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BVerfG 21.08.2018 - 1 BvR 2674/17
BVerfG 21.08.2018 - 1 BvR 2674/17 - Nichtannahmebeschluss: Mangels grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen sozialgerichtliche Entscheidung, durch die einer materiell nicht freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgerin Leistungen nach § 23 Abs 1 S 3 SGB 12 < Fassung 02.12.2006> zu gewähren sind - zur Anwendung einer bereits außer Kraft getretenen Gesetzesfassung und der hierzu entwickelten Rechtsprechung in Fällen, in denen sich ein Anspruch mangels abweichender Regelung nach der „alten“ Gesetzesfassung richtet
Normen
Art 100 Abs 1 GG, Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 93a Abs 2 Buchst a BVerfGG, § 23 Abs 1 S 3 SGB 12 vom 02.12.2006
Vorinstanz
vorgehend BSG, 30. August 2017, Az: B 14 AS 31/16 R, Urteil
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
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I.
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Die Beschwerdeführerin war als Trägerin der Leistungen zur Sozialhilfe Beigeladene des streitigen Ausgangsverfahrens. Darin ging es um Ansprüche einer Unionsbürgerin, der Klägerin des Ausgangsverfahrens, auf existenzsichernde Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - gegenüber der Beklagten des Ausgangsverfahrens, dem Jobcenter, oder nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch- Sozialhilfe - gegenüber der Beigeladenen, der hiesigen Beschwerdeführerin. Nachdem das Sozialgericht Ansprüche der Klägerin des Ausgangsverfahrens sowohl nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch als auch nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (jeweils in der bis zum 28. Dezember 2016 geltenden Fassung) verneint hatte, verurteilte das Bundessozialgericht die Beschwerdeführerin nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - ebenfalls in der bis zum 28. Dezember 2016 geltenden Fassung -, der Klägerin des Ausgangsverfahrens für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2015 Leistungen zu gewähren. Das Bundessozialgericht bestätigte damit seine in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Rechtsauffassung zum Leistungsanspruch von Unionsbürgern nach der bis zum 28. Dezember 2016 geltenden Rechtslage. Der Gesetzgeber hat die einschlägigen Regelungen zwar zum 29. Dezember 2016 geändert. Das Bundessozialgericht hat hier jedoch nach alter Gesetzesfassung und seiner hierzu entwickelten Rechtsprechung entschieden, weil sich der für 2015 geltend gemachte Anspruch mangels abweichender Regelung nach der damals geltenden, alten Gesetzesfassung richte.
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Die Beschwerdeführerin rügt, das Bundessozialgericht habe mit seiner Auslegung der bis zum 28. Dezember 2016 geltenden Vorschriften die Grenzen zulässiger Rechtsausübung überschritten. Gemäß Art. 100 Abs. 1 GG sei es zur Vor-lage an das Bundesverfassungsgericht verpflichtet gewesen. Indem das Bundessozialgericht dies unterlassen habe, habe es die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt (unter Verweis auf BVerfGE 138, 64 ff.).
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II.
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Es liegt kein Annahmegrund im Sinne von § 93a Abs. 2 BVerfGG vor.
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Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Es besteht regelmäßig kein über den Einzelfall hinausgreifendes Interesse daran, die Verfassungsmäßigkeit von Recht zu klären, das außer Kraft getreten ist (vgl. BVerfGE 91, 186 200>; stRspr). Nichts anderes gilt, wenn mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht wird, das entscheidende Gericht habe gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen, weil es eine Regelung unter Umgehung der Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 1 GG zur (vermeintlichen) Wahrung ihrer Verfassungskonformität in nicht vertretbarer Weise ausgelegt habe, diese Regelung aber - wie hier - bereits außer Kraft getreten ist. So wie regelmäßig kein Interesse an der Klärung der Verfassungsmäßigkeit von außer Kraft getretenem Recht besteht, besteht im Regelfall auch kein über den Einzelfall hinausgehendes Interesse an der Klärung, ob eine außer Kraft getretene Regelung jener Auslegung zugänglich war, die das Gericht zur Vermeidung ihrer (vermeintlichen) Verfassungswidrigkeit gewählt hat oder ob das Gericht nach Art. 100 Abs. 1 GG zur Vorlage verpflichtet war. Der durch Art. 100 Abs. 1 GG bezweckte Schutz davor, dass sich die Fachgerichte über den Willen des Gesetzgebers hinwegsetzen, indem sie seinem Gesetz durch vermeintlich verfassungskonforme, unzulässige Auslegung die Anerkennung versagen (vgl. BVerfGE 138, 64 90 Rn. 78> m.w.N.), ist regelmäßig nicht mehr erforderlich, wenn das Gesetz ohnehin nicht mehr gilt. Auch der Durchsetzung des Rechts auf den durch Art. 100 Abs. 1 GG bestimmten gesetzlichen Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 138, 64 89 ff. Rn. 76 ff.>) bedarf es dann grundsätzlich nicht mehr. Anderes ist hier weder dargetan noch sonst ersichtlich.
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Es sind auch keine Gründe dargetan oder sonst ersichtlich, die eine Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt erscheinen lassen (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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