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BVerfG 29.06.2016 - 1 BvR 1717/15
BVerfG 29.06.2016 - 1 BvR 1717/15 - Stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art 2 Abs 1 GG iVm Art 1 Abs 1 GG) sowie des Grundrechts auf Freiheit der Person (Art 2 Abs 2 S 2 GG) durch gerichtliche Verweigerung einer Geldentschädigung wegen insgesamt unrechtmäßiger polizeilicher Ingewahrsamnahme - hier: unzureichende Berücksichtigung der Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung selber - verfehlte Annahme anderweitiger Genugtuung - Gegenstandswertfestsetzung
Normen
Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 2 Abs 2 S 2 GG, Art 8 Abs 1 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, Art 5 Abs 1 Buchst b MRK, Art 5 Abs 1 Buchst c MRK, Art 5 Abs 5 MRK, § 14 Abs 1 RVG, § 37 Abs 2 S 2 RVG, § 18 Abs 1 Nr 2 Buchst b SOG ND 2005, § 19 Abs 1 S 1 SOG ND 2005
Vorinstanz
vorgehend LG Lüneburg, 8. Juni 2015, Az: 2 O 221/14, Beschluss
vorgehend LG Lüneburg, 8. April 2015, Az: 2 O 221/14, Urteil
Tenor
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1. Das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 8. April 2015 - 2 O 221/14 - und der darauf bezogene Beschluss des Landgerichts Lüneburg vom 8. Juni 2015 - 2 O 221/14 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit seinen Grundrechten aus Artikel 1 Absatz 1 und Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes, soweit sie die Klage als unbegründet abgewiesen haben. Sie werden insoweit aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Lüneburg zurückverwiesen. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
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2. Das Land Niedersachsen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.
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3. Der Wert des Gegenstands wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.
Gründe
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I.
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Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Abweisung eines Geldentschädigungsanspruchs wegen einer rechtswidrigen Freiheitsentziehung durch Polizeieinsatzkräfte am Rande einer Großdemonstration.
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1. Der Beschwerdeführer nahm vom 26. auf den 27. November 2011 an einer Blockade der Bahnstrecke zwischen Lüneburg und Dannenberg (Ost) im Bereich Harlingen teil, welche anlässlich des Castortransports nach Gorleben stattfand. Für den betroffenen Schienenabschnitt galt mit Blick auf den Castortransport ein Versammlungsverbot auf und neben der Bahnstrecke in einem Abstand von 50 Metern. Während des gesamten Transports kam es auf der Bahnstrecke zu Blockadeaktionen. Die Polizei löste die Sitzblockade im Bereich Harlingen durch fünf Lautsprecherdurchsagen zwischen 2:40 Uhr und 2:56 Uhr auf und forderte die Versammlungsteilnehmer auf, sich zu entfernen. Dieser Aufforderung kam rund die Hälfte der circa 3.000 Versammlungsteilnehmer nach. Insgesamt 1.346 Personen - unter ihnen der Beschwerdeführer - verbrachte die Polizei gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) in einen naheliegenden Feldgewahrsam. Nach dieser Vorschrift kann die Polizei eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn dies unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Gefahr für die Allgemeinheit zu verhindern. Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 des Niedersächsischen Versammlungsgesetzes (Nds. VersG) handelt ordnungswidrig, wer sich nach einer vollziehbar angeordneten Auflösung der Versammlung nicht unverzüglich entfernt. Eine Vorführung zur richterlichen Anhörung nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG, etwa bei der Gefangenensammelstelle Lüchow, wo ein richterlicher Bereitschaftsdienst eingerichtet war, erfolgte nicht. Sanitäre Einrichtungen waren in Form von circa 30 mobilen Toilettenkabinen vorhanden. Die Außentemperaturen auf dem Feld lagen in der betreffenden Nacht bei circa 5 bis 10 Grad Celsius. Im Laufe des Vormittags begann es leicht zu regnen. Ab 9:00 Uhr kam es im Feldgewahrsam vereinzelt zu Unruhen. Eine Gruppe von rund 200 Personen legte Vermummungsgegenstände an und attackierte die Sicherheitskräfte an der Auslassstelle. Einige mobile Toilettenkabinen wurden in Brand gesetzt. In diesem Zusammenhang kam es zum Einsatz von Pfefferspray durch Polizeibeamte. Der Beschwerdeführer konnte den Gewahrsamsbereich am folgenden Tage gegen 12:15 Uhr nach Angabe seiner Personalien verlassen.
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2. Mit - hier nicht angegriffenem - Beschluss vom 13. August 2014 stellte das Landgericht fest, dass die Freiheitsentziehung insgesamt rechtswidrig gewesen sei, weil jedenfalls eine unverzügliche richterliche Vorführung nicht erfolgt sei. Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Ingewahrsamnahme, insbesondere mit Blick auf Art. 5 Abs. 1 Buchstaben b und c EMRK, wonach die Erzwingung der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung nicht beziehungsweise zumindest nicht in jedem Fall die Verhinderung einer Ordnungswidrigkeit zum Gegenstand haben könne, ließ das Landgericht insofern genauso dahinstehen wie die Frage, ob vor Ort Platzverweise erteilt worden sind, deren Nichtbefolgung eine Ingewahrsamnahme gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 3 Nds. SOG hätten rechtfertigen können.
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3. Mit angefochtenem Urteil wies das Landgericht die Klage des Beschwerdeführers auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 500 Euro als teilweise unzulässig, im Übrigen als unbegründet ab.
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Soweit sich die Amtshaftungsklage gegen den Innenminister richte, sei sie mangels Passivlegitimation bereits unzulässig. Soweit sich die Klage im Übrigen zulässigerweise gegen das Land richte, stehe dem Beschwerdeführer der geltend gemachte Anspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Ein Schmerzensgeldanspruch bestehe nur dann, wenn die Ingewahrsamnahme eine hinreichende Schwere aufweise und eine anderweitige Genugtuungsmöglichkeit nicht bestehe. Diese Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt. Es fehle bereits an einer hinreichenden Schwere der Persönlichkeitsverletzung, denn die Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme beruhe allein darauf, dass eine Vorführung zur richterlichen Anhörung nicht unverzüglich erfolgt sei. Damit unterscheide sich der Fall signifikant von der Fallgestaltung, in der das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 11. November 2009 (BVerfGK 16, 389 ff.) eine Geldentschädigung als erforderlich angesehen habe. Insbesondere zähle der Beschwerdeführer zu den Teilnehmern der aufgelösten Versammlung, die sich gleichwohl nicht entfernt hätten, und habe sich somit rechtswidrig im Bereich des Bahnkörpers aufgehalten. Zudem habe er bereits Genugtuung dadurch erfahren, dass das Landgericht die Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme festgestellt habe. Diese Feststellung sei auch nicht ohne Wert, da dem Gericht dienstlich bekannt sei, dass die Polizeieinsatzleitung in der Vergangenheit aus Entscheidungen in derartigen Freiheitsentziehungsverfahren Konsequenzen für die Einsatzplanung zur Absicherung der nächsten Castortransporte gezogen habe. Der Beschwerdeführer selbst sei im Übrigen offenbar nicht davon ausgegangen, dass die Bedingungen innerhalb des Gewahrsams rechtswidrig gewesen seien, denn einen entsprechenden Feststellungsantrag habe er nicht gestellt. Konsequent habe er seine Klage auch nicht damit begründet, dass er persönlich im Rahmen oder durch den Rahmen der Gewahrsamsbedingungen persönlichen körperlichen Schaden erlitten habe, insbesondere er selbst mit Pfefferspray in Kontakt gekommen sei. Danach lasse sich hinsichtlich der Verletzung des immateriellen Persönlichkeitsrechts des Beschwerdeführers keine hinreichende Schwere feststellen, welche die Zahlung einer Geldentschädigung rechtfertigen könne. Auch aus Art. 5 Abs. 5 EMRK ergebe sich kein Anspruch auf Geldentschädigung unabhängig von Grund und Ausmaß der Freiheitsentziehung.
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4. Die Gehörsrüge wies das Landgericht mit ebenfalls angegriffenem Beschluss als unbegründet zurück.
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5. Mit seiner Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 Abs. 1, 2 und 4 GG, jeweils in Verbindung mit Art. 5 Abs. 3 und 5 EMRK, sowie aus Art. 8 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG geltend.
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6. Dem Niedersächsischen Justizministerium und der Präsidentin des Bundesgerichtshofs ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.
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II.
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Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).
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1. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen Fragen bereits entschieden. Dies gilt insbesondere für die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Entscheidung über einen Geldentschädigungsanspruch wegen der Verletzung immaterieller Rechtsgüter, namentlich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder der Menschenwürde (vgl. BVerfGE 34, 269 282>).
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2. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet.
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a) Die Rüge des Beschwerdeführers, die Gerichte hätten zu Unrecht einen Entschädigungsanspruch in Geld wegen der rechtswidrigen Ingewahrsamnahme verneint, betrifft in erster Linie die Auslegung und Anwendung der als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden zivilrechtlichen Vorschriften, hier des § 839 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG. Dies obliegt primär den Fachgerichten, deren Entscheidungen insoweit vom Bundesverfassungsgericht nur darauf überprüft werden können, ob ihnen eine grundsätzlich unrichtige Anschauung der betroffenen Grundrechte zugrunde liegt. Das ist der Fall, wenn die Normauslegung die Tragweite der Grundrechte nicht hinreichend berücksichtigt oder im Ergebnis zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der grundrechtlichen Freiheit führt (vgl. BVerfGE 18, 85 92 f.>; 85, 248 257 f.>; 134, 242 353 Rn. 323>).
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b) Nach diesem Maßstab können die angegriffenen Entscheidungen keinen Bestand haben, denn die Erwägungen, aufgrund derer das Landgericht einen Anspruch des Beschwerdeführers auf Geldentschädigung für den erlittenen rechtswidrigen Freiheitsentzug verneint hat, werden der Bedeutung der Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG nicht gerecht.
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aa) Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass der Schutzauftrag des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch den Anspruch auf Ausgleich des immateriellen Schadens verwirklicht wird, wobei die Gerichte die Fundierung in der Menschenwürde zu beachten haben (vgl. BVerfGK 3, 49 52>). Dies gilt nicht weniger, wenn auch das Grundrecht auf Freiheit der Person betroffen ist, weil es bereits an einer Rechtsgrundlage für die freiheitsentziehende Maßnahme als solcher fehlte oder eine richterliche Entscheidung entgegen Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG nicht unverzüglich herbeigeführt wird. Zwar muss der hiernach gebotene Ausgleich, wie die angegriffenen Entscheidungen im Ausgangspunkt zutreffend festgestellt haben, nicht zwingend in der Zubilligung eines Zahlungsanspruchs bestehen (vgl. BVerfGK 3, 49 52>; 7, 120 123 f.>). Daher begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass eine Geldentschädigung wegen der Verletzung immaterieller Persönlichkeitsbestandteile nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BGHZ 39, 124 133>; 161, 33 36 f.>) nur unter der Voraussetzung einer hinreichenden Schwere und des Fehlens einer anderweitigen Genugtuungsmöglichkeit beansprucht werden kann (vgl. BVerfGE 34, 269 286>; BVerfGK 16, 389 394 f.>). Dies begegnet auch im Lichte der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte keinen insoweit durchgreifenden Bedenken (vgl. EGMR, Urteil der Großen Kammer vom 25. März 1999 - 31195/96 -, NJW 2000, S. 2883 2886> m.w.N.).
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bb) Diese Anforderungen an die Verwirklichung grundrechtlichen Schutzes haben die angefochtenen Entscheidungen in verfassungsrechtlich nicht mehr tragfähiger Weise verkannt.
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(1) Das Landgericht hat seine Auffassung, dass die von dem Beschwerdeführer erlittene Rechtseinbuße durch die gerichtlich festgestellte Rechtswidrigkeit des Gewahrsams hinreichend ausgeglichen sei, allein auf eine Würdigung der - weitgehend unstreitigen - Umstände der Durchführung des Gewahrsams gestützt. Zudem stützt es sich darauf, dass die Einsatzleitung der Polizei aus der alleinigen Feststellung der Rechtswidrigkeit bereits Konsequenzen für die Einsatzplanung zur Absicherung zukünftiger Castortransporte gezogen habe. Daran bestehen jedoch erhebliche Zweifel, was gerade das vorliegende Verfahren zeigt. Darüber hinaus wird die Verletzung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG zwar erwähnt, aber nicht in die gebotene Gesamtschau aller Umstände des Einzelfalles einbezogen, dass die Grundrechtsverletzung bereits in der rechtswidrigen Freiheitsentziehung selbst und damit unabhängig von den Bedingungen ihres Vollzuges zu sehen ist. Dies gilt für die Missachtung des Richtervorbehalts des Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG auch im Lichte des Art. 5 Abs. 3 EMRK, der sowohl eine zusätzliche verfahrensrechtliche als auch eine materielle Freiheitsgarantie entfaltet (vgl. BVerfGE 10, 302 323>; EGMR, Urteil der Großen Kammer vom 3. Oktober 2006 - 543/03 -, NJW 2007, S. 3699 3700>). Die Tatsache, dass das Landgericht im Verfahren über die Frage der Rechtmäßigkeit der Ingewahrsamnahme verschiedene Zweifel an derselben geäußert und insbesondere eine Aufklärung hinsichtlich etwaig erteilter Platzverweise unterlassen hat, findet ebenfalls keine hinreichende Berücksichtigung.
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(2) Zu beanstanden ist weiter, dass das Landgericht in der mindestens achtstündigen Festsetzung des Beschwerdeführers keine nachhaltige Beeinträchtigung gesehen hat, ohne die abschreckende Wirkung zu erwägen, die einer derartigen Behandlung für den künftigen Gebrauch grundrechtlich garantierter Freiheiten - namentlich der durch Art. 8 Abs. 1 GG geschützten Teilnahme an Demons-trationen - zukommen konnte und die der Rechtsbeeinträchtigung ein besonderes Gewicht verleihen kann (vgl. BVerfGE 90, 22 25>; 99, 185 197>; BVerfGK 16, 389 395 f.>). Die angegriffenen Entscheidungen haben auch hinsichtlich der Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion, die sie dem landgerichtlichen Beschluss zugemessen haben, nicht berücksichtigt, dass dieser Beschluss erst mehrere Jahre nach dem Vollzug der angegriffenen Maßnahme ergangen ist und sich nicht ausdrücklich zu der Rechtmäßigkeit der Ingewahrsamnahme als solcher und den zusätzlichen Beeinträchtigungen beim Vollzug des Gewahrsams verhalten hat.
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(3) Soweit das Landgericht zur Begründung der Abweisung der Geldentschädigung auf den Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 11. November 2009 (vgl. BVerfGK 16, 389 ff.) Bezug nimmt und ausführt, die Fallgestaltungen seien nicht vergleichbar, da sich der Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren rechtswidrig im Bereich des Bahnkörpers aufgehalten habe, während die Beschwerdeführer des damaligen Verfahrens in einer Entfernung von circa 3 km von den Bahnschienen in ihrem Auto angetroffen wurden, verkennt es, dass dies für die verfassungsrechtliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit, Durchführung und Dauer der Ingewahrsamnahme gerade des Beschwerdeführers unbeachtlich ist und seine Entscheidung nicht rechtfertigt.
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(4) Das Absehen von einer Entschädigung kann auch nicht darauf gestützt werden, dass die durchgeführte Freiheitsentziehung ohne richterliche Entscheidung lediglich ein Abwicklungsproblem der Polizei angesichts der großen Anzahl festgesetzter Versammlungsteilnehmer war. Die Polizei hat vielmehr über viele Stunden nicht die gebotenen Anstrengungen unternommen, um eine richterliche Entscheidung herbeizuführen oder die Festsetzung zu beenden. Nach den Feststellungen der angegriffenen Entscheidung wurde eine große Zahl von Versammlungsteilnehmern in den frühen Morgenstunden - der Beschwerdeführer gegen 4 Uhr - in Feldgewahrsam genommen, ohne dass die Polizei die erforderlichen Anstalten traf, eine richterliche Entscheidung möglichst schnell herbeizuführen. Stattdessen wartete sie zunächst zu, richtete gegen Mittag Auslassstellen ein und begann erst dann - verbunden mit Identitätsfeststellungen - mit den Entlassungen. Entsprechend stellte das Landgericht in Abänderung der amtsgerichtlichen Entscheidung fest, dass die Freiheitsentziehung nicht nur teilweise, sondern insgesamt rechtswidrig war.
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3. Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Verstöße gegen Art. 8 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG liegen Annahmegründe nicht vor. Insoweit wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG von einer Begründung abgesehen.
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4. Die angefochtenen Entscheidungen beruhen auf dem Grundrechtsverstoß. Sie sind daher aufzuheben. Die Sache ist an das Landgericht zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG).
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5. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 366 ff.>).
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