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BVerfG 14.05.2013 - 2 BvR 547/13
BVerfG 14.05.2013 - 2 BvR 547/13 - Erlass einer einstweiligen Anordnung: Verrechnung von Abschlagsleistungen auf staatliche Parteienfinanzierung mit Zahlungspflicht gem § 31b S 1 PartG einstweilen ausgesetzt - irreparable Nachteile aufgrund erheblicher Einschränkung der Wahlwerbemöglichkeit überwiegen in Folgenabwägung - vorrangige Inanspruchnahme fachgerichtlichen Eilrechtsschutzes unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten nicht geboten
Normen
Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 32 Abs 1 BVerfGG, § 31a Abs 3 S 2 PartG, § 31b S 1 PartG, § 31b S 4 PartG
Vorinstanz
vorgehend BVerwG, 12. Dezember 2012, Az: 6 C 32/11, Urteil
vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 23. Mai 2011, Az: OVG 3a B 1/11, Urteil
vorgehend VG Berlin, 15. Mai 2009, Az: 2 K 39/09, Urteil
nachgehend BVerfG, 11. November 2013, Az: 2 BvR 547/13, Ablehnung einstweilige Anordnung
Tenor
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Der Präsident des Deutschen Bundestages wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin die vom Bund zu leistenden Abschlagszahlungen zum 15. Mai 2013 und zum 15. August 2013 entsprechend seinem Schreiben an die Antragstellerin vom 31. Januar 2013 in Höhe von jeweils 303.414,05 Euro ohne Verrechnung mit dem im Bescheid vom 26. März 2009 festgesetzten Zahlungsanspruch zu zahlen.
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Die Bundesrepublik Deutschland hat der Antragstellerin die notwendigen Auslagen für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erstatten.
Gründe
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Mit dem Erlass einer einstweiligen Anordnung erstrebt die Antragstellerin die Aussetzung der Vollziehung eines durch den Präsidenten des Deutschen Bundestages gegen sie festgesetzten Zahlungsanspruchs.
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I.
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Der Präsident des Deutschen Bundestages stellte Unrichtigkeiten im Rechenschaftsbericht der Antragstellerin für das Jahr 2007 fest und verpflichtete sie nach § 31b Satz 1 PartG zur Zahlung eines dem Zweifachen des den Unrichtigkeiten entsprechenden Betrages. Das Bundesverwaltungsgericht reduzierte letztinstanzlich die Zahlungspflicht, hielt sie im Grundsatz aber aufrecht und führte dazu aus: Dem Wortlaut des § 31b Satz 1 PartG ließen sich zwar keine subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen entnehmen, die Auswirkungen der Zahlungsverpflichtung könnten die Betätigungsfreiheit der betroffenen Partei ohne das Korrektiv eines subjektiven Tatbestandes aber in einem dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz widersprechenden Maße beeinträchtigen. Deshalb sei zu prüfen, ob die Antragstellerin hinsichtlich der festgestellten Unrichtigkeiten ein Fahrlässigkeitsvorwurf treffe, wobei ein an den allgemeinen Verkehrsbedürfnissen ausgerichteter objektiver Fahrlässigkeitsmaßstab anzulegen sei. Das Bundesverwaltungsgericht sah ein fahrlässiges Verhalten der Antragstellerin als gegeben an.
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Die Antragstellerin begründet ihre unter anderem auf die Rüge einer Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG gestützte Verfassungsbeschwerde insoweit damit, dass die vom Bundesverwaltungsgericht gefundene Lösung, die darauf ziele, § 31b Satz 1 PartG die Schärfe zu nehmen, dem Gesetzgeber vorbehalten gewesen sei, die in dieser Vorschrift vorgesehene verschuldensunabhängige Sanktionierung von Unrichtigkeiten im Rechenschaftsbericht aber gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ver-stoße.
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Den Erlass einer einstweiligen Anordnung hält die Antragstellerin zur Erhaltung ihrer finanziellen Handlungsfähigkeit für erforderlich. Die Kosten für die Aufrechterhaltung eines minimalen Parteibetriebs einschließlich der Sachausgaben für Wahlwerbung beliefen sich in 2013 auf 1.392.000,00 Euro, die sie ohne die staatliche Mittelzuweisung nur in Höhe von 392.000,00 Euro decken könne. Die Schlusszahlung aus der staatlichen Teilfinanzierung für 2012 und die erste Abschlagszahlung 2013 seien verrechnet worden.
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Der Präsident des Deutschen Bundestages hält den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung für unzulässig. Die Antragstellerin habe gegen die von ihm abgelehnte Stundung der Zahlungsforderung Klage erhoben, aber insoweit nicht um fachgerichtlichen Eilrechtsschutz nachgesucht.
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II.
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1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde erwiese sich von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Bei offenem Ausgang des Verfassungsbeschwerdeverfahrens muss das Bundesverfassungsgericht die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegen die Nachteile abwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde der Erfolg aber zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 88, 25 35>; 89, 109 110 f.>; stRspr).
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2. Der Zulässigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin sich nicht mit einem Eilantrag an das Verwaltungsgericht gewandt hat, um eine Stundung zu erreichen. Gefestigte Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Stundung von Zahlungsansprüchen, die der Präsident des Deutschen Bundestages nach dem Parteiengesetz gegen politische Parteien festgesetzt hat, besteht nicht. Im Schrifttum wird bestritten, dass eine Forderung nach § 31b Satz 1 PartG gestundet werden kann (vgl. Rixen, in: Kersten/Rixen, Parteiengesetz <PartG> und europäisches Parteienrecht, 2009, § 31b Rn. 31 ff.). Jedenfalls unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten kann die Antragstellerin deswegen nicht auf die vorrangige Inanspruchnahme fachgerichtlichen Eilrechtsschutzes verwiesen werden.
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3. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht offensichtlich unzulässig. Die Ausführungen der Antragstellerin genügen jedenfalls im Hinblick auf die in Betracht kommende Verletzung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) noch den Begründungsanforderungen nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG. Mit dem Hinweis, der vom Bundesverwaltungsgericht beschrittene Weg zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Anwendung des § 31b Satz 1 PartG hätte gesetzlich vorgegeben sein müssen, macht die Antragstellerin geltend, dass das Gericht die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung zu ihren Lasten verlassen habe. Eine die verfassungsrechtlichen Grenzen überschreitende gerichtliche Rechtsfortbildung kann eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip darstellen (vgl. BVerfGE 65, 182 190>; 87, 273 279 f.>).
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4. Die Verfassungsbeschwerde ist auch nicht offensichtlich unbegründet. Es ist nicht von vornherein erkennbar, dass § 31b Satz 1 PartG ohne ein vom Gesetzgeber zu normierendes Korrektiv subjektiver Verantwortlichkeit mit der Verfassung im Einklang steht. Diese im Verwaltungsrechtszug erörterte Frage bedarf vielmehr der Klärung im Hauptsacheverfahren. Gleiches gilt für die Frage, ob die Norm gegebenenfalls einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich ist. In diesem Zusammenhang wird zu überprüfen sein, ob die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, die Verhältnismäßigkeit der in § 31b Satz 1 PartG vorgesehenen Zahlungsverpflichtung sei jedenfalls gewahrt, wenn die Unrichtigkeiten des Rechenschaftsberichts fahrlässig herbeigeführt worden seien, sich in den Grenzen richterlicher Gesetzesauslegung und -anwendung hält.
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5. Bliebe der Antragstellerin der Erlass einer einstweiligen Anordnung versagt, obsiegte sie aber in der Hauptsache, könnten möglicherweise bereits eingetretene Rechtsbeeinträchtigungen nicht mehr verhindert oder rückgängig gemacht werden. Die Abschlagszahlungen am 15. Mai 2013 und 15. August 2013 würden verrechnet (§ 31b Satz 4 i.V.m. § 31a Abs. 3 Satz 2 PartG; über die Abschlagszahlung am 15. November 2013 kann im Hinblick auf § 32 Abs. 6 Satz 1 BVerfGG nicht befunden werden). Die Antragstellerin ist nach ihrer Darstellung zur Finanzierung ihrer Parteiarbeit aber auf die staatlichen Mittelzuweisungen angewiesen. Ohne sie wären vor allem ihre Wahlwerbemöglichkeiten im anstehenden Bundestagswahlkampf erheblich eingeschränkt (vgl. zur Bedeutung des Wahlkampfes für die Wahlentscheidung der stimmberechtigten Bürger BVerfGE 20, 56 113>). Die Nachteile, die entstünden, wenn die einstweilige Anordnung erginge, der Antragstellerin der Erfolg in der Hauptsache aber versagt bliebe, wiegen dagegen weniger schwer. Die Realisierung des staatlichen Zahlungsanspruchs würde lediglich hinausgeschoben. Die Möglichkeit zur Verrechnung mit späteren Abschlagszahlungen bliebe erhalten.
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6. Die Summe der für 2013 noch ausstehenden und vom Bund zu leistenden Abschlagszahlungen entspricht weitgehend dem von der Antragstellerin angegebenen, nicht durch Eigeneinnahmen gedeckten Bedarf. Die Zahlungen brauchen nicht von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht zu werden. Wegen der Möglichkeit der Verrechnung mit künftigen Abschlagszahlungen erscheint die spätere Forderungsrealisierung nicht gefährdet.
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7. Die Entscheidung über die Erstattung von Auslagen folgt aus § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG.
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