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BVerfG 29.11.2017 - 1 BvR 1784/16
BVerfG 29.11.2017 - 1 BvR 1784/16 - Nichtannahmebeschluss: Anwendung des Abrechnungsausschlusses gem Nr 40100 EBM-Ä auf sogenannte "Mischfälle" verfassungsrechtlich unbedenklich - insb keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art 3 Abs 1 GG
Normen
Art 3 Abs 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, Nr 40100 EBM-Ä
Vorinstanz
vorgehend BSG, 17. Juni 2016, Az: B 6 KA 5/16 C, Beschluss
vorgehend BSG, 16. Dezember 2015, Az: B 6 KA 10/15 R, Urteil
vorgehend Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, 18. Dezember 2014, Az: L 7 KA 22/13, Urteil
vorgehend SG Mainz, 10. April 2013, Az: S 14 KA 39/11, Urteil
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, ohne dass es auf den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ankommt.
Gründe
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I.
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Neufassung der Gebührenordnungsposition (GOP) 40100 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) ab dem 1. April 2009.
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1. Im Bereich der Erbringung und Abrechnung von Laborleistungen wird zwischen Allgemeinlaborleistungen (Abschnitt 32.2 EBM-Ä) und Speziallaborleistungen (Abschnitt 32.3 EBM-Ä) unterschieden. Die GOP 40100 des EBM-Ä in der streitgegenständlichen Fassung lautete zunächst wie folgt:
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"Kostenpauschale für Versandmaterial, Versandgefäße usw. sowie für die Versendung bzw. den Transport von Untersuchungsmaterial, ggf. auch von infektiösem Untersuchungsmaterial, einschl. der Kosten für die Übermittlung von Untersuchungsergebnissen der
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- Laboratoriumsdiagnostik, ggf. einschl. der Kosten für die Übermittlung der Gebührenordnungspositionen und der Höhe der Kosten überwiesener kurativ-ambulanter Auftragsleistungen des Abschnitts 32.3,
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- Histologie,
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- Zytologie,
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- Zytogenetik und Molekulargenetik,
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einmal im Behandlungsfall 2,60 €."
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Zum 1. April 2009 wurde folgender Abrechnungsausschluss hinzugefügt:
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"Die Kostenpauschale 40100 ist in demselben Behandlungsfall nicht neben Gebührenordnungspositionen der Abschnitte 32.2.1 bis 32.2.7 berechnungsfähig."
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Mithin ist die Kostenpauschale nur bei einer Erbringung von Speziallaborleistungen, nicht aber bei einer Erbringung von Allgemeinlaborleistungen abrechenbar.
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2. Der Beschwerdeführer ist Arzt für Laboratoriums- und Transfusionsmedizin und nimmt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. In dem der Verfassungsbeschwerde zugrunde liegenden Verfahren stritt der Beschwerdeführer mit der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung über eine sachlich-rechnerische Richtigstellung für die Quartale II bis IV/2009. Hierbei wandte er sich insbesondere gegen die Anwendung des in der GOP 40100 EBM-Ä zum 1. April 2009 hinzugefügten Abrechnungsausschlusses auf Fälle, in denen sowohl Leistungen des Allgemein- als auch des Speziallabors (so genannte "Mischfälle") erbracht wurden. Mit seinem Begehren blieb der Beschwerdeführer in allen drei Instanzen erfolglos. Eine von ihm gegen die Entscheidung des Bundessozialgerichts erhobene Anhörungsrüge wurde zurückgewiesen.
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II.
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Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG. Zur Begründung trägt er insbesondere vor, dass es keine vernünftigen, objektiven Sachgründe für einen Vergütungsausschluss in Fällen gebe, in denen zusätzlich zu Leistungen des Speziallabors noch eine Leistung des Allgemeinlabors in demselben Quartal beauftragt worden sei. Vor allem das Argument der Kostenreduzierung könne nicht herangezogen werden, weil damit letztlich jeder Vergütungsausschluss gerechtfertigt werden könnte.
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III.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt.
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1. Hinsichtlich der gerügten Verletzung von Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG ist die Verfassungsbeschwerde bereits unzulässig, weil sie nicht hinreichend begründet worden ist (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG).
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2. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet, weil die von dem Beschwerdeführer gerügte Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG nicht ersichtlich ist.
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a) Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln; dem Gesetzgeber ist damit aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen unterliegt der Gesetzgeber regelmäßig einer strengen Bindung. Das gilt auch dann, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt. Das Bundesverfassungsgericht prüft dann im Einzelnen nach, ob für die vorgesehene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 110, 274 291>). Entscheidend ist dabei auch, in welchem Maße sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (vgl. BVerfGE 95, 267 316 f.>; 110, 141 167>; 118, 1 26 f.>).
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b) Der Beschwerdeführer legt zutreffend dar, dass es sich im vorliegenden Fall lediglich um eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten handelt. Diese liegt in der alleinigen Abrechnung von Leistungen des Speziallabors einerseits und der gemeinsamen Abrechnung von Leistungen des Spezial- und des Allgemeinlabors andererseits. Daher ist eine Prüfung am Maßstab des Willkürverbots angezeigt (vgl. BVerfGE 55, 72 89>; 60, 329 346>; 118, 1 26 f.>). Daran gemessen begegnen weder der mit der Verfassungsbeschwerde mittelbar angegriffene, in der GOP 40100 EBM-Ä zum 1. April 2009 hinzugefügte Abrechnungsausschluss noch seine Anwendung und Auslegung durch die Fachgerichte verfassungsrechtlichen Bedenken.
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Die Einführung des Abrechnungsausschlusses war zur Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. BVerfGE 114, 196 244 f.>) sowie der hiermit verbundenen Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 7. Mai 2014 - 1 BvR 3571/13, 1 BvR 3572/13 -, juris, Rn. 34; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 22. Oktober 2004 - 1 BvR 528/04, 1 BvR 550/04, 1 BvR 551/04, 1 BvR 627/04 -, juris, Rn. 16) sachlich gerechtfertigt, worauf auch die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidungen abstellen. Vorliegend sollten Kosten in einem Bereich begrenzt werden, in dem sie zuvor durch eine vermehrte Abrechnung der GOP 40100 EBM-Ä gestiegen waren. Auf diese Entwicklung der vermehrten Abrechnung durfte der Normgeber reagieren und durch den Abrechnungsausschluss insbesondere auch einen Anreiz schaffen, dass demgegenüber Leistungen des Allgemeinlabors weiterhin kostengünstig in Laborgemeinschaften erbracht werden. Unter Berücksichtigung dessen und vor dem Hintergrund, dass im System der gesetzlichen Krankenkassen Mehrausgaben in einem Bereich notwendigerweise Kürzungen an anderer Stelle bedingen, wenn Beitragserhöhungen vermieden werden sollen (vgl. BVerfGE 103, 172 186>), ist eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung letztlich auch durch die Anwendung des Abrechnungsausschlusses auf so genannte Mischfälle nicht erkennbar. Denn auch dadurch kann das Ziel der angegriffenen Regelung erreicht und zu einer Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung beigetragen werden.
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Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, er habe die angegebene Fallzahlausweitung von 47 % in dem Verfahren vor dem Bundessozialgericht bestritten, kommt es hierauf nach der Begründung der angegriffenen Entscheidung des Bundessozialgerichts nicht an. Denn hieraus und aus der Entscheidung des Bundessozialgerichts über die Anhörungsrüge ergibt sich, dass das Gericht schon aufgrund der Entstehungsgeschichte der Vorschrift, insbesondere der mit der Einführung der Direktabrechnung verbundenen Folgen, von einer vermehrten Abrechnung der GOP 40100 EBM-Ä ausgeht, und dass danach die vermehrte Abrechnung "auf der Hand" liegt. Vor diesem Hintergrund ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen erfolgt sind. Im Ergebnis wendet sich der Beschwerdeführer hiermit lediglich gegen die von den Fachgerichten vorgenommene Feststellung und Würdigung des Sachverhalts, die einer Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht aber grundsätzlich entzogen sind (vgl. BVerfGE 1, 418 420>).
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3. Auf den von dem Beschwerdeführer gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kam es nicht an. Denn die von dem Beschwerdeführer gegen die Entscheidung des Bundessozialgerichts erhobene Anhörungsrüge war jedenfalls nicht offensichtlich unzulässig und somit geeignet, die Frist zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde offen zu halten (vgl. BVerfGE 5, 17 19>; 48, 341 344>; BVerfGK 7, 115 116>; 11, 203 205 ff.>; 20, 300 302 ff.>). Die Frist begann damit erst mit der Zustellung der Entscheidung über die Anhörungsrüge zu laufen.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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