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BVerfG 20.11.2018 - 1 BvR 1502/16
BVerfG 20.11.2018 - 1 BvR 1502/16 - Nichtannahmebeschluss: Fachgerichtliche Rechtsausführungen in Entscheidungsgründen begründen für sich genommen regelmäßig keine Beschwerdebefugnis - hier: Störerhaftung des Access-Providers bei Urheberrechtsverletzungen - lediglich potentielle Auswirkung des Urteils des BGH vom 15.11.2016 (I ZR 174/14) nicht hinreichend
Normen
§ 90 Abs 1 BVerfGG, § 7 Abs 4 TMG vom 28.09.2017, § 8 Abs 1 S 2 TMG vom 28.09.2017
Vorinstanz
vorgehend BGH, 7. April 2016, Az: I ZR 174/14, Beschluss
vorgehend BGH, 26. November 2015, Az: I ZR 174/14, Urteil
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
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Gegenstand der Verfassungsbeschwerde der im fachgerichtlichen Verfahren erfolgreichen Beschwerdeführerin ist die urheberrechtliche Störerhaftung eines Access-Providers.
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I.
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1. Die Beschwerdeführerin ist ein Telekommunikationsunternehmen, das seinen Kunden als Internet-Access-Provider technische Dienstleistungen anbietet. Insbesondere vermittelt sie ihren Kunden mithilfe von breitbandigen Netzzugängen über das Internetprotokoll (IP) den Zugang zum Internet.
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2. Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens sind Tonträgerhersteller. Sie sahen sich durch das Angebot von Musikstücken zum kostenlosen Herunterladen in Internet-Tauschbörsen (Filesharing) und durch Internet-Dienste, die den Zugang zu solchen Tauschbörsen vermitteln, in ihren Rechten verletzt. Sie begehrten klageweise, der Beschwerdeführerin zu verbieten, ihren Kunden über das Internet Zugang zu Tonträgeraufnahmen zu vermitteln, soweit diese über einen bestimmten Internet-Dienst über eine näher bezeichnete Internetadresse (URL), die sich einer bestimmten IP-Adresse bedient, abrufbar sind.
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3. Das Landgericht wies die Klage ab. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerinnen des Ausgangsverfahrens wurde durch das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Die Revision hat der Bundesgerichtshof mit dem angegriffenen Urteil als nicht begründet angesehen. Dazu hat der Bundesgerichtshof im Wesentlichen ausgeführt, zwar könne ein Telekommunikationsunternehmen, das Dritten den Zugang zum Internet bereitstellt, von einem Rechteinhaber grundsätzlich als Störer in Analogie zu §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB darauf in Anspruch genommen werden, den Zugang zu Internetseiten zu unterbinden, auf denen urheberrechtlich geschützte Werke rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden. Das begehrte Verbot sei für die Beschwerdeführerin indes nicht zumutbar, weil die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens nicht zunächst gegen den Betreiber der Internetseite "Goldesel" und den Host-Provider vorgegangen seien. Nur wenn die Inanspruchnahme dieser Beteiligten scheitere oder ihr jede Erfolgsaussicht fehle und deshalb andernfalls eine Rechtsschutzlücke entstehe, sei die Inanspruchnahme des Zugangsvermittlers als Störer zumutbar. Eine hiergegen erhobene Anhörungsrüge hat der Bundesgerichtshof als unzulässig verworfen.
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II.
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Die Beschwerdeführerin rügt die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG sowie der grundrechtsgleichen Rechte aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2, Art. 103 Abs. 1 GG.
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Die Beschwerdeführerin sei durch das Urteil des Bundesgerichtshofs selbst, gegenwärtig und unmittelbar in ihren Grundrechten verletzt. Zwar sei die Revision der Klägerinnen des Ausgangsverfahrens zurückgewiesen worden. Allerdings habe der Bundesgerichtshof ganz grundsätzlich die Pflicht formuliert, dass Access-Provider auf eine Beschwerde einzelner Rechteinhaber - ohne staatliche Kontrolle - den Zugriff auf ganze Internetseiten verhindern müssten.
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III.
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Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Insbesondere ist die im fachgerichtlichen Ausgangsverfahren erfolgreiche Beschwerdeführerin durch die angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen, namentlich durch das Urteil des Bundesgerichtshofs, nicht gegenwärtig und unmittelbar beschwert.
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1. Richtet sich eine Verfassungsbeschwerde - wie hier - gegen eine gerichtliche Entscheidung, kann sich die Beschwer in aller Regel nur aus dem Tenor der Entscheidung ergeben (vgl. BVerfGE 140, 42 54 Rn. 48>). Der Tenor allein bestimmt verbindlich, welche Rechtsfolgen aufgrund des festgestellten Sachverhalts eintreten (vgl. BVerfGE 28, 151 160>; 74, 358 374>; 82, 106 116>). Erforderlich ist eine Beschwer im Rechtssinne; eine faktische Beschwer allein genügt nicht (vgl. BVerfGE 8, 222 224 f.>; 15, 283 286>). Rechtsausführungen sowie nachteilige oder als nachteilig empfundene Ausführungen in den Gründen einer Entscheidung allein begründen keine Beschwer. Dieser im Verfahrensrecht allgemein anerkannte Rechtsgrundsatz gilt auch für das Verfahren der Verfassungsbeschwerde, da sie in erster Linie dem Rechtsschutz des Einzelnen gegenüber der Staatsgewalt dient. Deshalb kann eine Verfassungsbeschwerde nicht darauf gestützt werden, dass ein Gericht lediglich in den Gründen seiner Entscheidung eine Rechtsauffassung vertreten hat, die der Beschwerdeführer für grundrechtswidrig erachtet (vgl. BVerfGE 8, 222 224 f.>; BVerfGK 10, 263 265>; 17, 203 207 f.>).
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2. Nur in eng begrenzten Ausnahmefällen hat das Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerden gegen die allein in den Gründen einer gerichtlichen Entscheidung liegende Belastung für möglich gehalten. Diese liegen hier nicht vor.
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3. Die Beschwerdeführerin hat nach den allgemeinen Grundsätzen ihre Beschwerdebefugnis im Sinne einer verfassungsprozessual relevanten, rechtlichen Beschwer nach § 90 Abs. 1 BVerfGG (vgl. BVerfGE 140, 42 56 Rn. 54>) nicht hinreichend dargetan. Das angefochtene Urteil des Bundesgerichtshofs wirkt auf die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin nicht aktuell, sondern allenfalls potentiell ein. Die Beschwerdeführerin wird weder zu später nicht mehr korrigierbaren Entscheidungen gezwungen, noch ist bereits jetzt ihre zukünftige Betroffenheit durch die vorliegend angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen klar abzusehen.
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Die Annahme der Beschwerdeführerin, sie sei mit Blick auf künftige Sperrbegehren dem Risiko ausgesetzt, von Rechteinhabern auf Unterlassung in Anspruch genommen zu werden, begründet keine gegenwärtige Beschwer. Vielmehr kann jedes Gesetz und jeder von einem Gericht angewandte Rechtssatz, der einem Beteiligten Handlungsoptionen eröffnet, für andere Beteiligte, insbesondere den Verpflichteten, mit Ungewissheiten und Unsicherheiten verbunden sein. Dies führt jedoch nicht dazu, dagegen Verfassungsbeschwerde erheben zu können, noch bevor fachgerichtlich entschieden ist, ob ordnungsgemäß von den Rechten Gebrauch gemacht wurde (vgl. BVerfGE 140, 42 62 Rn. 75>). Etwaige Rechtsunsicherheiten auf Seiten der Beschwerdeführerin sind vergleichbar mit denen, die sich - spiegelbildlich - auf Seiten der Rechteinhaber hinsichtlich der Einschätzung ergeben, ob ihre Bemühungen, die vorrangig in Anspruch zu nehmenden Beteiligten - den Internetseitenbetreiber und den Host-Provider - zu ermitteln, den vom Bundesgerichtshof formulierten Anforderungen entsprechen. Die vom Bundesgerichtshof formulierten Voraussetzungen zur Inanspruchnahme eines Access-Providers als Störer führen schließlich nicht dazu, dass klar abzusehen wäre, dass und wie die Beschwerdeführerin zukünftig betroffen wäre.
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4. Eine unmittelbare, gegenwärtige Betroffenheit der Beschwerdeführerin durch die Entscheidungsgründe der angegriffenen Entscheidung und die dort niedergelegten Grundsätze lässt sich zudem angesichts der zwischenzeitlichen Fortentwicklung der Gesetzgebung und Rechtsprechung nicht annehmen. Der Bundesgerichtshof hat nunmehr entschieden, dass der Betreiber eines Internetzugangs über WLAN und eines Tor-Exit-Nodes auf Grundlage der seit dem 13. Oktober 2017 geltenden Neufassung des § 8 Abs. 1 Satz 2 Telemediengesetz (TMG) gerade nicht als Störer für von Dritten über seinen Internetanschluss im Wege des Filesharing begangene Urheberrechtsverletzungen auf Unterlassung haftet (BGH, Urteil vom 26. Juli 2018 - I ZR 64/17 -, Dead Island). Allerdings komme ein Sperranspruch des Rechteinhabers gemäß der Neufassung des § 7 Abs. 4 TMG in Betracht. Die Auslegung und Anwendung dieser Bestimmung ist zunächst den Fachgerichten vorbehalten.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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