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BVerfG 18.04.2013 - 1 BvR 1119/13
BVerfG 18.04.2013 - 1 BvR 1119/13 - Erlass einer eA: Einstweilige Aussetzung der Vollziehung eines überraschend und kurzfristig angeordneten mehrtägigen Kindesumgangs
Normen
Art 6 Abs 1 GG, § 32 Abs 1 BVerfGG, § 1684 Abs 3 S 1 BGB
Vorinstanz
vorgehend AG Merzig, 16. April 2013, Az: 27 F 87/13 EAUG, Beschluss
Tenor
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1. Die Vollziehung des Beschlusses des Amtsgerichts Merzig vom 16. April 2013 - 27 F 87/13 EAUG - wird für die Dauer des Verfassungsbeschwerdeverfahrens einstweilen, längstens für die Dauer von sechs Monaten, ausgesetzt.
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2. ...
Gründe
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Die Kammer hat die Begründung ihrer Entscheidung gemäß § 32 Abs. 5 Satz 2 BVerfGG nach Bekanntgabe des Beschlusses schriftlich abgefasst.
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I.
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Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die - ohne vorherige mündliche Verhandlung erlassene - einstweilige Anordnung unbegleiteten Umgangs des Kindesvaters mit ihren beiden Kindern für den Zeitraum von Donnerstag, 18. April 2013, 18 Uhr bis Samstag, 27. April 2013, 18 Uhr.
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1. Die Beteiligten streiten über das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Umgangsrecht für ihre beiden in den Jahren 2006 und 2009 geborenen Kinder. Der Kindesvater hat die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für die Kinder auf sich beantragt. Am 17. Januar 2013 schlossen die Kindeseltern eine gerichtliche Vereinbarung mit dem Inhalt, dass die Kinder bis zu einer anderweitigen Entscheidung oder Vereinbarung ihren gewöhnlichen Aufenthalt bei der Mutter haben. Dem Vater wurde ein vierzehntägiges Umgangsrecht samstags und sonntags jeweils von 10 bis 18 Uhr eingeräumt. Bei Vorlage einer Bescheinigung über den Bezug einer größeren Wohnung mit Schlafgelegenheit für die Kinder wurde dem Kindesvater ein Umgangsrecht alle 14 Tage von Freitag 17 Uhr bis Sonntag 18 Uhr eingeräumt.
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Aufgrund einer fortbildungsbedingten Abwesenheit der berufstätigen Beschwerdeführerin im Zeitraum vom 19. bis 27. April 2013 musste ein Anhörungstermin im anhängigen Sorgerechtsverfahren verlegt werden. Im Rahmen der Ladung zum neuen Termin wies das Gericht die Beschwerdeführerin darauf hin, dass es aus Sicht des Gerichts möglich sein sollte, dass die Kinder sich während der Abwesenheit der Kindesmutter beim Kindesvater aufhalten. Dieser möge entsprechend dem Vergleich vom 17. Januar 2013 eine Bescheinigung über den Bezug einer größeren Wohnung mit Schlafgelegenheit für beide Kinder zur Akte reichen. Der Beschwerdeführerin wurde Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 11. April 2013 gegeben.
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In ihrer daraufhin eingereichten Stellungnahme führte die Beschwerdeführerin aus, der Kindesvater habe die Kinder noch nie eine Woche lang alleine betreut, jedenfalls nicht ohne "bestützende verwandte Personen". Außerdem sei er nicht anwesend, da er mit eigenen Geschäften betraut sei. Die Beschwerdeführerin gehe davon aus, dass der Kindesvater mit einer dauernden Betreuung überfordert sei, da er bereits früher, noch während des Zusammenlebens oft unbeherrscht gegenüber den Kindern aufgetreten sei und insbesondere das jüngere Kind drangsaliert und beschimpft habe.
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Mit Schreiben vom 15. April 2013 beantragte der Kindesvater sodann im Wege der einstweiligen Anordnung die Einräumung des unbegleiteten Umgangsrechts vom 19. bis 27. April 2013. Der Kindesvater wies im Rahmen dieses Antrages den Bezug einer größeren Wohnung nach.
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2. Mit Beschluss vom 16. April 2013, welcher der Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin durch den Bevollmächtigten des Kindesvaters am 17. April 2013 übermittelt wurde, ordnete das Amtsgericht an, dass die Kinder den Kindesvater in der Zeit von Donnerstag, 18. April 2013, 18 Uhr bis Samstag, 27. April 2013, 18 Uhr besuchen. Der Beschwerdeführerin wurde aufgegeben, die Kinder zu den angegebenen Zeitpunkten bereitzuhalten und dem Kindesvater mit den für den Umgang notwendigen Dingen wie Kleidung und Hygieneartikel zu übergeben.
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Zur Begründung führt das Amtsgericht aus, der im Sorgerechtsverfahren bestellte Verfahrensbeistand habe den Aufenthalt der Kinder beim Kindesvater während der beruflichen Abwesenheit der Kindesmutter befürwortet, sofern der Kindesvater den Bezug einer größeren Wohnung mit Schlafgelegenheit für beide Kinder nachweise. Soweit die Kindesmutter mit Schriftsatz vom 11. April 2013 im Sorgerechtsverfahren anführe, der Kindesvater habe die Kinder noch nie eine Woche lang alleine betreut, jedenfalls nicht ohne "bestützende verwandte Personen" und dass er bereits früher, noch während des Zusammenlebens der Beteiligten oft unbeherrscht gegenüber den Kindern aufgetreten sei und insbesondere das jüngere Kind drangsaliert habe, so rechtfertige dies nicht den Schluss, dass der 37-jährige Kindesvater nicht in der Lage sei, zwei Kinder im Alter von sieben und vier Jahren ordnungsgemäß zu betreuen. Dies gelte insbesondere, da die ältere Tochter die Schule besuche, die jüngere den Kindergarten und beide an der Nachmittagsbetreuung teilnähmen.
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Wegen der besonderen Eilbedürftigkeit sei daher ohne mündliche Verhandlung und Anhörung der Beteiligten das Umgangsrecht im Wege der einstweiligen Anordnung zu regeln. Da eine spätere Übergabe am Freitag aufgrund des Anfahrtsweges der Beschwerdeführerin zum Seminarort kaum praktikabel und eine mögliche Beeinträchtigung des Kindeswohls nicht ersichtlich sei, sei der Umgang bereits vom 18. April bis 27. April 2013 anzuordnen gewesen. In dieser Zeit möge der Kindesvater dann unter Beweis stellen, dass er zur ordnungsgemäßen Erziehung und Versorgung seiner Kinder in der Lage sei, was auch im Sorgerechtsverfahren überhaupt Grundvoraussetzung für einen Wechsel der Kinder in den väterlichen Haushalt wäre.
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3. Die Beschwerdeführerin hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Sie macht geltend, der angeordnete Umgang verletze die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1, Art. 6, Art. 19 und Art. 103 Abs. 1 GG.
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II.
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1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.
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a) Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsaktes vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, das in der Hauptsache zu verfolgende Begehren erweist sich von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet (vgl. BVerfGE 88, 185 186>; 103, 41 42>; stRspr).
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Bei offenem Ausgang des Verfassungsbeschwerdeverfahrens sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber später Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg versagt bleibt (vgl. BVerfGE 88, 185 186>; stRspr). Wegen der meist weittragenden Folgen, die eine einstweilige Anordnung in einem verfassungsgerichtlichen Verfahren auslöst, ist bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfGE 87, 107 111>; stRspr).
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b) Nach diesen Maßstäben ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung angezeigt.
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aa) Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Verfassungsbeschwerde, deren Begründung bis zum Ablauf der Verfassungsbeschwerdefrist noch ergänzt werden kann, sich von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet erweisen würde. Der Ausgang des Verfassungsbeschwerdeverfahrens ist vielmehr offen.
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bb) Die demnach erforderliche Folgenabwägung nach § 32 BVerfGG führt zum Erlass der einstweiligen Anordnung.
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Erginge die einstweilige Anordnung nicht, so fände der angeordnete Umgang statt. Erwiese sich die Verfassungsbeschwerde nachfolgend als begründet, wäre die Beschwerdeführerin aufgrund des durchgeführten Umgangs in ihrem Elternrecht verletzt. Zudem bedeutete die Durchführung des Umgangs eine erhebliche Belastung für die Kinder, da der angeordnete Umgang überraschend und sehr kurzfristig stattfände. Die Kinder könnten angesichts des kurzen zeitlichen Vorlaufs nur unzureichend durch die Mutter auf den Umgang vorbereitet werden. Sie müssten zudem gegen den ihnen bekannten Willen der Mutter den Aufenthalt für einen längeren Zeitraum zum Vater verlegen, dem derzeit nicht das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder zusteht.
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Erginge die einstweilige Anordnung, so verblieben die Kinder für den genannten Zeitraum in dem für sie gewohnten Umfeld. Würde sich die Verfassungsbeschwerde später als erfolglos erweisen, hätte dies eine Verletzung des Elternrechts des Vaters zur Folge, die allerdings von geringerer Intensität wäre als die andernfalls anzunehmende Verletzung des Elternrechts der Beschwerdeführerin. Der durch das Amtsgericht angeordnete (vorerst) einmalig erweiterte Umgang des Kindesvaters könnte gegebenenfalls ohne Weiteres zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden. Dass es zum Wohl der Kinder angezeigt wäre, den erweiterten Umgang des Vaters gerade während der fortbildungsbedingten Abwesenheit der Mutter durchzuführen, ist nicht ersichtlich. Insbesondere wurde von keiner Seite vorgetragen, dass die Kinder in dieser Zeit unversorgt wären.
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Wägt man die Folgen gegeneinander ab, so wiegen die Nachteile, die im Falle des Erlasses der einstweiligen Anordnung dem Kindesvater drohen, weniger schwer als die Nachteile, die den Kindern und der Beschwerdeführerin im Falle der Versagung des Erlasses der einstweiligen Anordnung entstehen könnten.
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2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 3 BVerfGG.
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