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BVerfG 22.06.2015 - 1 BvR 1326/15
BVerfG 22.06.2015 - 1 BvR 1326/15 - Erlass einer einstweiligen Anordnung, die sofortige Vollziehung der Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung einstweilen auszusetzen
Normen
Art 12 Abs 1 GG, § 32 Abs 1 BVerfGG, § 95 Abs 1 S 1 SGB 5, § 95 Abs 1 S 2 SGB 5, § 95 Abs 6 SGB 5
Vorinstanz
vorgehend BSG, 13. Mai 2015, Az: B 6 KA 25/14 R, Urteil
vorgehend SG Freiburg (Breisgau), 9. November 2011, Az: S 1 KA 4150/10, Urteil
nachgehend BVerfG, 26. September 2016, Az: 1 BvR 1326/15, Stattgebender Kammerbeschluss
Tenor
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1. Die Vollziehung des Urteils des Bundessozialgerichts vom 13. Mai 2015 - B 6 KA 25/14 R - wird bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde, längstens für die Dauer von sechs Monaten, vorläufig ausgesetzt.
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2. Das Land Baden-Württemberg hat der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen für das Verfahren über die einstweilige Anordnung zu erstatten.
Gründe
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I.
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Die Beschwerdeführerin, die ein Medizinisches Versorgungszentrum betreibt, wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen die Entziehung ihrer Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung.
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Sie rügt eine Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG und begehrt den Erlass einer einstweiligen Anordnung.
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II.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist begründet.
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1. Nach §§ 32, 93d Abs. 2 BVerfGG kann die Kammer im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsaktes vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde erweist sich von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Bei offenem Ausgang des Verfassungsbeschwerdeverfahrens muss das Bundesverfassungsgericht die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 88, 25 35>; 89, 109 110 f.>).
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2. Die Verfassungsbeschwerde ist weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet.
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3. Die hiernach gebotene Folgenabwägung führt zum Erlass der einstweiligen Anordnung.
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Erginge die einstweilige Anordnung nicht, erwiese sich die Verfassungsbeschwerde später aber als begründet, so entstünden der Beschwerdeführerin durch den Vollzug der Zulassungsentziehung schon jetzt schwere und kaum reparable berufliche und wirtschaftliche Nachteile. Seit Verkündung der angegriffenen Entscheidung ist der Beschwerdeführerin die Versorgung gesetzlich versicherter Patienten im Rahmen des von ihr betriebenen Medizinischen Versorgungszentrums nicht mehr erlaubt, weil die Wirkungen des fachgerichtlichen Eilrechtsschutzes damit entfallen sind. Bliebe dieser Zustand die nächste Zeit aufrechterhalten, ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin angesichts der monatlichen Fixkosten das Medizinische Versorgungszentrum aufgeben und ihren angestellten Ärzten und Mitarbeitern kündigen müsste. Zwar ist der Vortrag der Beschwerdeführerin insoweit wenig konkret, insbesondere fehlen Angaben zur Anzahl privat versicherter Patienten und den finanziellen Reserven der Beschwerdeführerin. Allerdings ist zumindest davon auszugehen, dass sie ihren Patientenstamm unter den gesetzlich Krankenversicherten und damit den größten Teil ihrer Einnahmen verlieren würde. Diese die Existenz des Medizinischen Versorgungszentrums bedrohende Konsequenz wäre bei einem späteren Erfolg der Verfassungsbeschwerde praktisch kaum noch rückgängig zu machen.
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Erginge die einstweilige Anordnung, hätte die Verfassungsbeschwerde später aber keinen Erfolg, könnte die Beschwerdeführerin ihr Medizinisches Versorgungszentrum - wie schon bis zur Verkündung der angegriffenen Entscheidung - zunächst weiter betreiben. Dafür, dass den dort versorgten Patienten durch den weiteren Betrieb Gefahren drohten, ist nichts erkennbar. Solche Auswirkungen des Weiterbetriebs haben auch die Fachgerichte im Eilrechtsschutzverfahren nicht gesehen. Zudem ist das beanstandete Fehlverhalten der Beschwerdeführerin abgeschlossen und liegt bereits über fünf Jahre zurück. Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu erneuten Pflichtverletzungen kommen könnte, ist daher eher gering.
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Die Folgen einer weiteren Betätigung der Beschwerdeführerin fallen somit weniger ins Gewicht, während andererseits die Folgen, die für sie im Falle einer Ablehnung der einstweiligen Anordnung einträten, existentiell wären. Die grundrechtlich geschützten Belange der Beschwerdeführerin überwiegen daher das Interesse der Allgemeinheit an dem sofortigen Vollzug der Zulassungsentziehung.
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4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 3 BVerfGG.
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5. Wegen der besonderen Dringlichkeit ergeht diese Entscheidung unter Verzicht auf die Anhörung der anderen Beteiligten des Ausgangsverfahrens (§ 32 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG).
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