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BVerfG 20.11.2012 - 1 BvL 13/10
BVerfG 20.11.2012 - 1 BvL 13/10 - Unzulässige Richtervorlage zur Vereinbarkeit von §§ 21 Abs 1 Nr 4 Halbs 2, 27 Abs 3 Nr 5 Halbs 2 PStG mit Art 4 Abs 1, 2 GG sowie Art 3 Abs 1, Abs 3 GG - Versagung der Eintragung der muslimischen Religionszugehörigkeit eines Kindes ins Geburtenregister mangels Status der Religionsgemeinschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts - unzureichende Vorlagebegründung bei mangelnder Auseinandersetzung des vorlegenden Gerichts mit Rechtslage und Literatur
Normen
Art 3 Abs 1 GG, Art 3 Abs 3 GG, Art 4 Abs 1 GG, Art 4 Abs 2 GG, § 80 Abs 2 S 1 BVerfGG, BMI-20100329-SF, § 21 Abs 1 Nr 4 Halbs 2 PStG vom 19.02.2007, § 27 Abs 3 Nr 5 Halbs 2 PStG vom 19.02.2007, § 5 PStV
Vorinstanz
vorgehend LG Münster, 17. September 2010, Az: 5 T 73/10, Vorlagebeschluss
Gründe
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I.
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Die Vorlage betrifft die freiwillige Eintragung der Religionszugehörigkeit in das Geburtenregister. Beteiligter zu 1) des Ausgangsverfahrens ist das gemeinsame Kind des Beteiligten zu 2) und seiner Ehefrau. Die Geburt wurde gemäß § 21 Personenstandsgesetz (PStG) beim Standesamt beurkundet. Als Religionszugehörigkeit der Mutter wurde "römisch-katholisch" eingetragen. Die Eintragung "muslimisch" beim Beteiligten zu 2) und auf Wunsch der Eltern gemäß § 27 Abs. 3 Nr. 5 Halbsatz 2 PStG auch bei dem Kind lehnte der Standesbeamte ab, weil es sich beim Islam nicht um eine Religionsgemeinschaft mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts handele. Die Beteiligten zu 1) und 2) beantragten beim Amtsgericht, den Standesbeamten zur Eintragung der Religionszugehörigkeit "muslimisch" anzuweisen. Die Vorschrift des § 21 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 PStG verstoße gegen Art. 4 Abs. 1 GG. Der Staat sei außerdem zur religiösen und weltanschaulichen Neutralität verpflichtet. Als Eltern hätten sie für den Beteiligten zu 1) entschieden, dass seine Religionszugehörigkeit muslimisch sein solle. Sie hätten einen Anspruch darauf, diese Entscheidung auch im Rahmen staatlicher Beurkundungen zu dokumentieren. Es liege ein Eingriff in die Glaubensfreiheit vor, weil die Beteiligten gehindert würden, ihren Glauben zu manifestieren, zu bekennen und zu verbreiten.
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Das Amtsgericht wies den Antrag zurück. Das Landgericht hat auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG, § 80 BVerfGG die Frage vorgelegt, ob § 21 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 PStG sowie § 27 Abs. 3 Nr. 5 Halbsatz 2 PStG mit Art. 3 und Art. 4 Abs. 1 GG vereinbar seien. Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus:
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Die Kundgabe der Religion nach außen sei in jedem Fall durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG geschützt. Hinsichtlich der Beteiligten zu 1) und 2) erwecke die Geburtsurkunde aber den Eindruck, als ob die Betroffenen keine Religion hätten. Die Unterscheidung nach dem rechtlichen Status der Religionsgemeinschaft, die in der Fassung der §§ 21, 27 PStG bis zur Änderung durch das Gesetz zur Reform des Personenstandsrechts vom 19. Februar 2007 (BGBl I S. 122) noch nicht enthalten gewesen sei, stelle eine Ungleichbehandlung dar, für die eine sachliche Rechtfertigung nicht erkennbar sei und sich insbesondere nicht aus Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 5 WRV ergebe. Danach sei nur eine differenzierende Behandlung der Religionsgemeinschaften gestattet, nicht jedoch ihrer Angehörigen. Um diese gehe es jedoch bei der Eintragung in die Geburtsurkunde. Das vom Amtsgericht angeführte Argument, es sei leicht zu prüfen, ob eine Religionsgemeinschaft eine öffentlichrechtliche Körperschaft sei, während die Frage, ob überhaupt eine Religionsgemeinschaft vorliege, bei sehr kleinen religiösen Zusammenschlüssen oder bestimmten Stammeszugehörigkeiten schwierig zu beantworten sei, überzeuge nicht. Denn eine Überprüfung der Angaben der Eltern finde bei der Beurkundung der Geburt ohnehin nicht statt (Hinweis auf Gaaz/Bornhofen, Personenstandsgesetz, 2. Aufl. 2010, § 15 Rn. 13). Es sei kein Grund ersichtlich, wieso der Standesbeamte nicht schlicht eintragen könne, was die Eltern als Religionszugehörigkeit angäben, auch wenn ihm diese nicht bekannt sei oder er nicht feststellen könne, ob es sich überhaupt um eine Religionsgemeinschaft handele.
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II.
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Die Vorlage ist unzulässig, weil sie nicht den Darlegungsanforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG genügt.
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a) Das Bundesverfassungsgericht legt in ständiger Rechtsprechung einen strengen Maßstab an die Begründungsanforderungen an, der gewährleistet, dass der Grundsatz der Subsidiarität des verfassungsgerichtlichen gegenüber dem fachgerichtlichen Verfahren gewahrt wird (vgl. BVerfGE 65, 265 277>; 97, 49 66 f.>). Hiernach muss das vorlegende Gericht in nachvollziehbarer und für das Bundesverfassungsgericht nachprüfbarer Weise darlegen, aus welchen Gründen es von der Unvereinbarkeit der Norm mit der Verfassung überzeugt ist, und dass es bei seiner anstehenden Entscheidung auf die Gültigkeit der Norm ankommt (vgl. BVerfGE 77, 259 261>; 97, 49 60>; 98, 169 199>; 105, 61 67>; stRspr). Die Begründung der Vorlage muss aus sich heraus verständlich sein. Das vorlegende Gericht muss den für die rechtliche Beurteilung wesentlichen Sachverhalt und die rechtlichen Erwägungen erschöpfend darlegen und mit hinreichender Deutlichkeit erkennen lassen, dass die vorgelegte Norm nicht verfassungskonform auszulegen und entscheidungserheblich ist (vgl. BVerfGE 68, 311 316>; 77, 259 261>; 83, 111 116>; 107, 59 85>).
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Das Gericht muss sich insofern eingehend mit der fachrechtlichen Ausgangslage auseinandersetzen und die Erwägungen ausführlich darlegen, die seine rechtliche Würdigung tragen. Hierzu gehört die Berücksichtigung der in Rechtsprechung und Fachliteratur entwickelten Rechtsauffassungen ebenso wie das Eingehen auf unterschiedliche Auslegungsmöglichkeiten, soweit diese für die Entscheidungserheblichkeit von Bedeutung sein können (vgl. BVerfGE 86, 71 77>; 105, 48 56>; 105, 61 67>). Das Gericht muss den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab angeben und auch die verfassungsrechtlichen Fragen unter Einbeziehung der Rechtsprechung und der Fachliteratur sorgfältig prüfen (vgl. BVerfGE 79, 240 243>; 86, 71 77 f.>). Es muss sodann darlegen, dass es eine verfassungskonforme Auslegung der vorgelegten Norm geprüft und in vertretbarer Weise ausgeschlossen hat (vgl. BVerfGE 96, 315 324 f.>). Schließlich muss das vorlegende Gericht darlegen, dass es auf die Norm in entscheidungserheblicher Weise ankommt, inwiefern es also bei Gültigkeit der beanstandeten Regelung zu einem anderen Ergebnis käme als im Falle ihrer Ungültigkeit und wie es dieses Ergebnis begründen würde; Zweifel an der Verfassungsgemäßheit genügen nicht (vgl. BVerfGE 79, 245 249>; 86, 52 56 f.>; 86, 71 77 f.>).
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b) Der Vorlagebeschluss setzt sich nicht hinreichend mit der fachrechtlichen Rechtslage auseinander und genügt so nicht den Anforderungen an die Begründung eines konkreten Normenkontrollantrags. Die Auffassung des Landgerichts, die Angaben der Eltern zur Religionszugehörigkeit würden bei der Beurkundung der Geburt im Geburtenregister nicht geprüft, so dass es nicht darauf ankomme, ob die Angaben leicht zu prüfen seien, ist unzureichend begründet. Die in dem Vorlagebeschluss zitierte Kommentierung geht davon aus, dass jedenfalls der Status der Körperschaft des öffentlichen Rechts zu prüfen sei (vgl. Gaaz/Bornhofen, Personenstandsgesetz, 2. Aufl. 2010, § 15 Rn. 13). Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Personenstandsgesetz in der Fassung vom 29. März 2010, auf die der Vorlagebeschluss nicht eingeht, verweist zur Prüfung, ob eine Religionsgemeinschaft den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts besitzt, in Ziffer A 3.1.1 auf die vom Bundesministerium des Innern herausgegebene bundesweite Zusammenstellung der Religionsgemeinschaften in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Mit der in § 5 der Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes geregelten Pflicht des Standesbeamten, Eintragungen im Personenstandsregister und sonstige Beurkundungen erst vorzunehmen, wenn der zugrunde liegende Sachverhalt ermittelt und abschließend geprüft worden ist, setzt sich der Vorlagebeschluss ebenfalls nicht auseinander.
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Soweit der Vorlagebeschluss darauf abstellt, dass gemäß § 21 PStG in der bis zum 31. Dezember 2008 gültigen Fassung die Eintragung der Religionszugehörigkeit nicht vom Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts abhängig war und ein Grund für die Änderung nicht ersichtlich sei, fehlt es ebenfalls an einer umfassenden Auseinandersetzung mit der fachrechtlichen Rechtslage. Der Gesetzgeber hat damit die Eintragungsfähigkeit von Religionsgemeinschaften der Nutzungsmöglichkeit der Personenstandsregister durch die Religionsgemeinschaften angepasst: § 65 Abs. 2 PStG n.F. hat die Regelung aus § 86 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Personenstandsgesetz a.F. (Dienstanweisung für die Standesbeamten und ihre Aufsichtsbehörden) übernommen, nach der nur Religionsgemeinschaften in der Rechtsform der Körperschaft des öffentlichen Rechts den Behörden bei der Benutzung der Personenstandsregister gleichgestellt sind. Ausführungen zu den Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur zur Eintragungsfähigkeit von Religionsgemeinschaften vor der Neufassung des Personenstandsgesetzes fehlen (vgl. dazu OLG Hamm, Beschluss vom 22. November 1990 - 15 W 398/89 -, juris; Kissner, StAZ 2010, S. 18).
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Der Vorlagebeschluss stellt auch den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab nicht hinreichend dar. Die Beteiligten sind an der Kundgabe ihrer Religion sowohl gegenüber dem Standesbeamten als auch gegenüber sonstigen - auch staatlichen - Stellen, denen die Geburtsurkunde vorgelegt würde, nicht gehindert. Die Bekenntnismöglichkeit hängt nicht von der Eintragung in das Geburtenregister ab. Inwiefern dennoch ein Eingriff in Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG vorliegen soll, erschließt sich aus der Vorlage nicht.
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Auch die Prüfung der verfassungsrechtlichen Fragen zu Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 GG genügt nicht den Anforderungen von § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG. Die gerügten Vorschriften des Personenstandsgesetzes knüpfen an die Organisationsform der einzutragenden Religionsgemeinschaft an (vgl. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV). Der Vorlagebeschluss hätte die Möglichkeit einer Ungleichbehandlung muslimischer Religionsgemeinschaften auch unter Einbeziehung der Rechtsprechung und der Fachliteratur eingehend darlegen müssen (vgl. dazu Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 140 GG, dort Art. 137 WRV Rn. 66 ff. <Februar 2003>; Kissner, StAZ 2010, S. 18).
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Die Auffassung des Landgerichts, es sei nicht ersichtlich, wieso der Standesbeamte nicht schlicht eintragen könne, was die Antragsberechtigten wollten, setzt sich zudem nicht hinreichend mit der Wirkung der Beurkundung auseinander. Der Gesetzgeber hat erkennbar ein berechtigtes Interesse daran, dass Eintragungen in das Geburtenregister nicht beliebig erfolgen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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