sie einen Anspruch auf Sozialleistungen haben und ihren das Existenzminimum schützenden Regelsatz zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II beziehungsweise der Sozialhilfe nach dem SGB XII nicht zur Begleichung des Rundfunkbeitrags aufwenden müssen (vgl. BVerfGK 19, 181 185>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 30. November 2011 - 1 BvR 3269/08 u.a. -, Rn. 16; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2019 - 6 C 10.18 -, Leitsatz 3, Rn. 22 ff.). Beide Personengruppen sind in Bezug auf ihre finanzielle Bedürftigkeit miteinander vergleichbar, weil das der Beschwerdeführerin zur Verfügung stehende Einkommen seiner Höhe nach mit den sozialrechtlichen Regelsätzen vergleichbar ist beziehungsweise es sogar noch unterschreitet (vgl. BVerfGK 19, 181 184>; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2019 - 6 C 10.18 -, Rn. 26).
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(2) Diese Schlechterstellung der Beschwerdeführerin gegenüber den nach § 4 Abs. 1 RBStV auf Antrag von der Beitragspflicht befreiten Personengruppen beruht am Maßstab von Art. 3 Abs. 1 GG auf keinem sachlichen Grund. Sie findet ihre sachliche Rechtfertigung insbesondere nicht in der Möglichkeit, aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität zu generalisieren, zu typisieren und zu pauschalieren (vgl. BVerfGE 100, 138 174>; 103, 310 319>; 112, 268 280>). Hierzu wäre unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erforderlich, dass die mit der Typisierung verbundenen Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, sie lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen beträfen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv wäre (vgl. BVerfGE 100, 138 174>; 103, 310 319>; BVerfGK 19, 181 185>; stRspr).
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Diese kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen liegen nicht vor. Für die Beschwerdeführerin liegt schon ein intensiver Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor, für dessen Beurteilung insbesondere die Beitragsbelastung maßgeblich ist (vgl. BVerfGE 63, 119 128>; 84, 348 360>). Zwar ist der Betrag eines Rundfunkbeitrags absolut nicht sehr hoch. Er stellt aber für die Beschwerdeführerin, die ihren Lebensunterhalt aus einem Einkommen unterhalb der zur Deckung des Existenzminimums konzipierten sozialrechtlichen Regelleistungen (vgl. BVerfGE 125, 175 228>; 152, 68 113 Rn. 119>) bestreitet, eine intensive Belastung dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 30. November 2011 - 1 BvR 3269/08 u.a. -, Rn. 19).
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(3) Die Beschwerdeführerin musste für eine Härtefallbefreiung insbesondere auch nicht, wie nach der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen damals verlangt, vorrangig Leistungen nach § 7 Abs. 5 in Verbindung mit § 27 Abs. 4 Satz 1 SGB II in der bis zum 31. Juli 2016 gültigen Fassung beantragen und in Anspruch nehmen. Diese vom Katalog des § 4 Abs. 1 RBStV nicht erfassten Vorschriften sehen vor, dass in besonderen Härtefällen Leistungen zur Sicherstellung des Lebensunterhalts, gegebenenfalls als Darlehen, geleistet werden können.
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Denn die maßgebliche (Verfassungsgerichts-)Rechtsprechung zu Art. 3 Abs. 1 GG und der Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht als Härtefall (vgl. BVerfGK 19, 181 184 ff.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 30. November 2011 - 1 BvR 3269/08 u.a. -, Rn. 14 ff.; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2019 - 6 C 10.18 -, Leitsatz 3, Rn. 22 ff.) gilt unabhängig davon, ob ein Betroffener dem Grunde nach einer der in § 4 Abs. 1 RBStV katalogisierten Bedürftigkeitsgruppen unterfällt, aber deren Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt, oder aber einer Personengruppe angehört, deren Bedürftigkeit der Rundfunkgesetzgeber in § 4 Abs. 1 RBStV von vornherein nicht erfasst hat. Maßgeblich ist allein, dass ein Betroffener nur über ein den sozialrechtlichen Regelsätzen entsprechendes oder sie unterschreitendes Einkommen verfügt und nicht auf Vermögen zurückgreifen kann. Ob das der Fall ist, ist im Rahmen der eröffneten Härtefallprüfung von der Rundfunkanstalt festzustellen.
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(4) Das in § 4 Abs. 7 RBStV verankerte System der so genannten bescheidge-bundenen Befreiungsmöglichkeit dient zwar der Verwaltungsvereinfachung, weil es den Rundfunkanstalten grundsätzlich eine Bedürftigkeitsprüfung erspart. Wegen der verfassungsrechtlichen Grenzen der Typisierung kann es allerdings nicht so weit reichen, dass die Rundfunkanstalten auch im Anwendungsbereich der Härtefallklausel des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV von einer Bedürftigkeitsprüfung generell absehen könnten. Bei nachweislich einkommensschwachen Beitrags-schuldnern sind sie vielmehr gehalten, im Rahmen ihrer Prüfung eines besonderen Härtefalls eine Bedürftigkeitsprüfung vorzunehmen (vgl. BVerfGK 19, 181 185>; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2019 - 6 C 10.18 -, Rn. 27).
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III.
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Der Widerspruchsbescheid des Westdeutschen Rundfunks, das Urteil des Verwaltungsgerichts und der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts beruhen auf der Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG. Die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte sind aufzuheben (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG). Die Sache ist an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (vgl. BVerfGE 104, 337 356>).
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.
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