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BVerfG 13.04.2017 - 1 BvR 610/17
BVerfG 13.04.2017 - 1 BvR 610/17 - Nichtannahmebeschluss: Kein Mitwirkungsausschluss wegen richterlicher Vorbefassung, wenn (unstatthafte) Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung in einem Verfassungsbeschwerdeverfahren erhoben wird - richterliche Mitwirkung in anderen Verfahren zu vergleichbaren Rechtsfragen vermag Besorgnis der Befangenheit nicht zu begründen - Absehen von einer Begründung in der Sache gem § 93d Abs 1 S 3 BVerfGG
Normen
§ 18 Abs 1 Nr 1 BVerfGG, § 18 Abs 1 Nr 2 BVerfGG, § 19 Abs 1 BVerfGG, § 93d Abs 1 S 3 BVerfGG
Vorinstanz
vorgehend Bayerisches Landessozialgericht, 23. Juni 2016, Az: L 4 KR 126/16 B, Beschluss
vorgehend SG München, 2. März 2016, Az: S 2 KR 482/15, Beschluss
vorgehend OLG München, 6. April 2016, Az: 9 VA 7/16, Beschluss
vorgehend OLG München, 22. März 2016, Az: 9 VA 7/16, Verfügung
vorgehend BVerfG, 28. September 2010, Az: 1 BvR 1660/08, Beschluss
vorgehend BVerfG, 7. April 2008, Az: 1 BvR 1924/07, Beschluss
vorgehend BSG, 12. November 2008, Az: B 12 KR 6/08 R, Urteil
vorgehend BSG, 25. April 2007, Az: B 12 KR 26/05 R, Urteil
vorgehend BSG, 13. September 2006, Az: B 12 KR 1/06 R, Urteil
Tenor
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Der Ablehnungsantrag wird als unzulässig verworfen.
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
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Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG).
Gründe
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Die Kammer entscheidet unter Mitwirkung von Vizepräsident Kirchhof und Richter des Bundesverfassungsgerichts Schluckebier; diese wie auch die übrigen Mitglieder des Ersten Senats sind weder von Gesetzes wegen noch auf Grund des vom Beschwerdeführer formulierten Ablehnungsgesuchs von der Mitwirkung ausgeschlossen.
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a) Der Beschwerdeführer greift mit seiner Verfassungsbeschwerde auch Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts an, an denen Vizepräsident Kirchhof und Richter des Bundesverfassungsgerichts Schluckebier beteiligt waren. Dennoch sind beide nicht von der Ausübung des Richteramtes im hiesigen Verfahren ausgeschlossen. Die Mitwirkung an unanfechtbaren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (hier: Beschlüsse in Verfassungsbeschwerdeverfahren Dritter mit ähnlicher rechtlicher Problematik, die der Beschwerdeführer - offensichtlich unstatthaft - zum Gegenstand seiner Verfassungsbeschwerde macht) führt nicht zu einem gesetzlichen Mitwirkungsausschluss wegen richterlicher Vorbefassung. Dieser Grundsatz, den das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss vom 19. März 2013 (vgl. - auch zum Folgenden - BVerfGE 133, 163 165 ff. Rn. 6 ff.>) für den Fall formuliert hat, dass eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zunächst unzulässig vor einem Fachgericht angefochten und gegen dessen Prozessentscheidung anschließend das Bundesverfassungsgericht erneut angerufen wird, gilt in gleicher Weise, wenn unmittelbar gegen eine Entscheidung in einem Verfassungsbeschwerdeverfahren erneut Verfassungsbeschwerde erhoben wird.
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Die Ausschlussregelung wegen der Beteiligung eines Richters an der Sache (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 BVerfGG) oder einer vorangegangenen Tätigkeit in derselben Sache (§ 18 Abs. 1 Nr. 2 BVerfGG) ist als Ausnahmetatbestand gefasst und deshalb eng auszulegen. Zu einem Ausschluss kann deshalb regelmäßig nur eine Tätigkeit in dem jeweiligen Verfahren selbst oder einem diesem unmittelbar vorausgegangenen und ihm sachlich zugeordneten Verfahren führen (vgl. BVerfGE 47, 105 108>; 72, 278 288>; 109, 130 131>). Zumindest im verfassungsgerichtlichen Verfahren kann darüber hinaus auch die Mitwirkung an verfassungsgerichtlichen Entscheidungen, die endgültig ein Verfahren abschließen und gegen die unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt Rechtsmittel gegeben sind, nicht als Tätigkeit in derselben Sache im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 2 BVerfGG gelten, wenn diese - offensichtlich unstatthaft - nunmehr selbst zum Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde werden sollen (vgl. BVerfGE 133, 163 166 Rn. 8>). Wird eine derartige Verfassungsbeschwerde dennoch erhoben, gilt für die hierüber zu treffenden Entscheidungen und das hierbei durchzuführende Verfahren auch kein Mitwirkungsausschluss. Aus den angeführten Gründen scheidet auch die Annahme eines Mitwirkungsausschlusses unter dem Gesichtspunkt einer Beteiligung an der Sache im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 BVerfGG aus.
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Dies entspricht auch dem Zweck der Ausschlussregelungen: § 18 Abs. 1 BVerfGG will verhindern, dass ein Richter eine in einem früheren Verfahrensstadium von ihm selbst verantwortete Entscheidung zu überprüfen hat, um so eine unparteiische und unbefangene inhaltliche Prüfung zu gewährleisten. Besteht aber von vornherein kein Raum für eine inhaltliche Prüfung der früheren Entscheidung, weil eine Verfassungsbeschwerde gegen eine Verfassungsbeschwerdeentscheidung ersichtlich unstatthaft ist (vgl. BVerfGE 1, 89 90>), besteht auch kein Anlass, die Richter, die an der ersten Entscheidung mitgewirkt haben, von der Ausübung des Richteramtes auszuschließen.
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Vizepräsident Kirchhof und Richter des Bundesverfassungsgerichts Schluckebier sind damit an der Mitwirkung an der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde nicht gehindert. Sie können darüber hinaus aus den genannten Gründen auch an der Entscheidung über die Frage des Mitwirkungsausschlusses selbst mitwirken, da die Tätigkeit in den früheren Verfassungsbeschwerdeverfahren von vornherein nicht geeignet ist, einen Mitwirkungsausschluss zu begründen (vgl. BVerfGE 133, 163 167 f. Rn. 12>).
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b) Der Befangenheitsantrag gegen die Mitglieder des Ersten Senats im Allgemeinen und Vizepräsident Kirchhof und Richter des Bundesverfassungsgerichts Schluckebier im Besonderen ist offensichtlich unzulässig.
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Das Vorbringen enthält lediglich Ausführungen, die zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeignet sind. Das ergibt sich, soweit insgesamt der Erste Senat als befangen bezeichnet wird, schon aus diesem Umstand selbst. Auch hinsichtlich der namentlich abgelehnten Mitglieder des Senats aber ist der Verweis auf ihre Mitwirkung in anderen Verfahren, in denen sich vergleichbare Rechtsfragen gestellt haben, von vornherein ungeeignet, um die Besorgnis der Befangenheit zu begründen (vgl. hierzu und zum Folgenden BVerfGE 133, 377 406 Rn. 71>). § 18 Abs. 1 Nr. 2 BVerfGG, der vorliegend nicht eingreift, bestimmt insofern abschließend, dass die richterliche Vorbefassung mit einer Sache nur dann zum Ausschluss führt, wenn sie in einem früheren Rechtszug erfolgt ist und eine Mitwirkung an der angefochtenen Entscheidung zum Inhalt hatte. Nicht ausgeschlossen ist dagegen ein Richter, der sich bereits früher in anderen Verfahren zu einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage in bestimmter Weise geäußert hat. Selbst wenn er eine bestimmte Rechtsauffassung ständig vertritt, ist er in einem Verfahren nicht ausgeschlossen, das auf die Änderung dieser Rechtsauffassung abzielt.
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Da das Gesuch offensichtlich unzulässig ist, bedarf es keiner dienstlichen Stellungnahme der abgelehnten Richter. Eine Verwerfung des Gesuchs in der abschließenden Entscheidung und unter Mitwirkung der abgelehnten Richter (vgl. hierzu BVerfGE 131, 239 252 f.>) ist ausreichend.
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c) In der Sache wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG von einer Begründung abgesehen, nachdem zur Frage der Beitragserhebung auf Kapitalleistungen der betrieblichen Altersversorgung schon verfassungsgerichtliche Rechtsprechung vorliegt (vgl. namentlich BVerfGK 13, 431 und BVerfGK 18, 4) und der Beschwerdeführer zudem den Rechtsweg nicht erschöpft hat, soweit er sich gegen die Beitragserhebung in seinem konkreten Falle wendet.
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Allerdings wird der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass er mit der Auferlegung einer Gebühr nach § 34 Abs. 2 BVerfGG rechnen muss, wenn er zukünftig erneut eine Verfassungsbeschwerdeschrift vorlegen sollte, die beleidigenden oder verletzenden Charakter aufweist und jegliche Sachlichkeit vermissen lässt.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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